VwGH 90/19/0517

VwGH90/19/051719.11.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. September 1990, Zl. SD 122/90, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z1;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs3 Z1;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. September 1990 wurde gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer, einen polnischen Staatsangehörigen, ein auf § 3 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 6 und 7 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 idF BGBl. Nr. 575/1987, (FrPolG) gestütztes, mit 31. Dezember 2000 befristetes Aufenthaltsverbot für das ganze Bundesgebiet erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes aus: Der Beschwerdeführer habe zuletzt auf Grund seines Antrages vom Juni 1987 einen bis Ende Mai 1988 gültigen Sichtvermerk erhalten. In diesem Antrag sei nicht nur zu Unrecht angegeben worden, daß er unter einer bestimmt bezeichneten Anschrift in Wien wohne, sondern vor allem auch auf seine Eigenschaft als Gesellschafter einer bestimmten Warenvertriebsgesellschaft m.b.H. und das diesbezügliche Einkommen hingewiesen worden. Tatsächlich habe sich aber später herausgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht nur bereits im Feber 1987 die genannte Unterkunft aufgegeben habe (und amtlich abgemeldet worden sei), sondern auch schon im Jahr 1986 als Gesellschafter der genannten Gesellschaft ausgeschieden sei. Damit habe er in seinem Antrag zum Zweck der Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung unrichtige Angaben über seine persönlichen Verhältnisse gemacht.

Im Oktober 1989 sei der Beschwerdeführer wegen unerlaubten Aufenthaltes in Österreich in der Zeit von 2. Dezember 1988 bis 9. Oktober 1989 rechtskräftig bestraft worden.

Am 21. November 1989 habe der Beschwerdeführer mit dem Hinweis, daß er Gesellschafter der "Fa. M." sei, einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes gestellt. Er sei dazu aufgefordert worden, Unterlagen vorzulegen, die erkennen ließen, ob und welche Gewinne die Gesellschaft abwerfe, damit beurteilt werden könne, ob der Beschwerdeführer ein ausreichendes Einkommen beziehe bzw. ob er über die Mittel für seinen Unterhalt verfüge. Daraufhin habe der Beschwerdeführer behauptet, nicht mittellos zu sein, und darüber hinaus der Behörde vorgeworfen, keine Überprüfungen vorgenommen zu haben; ferner habe er einen Kontoauszug der genannten Gesellschaft über S 300.000,-- vorgelegt. Da letzterer allein noch kein Beweis dafür sei, daß der Beschwerdeführer über die notwendigen Mittel für seinen Unterhalt verfüge, habe die Behörde (im Wege der Wirtschaftspolizei) Ermittlungen in die Wege geleitet bzw. dem Beschwerdeführer Gelegenheit geboten, an den von ihm angesprochenen Überprüfungen mitzuwirken. Es sei in der Folge nicht gelungen, die Überprüfungen vorzunehmen, zumal nicht einmal der zugesagte Jahresabschluß der Gesellschaft für das Jahr 1989 vorgelegt worden sei; dies sei trotz mehrfacher Fristverlängerungen bis jetzt nicht geschehen. Dem Beschwerdeführer sei es daher nicht gelungen, die für seinen Unterhalt erforderlichen Mittel nachzuweisen. Es habe sich aber auch nicht ergeben, daß er innerhalb der letzten fünf Jahre, also seit 1985, tatsächlich einer erlaubten Beschäftigung nachgegangen sei. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Z. 7 FrPolG seien somit gegeben.

Aufgrund des gesamten bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers erscheine die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zumindest zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Familiäre oder sonstige relevante Bindungen zu Österreich hätten nicht festgestellt werden können und seien auch nicht behauptet worden. Dies gelte auch für das Maß der feststellbaren Integration des Beschwerdeführers, der zwar schon vor Jahren nach Österreich gekommen sei, sich aber zwischenzeitig seinen eigenen Angaben zufolge einige Zeit in Polen aufgehalten habe und in Österreich längere Zeit keiner feststellbaren erlaubten geregelten Tätigkeit nachgegangen sei. Der Umstand allein, daß der Beschwerdeführer zuletzt Geschäftsanteile einer Gesellschaft m. b.H. erworben habe, habe keine so bedeutsame Beeinträchtigung seines Fortkommens und damit seiner Interessen zur Folge, daß demgegenüber die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung nicht unverhältnismäßig schwerer wögen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der "Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit in Form einer gesetzwidrigen Anwendung der Bestimmung des § 3 Fremdenpolizeigesetz" geltend gemacht und beantragt wird, deshalb den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 3 Abs. 1 FrPolG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, (MRK) genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Nach § 3 Abs. 2 FrPolG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 6) gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 zu verschaffen; (Z. 7) den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, daß er innerhalb der letzten fünf Jahre im Inland insgesamt drei Jahre einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.

Zufolge des § 2 Abs. 1 FrPolG idF BGBl. Nr. 190/1990 halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn (Z. 1) sie unter Einhaltung der Bestimmungen des Paßgesetzes in das Bundesgebiet eingereist sind, es sei denn, daß sie die Grenzkontrolle umgangen haben oder daß die Republik Österreich aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarung oder internationaler Gepflogenheit zu ihrer Rücknahme verpflichtet war, (Z. 2) ihnen von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt oder mit Bescheid eine Aufenthaltsberechtigung verlängert wurde.

Gemäß § 3 Abs. 3 FrPolG ist, wenn durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen würde, seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen: 1) Die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen; 2) die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen; 3) die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Nach Art. 8 Abs. 2 MRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

2. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid auf der Basis des dort detailliert dargelegten Sachverhaltes (vgl. oben I.1.) den rechtlichen Schluß auf die Verwirklichung sowohl des Tatbestandes des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG als auch des Tatbestandes der Z. 7 dieser Gesetzesstelle durch den Beschwerdeführer gezogen. Die Beschwerde ist dieser Subsumtion nicht entgegengetreten. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Bedenken dagegen, daß die belangte Behörde das von ihr als erwiesen angenommene Verhalten des Beschwerdeführers dahin gewertet hat, daß dieser einer österreichischen Behörde gegenüber unrichtige Angaben über seine Person gemacht habe, um sich die Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet zu verschaffen. Gleiches gilt für die behördliche Beurteilung, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nachzuweisen (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0266). Da somit von der belangten Behörde zu Recht - im Wege des § 3 Abs. 2 Z. 6 und 7 FrPolG - in zweifacher Hinsicht das Vorliegen einer "bestimmten Tatsache im Sinne des Abs. 1" angenommen wurde, gelangte sie damit in rechtlich unbedenklicher Weise auch zu dem Ergebnis, es sei die Annahme gerechtfertigt, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde (§ 3 Abs. 1 FrPolG). Angesichts der insoweit eindeutigen Rechtslage - § 3 Abs. 2 (hier: Z. 6 und 7) in seinem Zusammenhalt mit § 3 Abs. 1 FrPolG - ist der vom Beschwerdeführer gerügte Begründungsmangel derart, daß nicht dargetan worden sei, worin "konkret eine Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung erblickt (werde)", nicht gegeben.

3.1. In bezug auf die von ihr vorgenommene Interessenabwägung gemäß § 3 Abs. 3 FrPolG macht der Beschwerdeführer der belangten Behörde zum Vorwurf, sie habe seine persönlichen Verhältnisse nicht tatsächlich überprüft und nicht richtig gewertet. Dadurch, daß sie die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers, das Ausmaß seiner Integration sowie seine persönlichen Bindungen "für nicht so schützenswert achtete als die Ruhe und Ordnung Österreichs" habe sie "ihren Ermessensspielraum überschritten". Die Interessenabwägung hätte ein Überwiegen der privaten Interessen des Beschwerdeführers ergeben müssen, weil in dessen Person keine Anhaltspunkte gefunden werden könnten", "die geeignet wären, ein öffentliches Ärgernis zu erregen".

3.2. Auch mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides nicht aufzuzeigen. Was die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers anlangt, so hat die belangte Behörde diese Gesichtspunkte im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt, ihnen jedoch erkennbar im Hinblick auf das Fehlen einer feststellbaren erlaubten geregelten Tätigkeit des Beschwerdeführers in Österreich kein großes Gewicht zugemessen. Diese Wertung ist nicht zu beanstanden, zumal die Beschwerde den zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen nicht entgegengetreten ist. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer auch seine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes (unerlaubter Aufenthalt in Österreich vom Dezember 1988 bis Oktober 1989) unbestritten gelassen hat. Dieser Bestrafung kommt insofern Bedeutung zu, als auf die "Dauer des Aufenthaltes" i.S. des § 3 Abs. 3 Z. 1 FrPolG nur dann zugunsten des Fremden Bedacht zu nehmen ist, wenn es sich um einen rechtmäßigen handelt. Zu den im § 3 Abs. 3 Z. 2 leg. cit. genannten Umständen hat die belangte Behörde - vom Beschwerdeführer unwidersprochen - ausgeführt, daß familiäre oder sonstige relevante Bindungen des Beschwerdeführers zu Österreich nicht festgestellt hätten werden können und solche auch nicht behauptet worden seien. Selbst die Beschwerde unterläßt es darzutun, worin die "persönlichen Bindungen" des Beschwerdeführers gelegen sein sollen, welche die belangte Behörde in ihre Abwägung hätte einbeziehen müssen. Schließlich wurde im bekämpften Bescheid auch eine Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens des Beschwerdeführers zugestanden.

In Anbetracht der solcherart im angefochtenen Bescheid nicht zu Unrecht gering gewichteten privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleiben in Österreich begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn die belangte Behörde das Ergebnis ihrer Interessenabwägung dahin zuzammenfaßte, daß die für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer sprechenden öffentlichen Interessen unverhältnismäßig schwerer wiegen würden als die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers.

4. Da somit die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, was sich bereits aus dem Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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