Normen
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1;
VwGG §46 Abs1 idF 1985/564;
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1;
VwGG §46 Abs1 idF 1985/564;
Spruch:
1) Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.
- 2) Die Beschwerde vom 4. Jänner 1990 wird zurückgewiesen.
- 3) Die Beschwerde vom 20. März 1990 wird zurückgewiesen.
Begründung
I.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 10. November 1989 wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der N-GmbH wegen Übertretung von näher bezeichneten Arbeitnehmerschutzvorschriften bestraft. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben am 22. November 1989 zugestellt. Laut schriftlicher Auskunft des Postamtes 4040 Linz vom 23. Februar 1990 hat der Beschwerdeführer die dagegen erhobene Beschwerde vom 4. Jänner 1990 an diesem Tag zur Post gegeben. Da demnach die Beschwerde nach Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG, also verspätet, erhoben worden wäre, wurde dem Beschwerdeführer mit hg. Verfügung vom 7. März 1990 Gelegenheit geboten, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung zu äußern.
Daraufhin brachte der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof einen mit 20. März 1990 datierten - am selben Tag zur Post gegebenen - Schriftsatz ein, mit dem er unter Bezugnahme auf die vorerwähnte, ihm am 13. März 1990 zugestellte hg. Verfügung die verspätete Einbringung der Beschwerde vom 4. Jänner 1990 zugestand und angesichts dessen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den eingangs genannten Bescheid der belangten Behörde beantragte. Gleichzeitig mit diesem Antrag erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid - neuerlich - Beschwerde (datiert mit 20. März 1990) an den Verwaltungsgerichtshof.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages brachte der Beschwerdeführer zusammengefaßt folgendes vor: Sein Vertreter habe die sechswöchige Beschwerdefrist mit seinem privaten Kalender ermittelt, und zwar mit 4. Jänner 1990, und seiner Sekretärin gegenüber die Eintragung dieses Datums als letzter Tag der Beschwerdefrist im Kanzleitermin- und Fristenkalender verfügt. Dem Beschwerdevertreter sei hiebei ein Irrtum unterlaufen, der darauf zurückzuführen sei, daß sein privater Terminkalender mit 31. Dezember 1989 ende und für das Jahr 1990 lediglich eine Jahresübersicht enthalte. Der Bescheid der belangten Behörde vom 10. November 1989 sei dem Beschwerdeführer am 22. November 1989, einem Mittwoch, zugestellt worden. Der Beschwerdevertreter habe daran anknüpfend die Sechs-Wochen-Frist für die Beschwerde wie folgt errechnet: 1. Woche (Mittwoch der 29. November), 2. Woche (Mittwoch der 6. Dezember), 3. Woche (Mittwoch der 13. Dezember), 4. Woche (Mittwoch der 20. Dezember), 5. Woche (Mittwoch der 27. Dezember). Da die erste Jänner-Woche im Privatkalender nicht mehr enthalten sei, habe der Beschwerdevertreter unter Heranziehung des Jahresüberblickes ("Anno-Planing") den nächsten Mittwoch ermittelt, und zwar mit 4. Jänner. Dabei habe jener statt den Jahresplan für 1990 irrtümlich den Jahresplan für 1989 herangezogen, sodaß er in der verfehlten Annahme, der Mittwoch der ersten Jänner-Woche 1990 entfalle auf den 4. Jänner verfügt habe, den "4.1.1990" in das Kanzleifristenbuch als letzten Termin für die Ausführung der Beschwerde einzutragen. Bei der Überprüfung der Richtigkeit dieses Datums anhand des rückgelangten Aktes sei vom Beschwerdevertreter ausschließlich kontrolliert worden, ob das Datum richtig eingetragen worden sei; dabei sei diesem nicht aufgefallen, daß der 4. Jänner 1990 ein Donnerstag sei. Es sei somit die unrichtige Ermittlung des letzten Tages der Beschwerdefrist darauf zurückzuführen, daß der Beschwerdevertreter dabei irrtümlich den Jahresplan für 1989 anstatt für 1990 herangezogen habe. Erst aufgrund der am 13. März 1990 zugestellten Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. März 1990 "konnte bzw. mußte der Beschwerdevertreter diesen Tatsachenirrtum über den letzten Tag der Frist erkennen".
II.
1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG in der Fassung des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1985, BGBl. Nr. 564, ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber (bzw. sein Vertreter) darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben (vgl. etwa den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Februar 1987, Zlen. 86/10/0154, 0155, und die dort zitierte Vorjudikatur). Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. dazu Fasching, Lehrbuch des österreichischen Ziviprozeßrechts2, Rz 580).
2. Der Verwaltungsgerichtshof vermag in dem auf die unter
I. dargestellte Vorgangsweise des Vertreters des Beschwerdeführers zurückzuführenden Fehler bei der Berechnung der Beschwerdefrist - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht einen bloß minderen Grad des Versehens zu erblicken. Gerade der Umstand, daß der Beschwerdevertreter mangels eines ihm zu diesem Zeitpunkt vorgelegenen Wochen-Kalenders für das Jahr 1990 die letzte (sechste) Woche der Beschwerdefrist nicht anhand eines solchen Kalenders, sondern lediglich mit Hilfe eines auf einer einzigen Doppelseite zusammengedrängten und daher Fehlberechnungen von vornherein stark begünstigenden Jahresplanes (einer Jahresübersicht) zu ermitteln in der Lage war, hätte es für ihn gleichermaßen geboten und zumutbar erscheinen lassen, die Berechnung dieses letzten Teiles der Frist umgehend unter Zugrundelegung eines Kalenders, wie er für die Berechnung der ersten fünf Wochen der Beschwerdefrist herangezogen wurde, auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Dies umso mehr, als der den Beschwerdeführer vertretende Rechtsanwalt als berufsmäßig zur Parteienvertretung berufene Person im Hinblick auf seine Vertrautheit mit dem Vorgang der Fristenberechnung um die dabei geradezu regelmäßig auftretende Gefahr von Fehlleistungen wissen mußte. Der Beschwerdevertreter hat durch das Unterlassen dieser Kontrolle die im gegebenen Fall erforderliche und zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen. Da solcherart eine Maßnahme unterblieben ist, deren Notwendigkeit jedermann einleuchten mußte, fällt dem Beschwerdevertreter und damit dem Beschwerdeführer auffallende Sorglosigkeit zur Last.
Mit Rücksicht darauf, daß nach dem Gesagten der Beschwerdeführer die Versäumung der Beschwerdefrist nicht lediglich aufgrund eines minderen Grades des Versehens verschuldet hat, war seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Grunde des § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattzugeben.
3. Damit war sowohl die Beschwerde vom 4. Jänner 1990 als auch die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag - neuerlich - eingebrachte Beschwerde vom 20. März 1990 gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren mit Beschluß zurückzuweisen.
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