VwGH 91/06/0078

VwGH91/06/007820.6.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde 1. des AN und 2. der BN gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 26. März 1991, Zl. Ve-550-1756/2, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (mitbeteiligte Partei: Gemeinde C, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs2;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Den Beschwerdeführern wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 25. Juli 1989 die Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses mit Garage auf dem Grundstück Nr. 1471/4, KG C, erteilt. Während der Bauführung traten Unklarheiten hinsichtlich ihrer Konsensgemäßheit auf. Mit Schreiben vom 24. April 1990 verfügte die Baubehörde eine Baueinstellung bis 8. Mai 1990, 11.30 Uhr. Da nach diesem Zeitpunkt die Bauarbeiten weitergeführt wurden, machte die Baubehörde die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 11. Juni 1990 darauf aufmerksam, daß ihr Bau aufgrund der Situation und der Aktenlage weiterhin eingestellt sei und bis zur Klärung der Angelegenheit die Fortsetzung jeglicher Arbeit an dem Gebäude der Beschwerdeführer untersagt werde.

Einen Monat später erließ der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde einen (förmlichen) Bescheid des Inhaltes, daß die weitere Fortsetzung der Arbeiten am Bauvorhaben wegen erheblicher Abweichungen von der Baubewilligung vom 25. Juli 1989 mit sofortiger Wirkung untersagt würde. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde vom Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde abgewiesen, dieser Berufungsbescheid jedoch von der belangten Behörde mit Bescheid vom 20. November 1990 mit der Begründung aufgehoben, daß bereits mit dem Schreiben vom 11. Juni 1990, welches als Bescheid anzusehen sei, eine Baueinstellung verfügt worden sei. Der Bescheid der belangten Behörde vom 20. November 1990 wurde dem Beschwerdevertreter am 29. November 1990 zugestellt.

Am 10. Dezember 1990 beantragten die Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gegen den Bescheid vom 11. Juni 1990 (und führten unter einem diese Berufung aus). Zur Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages brachten die Beschwerdeführer vor, daß sie erst im Zuge einer Besprechung mit den Beschwerdevertretern am 4. Dezember 1990 Kenntnis von der Rechtsauffassung der belangten Behörde, wonach das Schreiben vom 11. Juni 1990 ein Bescheid sei, erhalten hätten und erst dadurch in die Lage versetzt worden seien, den Beschwerdevertretern den Auftrag zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages und zur Erhebung einer Berufung zu erteilen. Der Wiedereinsetzungsantrag werde sechs Tage nach der erstmaligen Kenntnis der Beschwerdeführer von der Rechtsauffassung der belangten Behörde und daher rechtzeitig gestellt. Als Wiedereinsetzungsgrund machten die Beschwerdeführer geltend, daß das Schreiben vom 11. Juni 1990 "für Laien und ganz offensichtlich auch für die Baubehörde erster und zweiter Instanz" nicht als Bescheid erkennbar gewesen sei, keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe und auch nicht habe erkennen lassen, wer diesen "Bescheid" erlassen habe. Die Beschwerdeführer seien daher durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis und auch ohne ihr eigenes Verschulden daran gehindert gewesen, die Berufungsfrist einzuhalten.

Dieser Antrag wurde vom Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 7. Februar 1991 mit der Begründung abgewiesen, der Wiedereinsetzungsantrag sei verspätet gestellt und es läge kein Wiedereinsetzungsgrund vor.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde hat die Berufung der Beschwerdeführer mit Bescheid vom 25. Februar 1991 abgewiesen. Die von den Beschwerdeführern gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde mit dem nunmehr mit Beschwerde angefochtenen Bescheid der belangten Behörde abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen.

Die Beschwerdeführer erblicken in dem Umstand, daß sie nicht hätten erkennen können, daß die Erledigung vom 11. Juni 1990 ein Bescheid sei, ein "Ereignis" im Sinne der zitierten Rechtsvorschriften. Dieses Hindernis hat aber - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht erst mit der Mitteilung von dieser Rechtsauffassung der belangten Behörde durch die Beschwerdevertreter an die Beschwerdeführer aufgehört, sondern bereits mit der Zustellung des Bescheides vom 20. November 1990 an die Beschwerdevertreter (sohin nach dem Beschwerdevorbringen am 29. November 1990). Ab diesem Zeitpunkt war der in der betreffenden Rechtssache bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführer - wie auch in der Beschwerde nicht bestritten wird - in Kenntnis des Umstandes, daß es sich bei der Erledigung vom 11. Juni 1990 der Auffassung der belangten Behörde zufolge um einen Bescheid handle. Diese Kenntnis des in dieser Sache bevollmächtigten Beschwerdevertreters ist der Kenntnis durch die Partei selbst gleichzuhalten.

Gemäß § 71 Abs. 2 in der hier noch anzuwendenden Fassung VOR der Novelle BGBl. Nr. 357/1990, muß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen einer Woche nach Aufhören des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden. Die Wiedereinsetzungsfrist endete daher am 6. Dezember 1990, sodaß die Behörden auf Gemeindeebene und die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen sind, daß der Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführer am 10. Dezember 1990 nicht fristgerecht gestellt worden ist.

Dagegen wird in der Beschwerde vorgebracht, die Beschwerdeführer wären erst durch die Informationserteilung seitens der Beschwerdevertreter am 4. Dezember 1990 in die Lage versetzt worden, diesen einen Auftrag zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages verbunden mit der Berufung gegen den Bescheid vom 11. Juni 1990 zu erteilen. Darin liegt aber nicht - wie die Beschwerdeführer offenbar meinen - die Fortdauer des als Wiedereinsetzungsgrund gegen die Versäumung der Berufungsfrist geltend gemachten Hindernisses, sondern die Geltendmachung eines (neuen) Hindernisses, welches die Beschwerdeführer (zunächst) an der früheren Stellung des Wiedereinsetzungsantrages gehindert hat. Abgesehen davon, daß dieses Hindernis rechtzeitig vor Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist (nämlich am 4. Dezember 1990) weggefallen ist, weshalb die Beschwerdeführer an der Wahrnehmung der Wiedereinsetzungsfrist nicht gehindert waren, schlösse § 71 Abs. 5 AVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages von vornherein aus.

Im Hinblick auf die (nach dem Beschwerdevorbringen dem Sachverhalt nach nicht bestrittene) Verspätung des von den Beschwerdeführern gestellten Wiedereinsetzungsantrages kann die Frage auf sich beruhen, ob der von den Beschwerdeführern geltend gemachte Umstand, daß sie sich in einem (entschuldbaren) RECHTSIRRTUM über die Bescheidqualität des Schreibens vom 11. Juni 1990 befunden hätten, einen Wiedereinsetzungsgrund nach § 71 Abs. 1 lit. a AVG darstellen könnte (verneinend der hg. Beschluß vom 26. November 1980, Slg. Nr. 10309/A; im Prinzip bejahend das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1980, Zl. 10325/A).

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne daß auf das übrige Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.

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