VwGH 90/14/0273

VwGH90/14/027314.1.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über den Antrag des F in K, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in K, auf Wiederaufnahme des mit Beschluß vom 23. Oktober 1990, 90/14/0082, abgeschlossenen Verfahrens des Verwaltungsgerichtshofes, den Beschluß gefaßt:

Normen

VwGG §26 Abs1 Z1;
VwGG §28 Abs1 Z7;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §45 Abs1 Z2;
VwGG §26 Abs1 Z1;
VwGG §28 Abs1 Z7;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §45 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird

NICHT STATTGEGEBEN.

Begründung

Der Antragsteller hat am 18. April 1990 gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion Tirol vom 13. Februar 1990, 30.890-3/89, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1983 bis 1987 sowie Vorauszahlungen an Einkommensteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1988 und 1989, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, die unter 90/14/0082 protokolliert wurde. In der Beschwerde war der Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides mit "frühest am 6. März 1990" bezeichnet worden.

Mit der Begründung, daß ausgehend von diesem Zustelldatum die sechswöchige Beschwerdefrist bereits am 17. April 1990 abgelaufen war, wies der Gerichtshof die Beschwerde mit Beschluß vom 23. Oktober 1990 als verspätet eingebracht zurück.

Der Beschluß wurde dem Verteter des Antragstellers am 27. November 1990 zugestellt. Mit dem vorliegenden Schriftsatz vom 5. Dezember 1990 wird die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 lit.b (richtig Z. 2) VwGG beantragt. Der Antrag ist wie folgt begründet:

Der Antragsteller habe ursprünglich zu Unrecht angenommen, daß der angefochtene Bescheid nicht nur ihm, sondern auch seinem Steuerberater zugestellt werden würde und daß die Zustellung an den Steuerberater für die allfällige Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde maßgebend sei. Er habe daher dem Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides an ihn selbst keine Bedeutung beigemessen und es aus diesem Grund nicht festgehalten. Erst eine spätere Rückfrage bei seinem Steuerberater habe ergeben, daß die Zustellung des angefochtenen Bescheides (zu Recht) nur an den Antragsteller erfolgt war. Bemühungen, das Zustelldatum in Erfahrung zu bringen, hätten erst am 18. April 1990 Erfolg gehabt. An diesem Tag sei dem Vertreter des Antragstellers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, Rechtsanwalt Dr. Sch, seitens der Finanzlandesdirektion für Tirol mitgeteilt worden, daß die Zustellung "frühest am 6. März 1990" erfolgt sei.

Dabei habe der um Auskunft ersuchte Beisitzer des Berufungssenates mitgeteilt, daß er aus dem Akt der Finanzlandesdirektion für Tirol den Zustelltag nicht angeben könne, weil sich der Rückschein noch nicht im Akt befinde. Nunmehr habe sich aber herausgestellt, daß die Zustellung erst am 8. März 1990 durch Hinterlegung erfolgt sei. Eine Kopie des Zustellnachweises, der als ersten Tag der Abholfrist den 8. März 1990 ausweise, werde unter einem vorgelegt. Daraus ergebe sich, daß die Beschwerde nicht verspätet erhoben worden sei und die Zurückweisung der Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof auf der irrigen Annahme der Versäumnis der Beschwerdefrist beruhe. Die "irrtümliche, unrichtige Angabe des Zustelldatums" sei vom Antragsteller nicht verschuldet, weil durch den Zusatz "frühest" ohnedies zum Ausdruck gebracht worden sei, daß der Beschwerdeführer das genaue Zustelldatum nicht gekannt habe. Außerdem sei die unrichtige Bekanntgabe des Zustelldatums auf eine unrichtige Auskunft der belangten Behörde zurückzuführen.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluß abgeschlossenen Verfahrens zu bewilligen, wenn das Erkenntnis oder der Beschluß auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht.

Der Antragsteller meint, daß ihn an der unrichtigen Angabe des Zustelldatums kein Verschulden treffe. Der Gerichtshof teilt diese Auffassung nicht.

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG hat eine Beschwerde die Angaben zu enthalten, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist. Von den diesbezüglichen Angaben hat der Verwaltungsgerichtshof auszugehen (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 Seite 252 f). Wird in einer Beschwerde der Zustelltag mit dem Beisatz "frühest" versehen, so hat dies zur Folge, daß die Beschwerde nur dann als rechtzeitig erhoben anzusehen ist, wenn die Beschwerdefrist berechnet vom angegebenen frühestmöglichen Zustelltag an gewahrt ist. Ein anderes Verständnis der Pflicht des Beschwerdeführers zur Bekanntgabe des Zustelldatums mit der Folge, daß dem Gerichtshof bei Unkenntnis des genauen Zustelltages die Prüfung der Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung verwehrt wäre, ist mit § 28 Abs. 1 Z. 7 sowie mit § 34 Abs. 1 VwGG, wonach Beschwerden bei Versäumung der Einbringungsfrist zurückzuweisen sind, unvereinbar.

Der Beschwerdeführer mußte daher damit rechnen, daß der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Prüfung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde vom 6. März 1990 als Zustelltag ausgehen wird, ohne weitere Ermittlungen anzustellen oder einen Mängelbehebungsauftrag zu erteilen. Eine dennoch erhobene Beschwerde wäre also nur verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Rechtsverfolgung dienlich gewesen.

Die Richtigkeit der vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommenen Auslegung der Wendung, die Zustellung sei frühest am 6. März 1990 erfolgt, ergibt sich auch aus dem Umstand, daß gemäß § 6 Zustellgesetz bei mehrmaliger gültiger Zustellung die erste Zustellung maßgebend ist, also die früheste.

Der Wiederaufnahmetatbestand ist vom Wiederaufnahmewerber im Antrag sachverhaltsbezogen schlüssig darzutun. Dies gilt auch für das Tatbestandsmerkmal "nicht von der Partei verschuldeten" in § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG. Der Antragsteller hat keinen Sachverhalt vorgetragen, aus dem sich entnehmen ließe, daß ohne sein Verschulden oder ohne das ihm zuzurechnende Verschulden seines Vertreters beim Verwaltungsgerichtshof die Annahme der Versäumung der Beschwerdefrist herbeigeführt wurde:

Der Antragsteller behauptet, er habe das Datum der Zustellung des Becheides an ihn deshalb nicht beachtet und sich daher auch nicht gemerkt, weil im Berufungsverfahren vor der Finanzlandesdirektion ein Steuerberater als bevollmächtigter, ausgewiesener Vertreter eingeschritten sei. Der Beschwerdeführer sei daher zu Recht der Meinung gewesen, daß die Berufungsentscheidung im Sinne des § 9 Zustellgesetz seinem Vertreter zugestellt wird und die ihm zugestellte Ausfertigung lediglich zu seiner Kenntnisnahme diene. Dabei übersieht der Antragsteller, daß sich aus der bevollmächtigten Vertretung durch einen Steuerberater im Berufungsverfahren vor der Finanzlandesdirektion noch keineswegs eine beachtliche Zustellbevollmächtigung im Abgabenverfahren ergeben muß. Gemäß § 103 Abs. 2 BAO ist eine Zustellbevollmächtigung Abgabenbehörden gegenüber unwirksam, wenn sie sich nicht auf alle dem Vollmachtgeber zugedachten Erledigungen erstreckt, die im Zuge eines Verfahrens ergehen oder Abgaben betreffen, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 zusammengefaßt verbucht wird. Der Antragsteller spricht daher auch von einem Irrtum, der seinerseits zur Nichtbeachtung der Zustellung an ihn geführt habe und geht in der Folge als einziger beachtlicher Zustellung von der an ihn ergangenen aus. Er behauptet gar nicht, daß auch an den Steuerberater zugestellt worden oder die an ihn ergangene Zustellung unwirksam sei und deshalb gar kein Berufungsbescheid vorliege. Es ist daher davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer seinerseits über die Unbeachtlichkeit oder Beachtlichkeit der Zustellung an ihn in einem Irrtum befangen war. Dafür, daß dieser Irrtum aus irgendwelchen Gründen entschuldbar gewesen sei, fehlt es jedoch an jedem Anhaltspunkt im vorgetragenen Sachverhalt.

Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, daß das Nichtbeachten und daher Vergessen des Zustelldatums durch einen unverschuldeten Irrtum des Beschwerdeführers ausgelöst worden sein sollte, wäre damit für den Antragsteller nicht gewonnen. Nach seinem Vorbringen war er (sein Vertreter) sich über die Relevanz des Datums der Zustellung des Bescheides an ihn jedenfalls in dem Zeitpunkt klar, als er (sein Vertreter) sich beim Beisitzer des Berufungssenates nach dem Datum der Zustellung des Bescheides an den Beschwerdeführer erkundigte, also am 18. April 1990. Die unrichtige Angabe in der Beschwerde hätte der Beschwerdeführer (sein Vertreter) aber auch noch nach der Verfassung des Schriftsatzes und auch nach dessen Überreichung beim Verwaltungsgerichtshof aus eigenem Antrieb unverzüglich richtig stellen müssen. Dem Antrag ist kein Sachvorbringen zu entnehmen, aus dem sich Schuldlosigkeit an der Vernachlässigung dieser Sorgfalt ergäbe. Die Zurückweisung der Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof erst am 6. Oktober 1990 beschlossen; dem Beschwerdeführer stand daher seit dem 18. April, als er erfuhr, daß auch der Beisitzer des Berufungssenates das Zustelldatum nicht angeben konnte, weil sich in den Akten noch kein Zustellschein befand, ein Zeitraum von mehr als fünf Monaten zur Verfügung, da im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG falsche Vorbringen nach Erhebung des Zustelldatums zu korrigieren und solcherart die Annahme der Verspätung durch den Verwaltungsgerichtshof zu vermeiden. Aus der Mitteilung des Beisitzers des Berufungssenates mußte dem Beschwerdeführer (seinem Vertreter) nämlich klar sein, daß das als "frühest" mitgeteilte Datum nicht das tatsächliche Zustelldatum war, dieses also erst erhoben werden mußte. Dies konnte an Hand des Rückscheines oder durch Anfrage bei der Post erfolgen. Daß eine solche Ermittlung innerhalb von mehr als fünf Monaten dem Beschwerdeführer unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, behauptet der Antragsteller nicht.

Der Antragsteller war im übrigen im abgeschlossenen Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten. Es gehört zu den Pflichten eines Rechtsanwaltes, sich anläßlich der Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zu vergewissern, ob die Beschwerdefrist eingehalten ist. Spätestens bei Einbringung der Beschwerde hätte daher dem Vertreter des Antragstellers bei Beobachtung der gebotenen Sorgfalt auffallen müssen, daß die sechswöchige Beschwerdefrist unter Zugrundelegung des angegebenen Zustelldatums bereits abgelaufen war.

Dem Antrag war daher nicht stattzugeben.

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