Normen
EStG 1972 §9 Abs2;
EStG 1972 §9 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte führte eine Kfz-Werkstätte und einen Maschinenhandel. Am 28. Jänner 1987 teilte er dem Finanzamt mit, daß er seinen Betrieb mit 31. Dezember 1986 aufgegeben bzw. ab 1. Jänner 1987 verpachtet habe.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, daß die Investitionsrücklage 1982 mit 31.12.1986 gewinnerhöhend aufzulösen sei und darüber hinaus außerbilanzmäßig ein Zuschlag in Höhe von S 21.528,-- dem Gewinn zuzurechnen sei. Dies deshalb, da die Auflösung der Investitionsrücklage 1982 gedanklich vor die Betriebsaufgabe zu stellen sei.
Gegen die entsprechenden Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide für das Jahr 1986 erhob der Beschwerdeführer, welcher für die Betriebsaufgabe Alters- und Gesundheitsgründe anführte, Berufung wegen der Zurechnung eines Zuschlages.
Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid Folge. Es sei zwar richtig, daß die Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe mit Ende der Verwendungsfrist der Investitionsrücklage 1982 (31.12.1986) erfolgt sei. Der (für den Standpunkt des Finanzamtes sprechenden) Kommentarmeinung von Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2 § 9 Tz. 10, könne im Hinblick auf den klaren und eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 2 letzter Satz EStG 1972 nicht beigepflichtet werden, wonach unter anderem bei Betriebsaufgabe ein Zuschlag entfalle. Im übrigen läge es in der Absicht des Gesetzgebers, auch in den Fällen einer Frühpensionierung den Zuschlag entfallen zu lassen.
Der Präsident der Finanzlandesdirektion beantragt in der vorliegenden Beschwerde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber keine Gegenschrift eingebracht.
Der Mitbeteiligte beantragt in seiner Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 2 EStG 1972 sind Rücklagen (Rücklagenteile), die nicht bis zum Ablauf des der Bildung der Rücklage folgenden vierten Jahres bestimmungsgemäß verwendet wurden, im vierten Jahr nach der Bildung der Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen. Bei der gewinnerhöhenden Auflösung erhöht sich der aufzulösende Betrag um 20 v.H. Dieser Prozentsatz vermindert sich um je 5 v.H. für jedes Wirtschaftsjahr, um das die Rücklage (der Rücklagenteil) früher aufgelöst wird. Die Erhöhung des aufgelösten Betrages hat im Falle der Betriebsaufgabe, der entgeltlichen Übertragung eines Betriebes sowie im Falle der Einbringung eines Betriebes in eine Kapitalgesellschaft zu entfallen.
Im Beschwerdefall bestehen zunächst in Hinblick auf die vom Mitbeteiligten genannten Alters- und Gesundheitsgründe keine Bedenken dagegen, im Zusammenhang mit der Betriebsverpachtung eine Betriebsaufgabe anzunehmen (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg a.a.O. § 24 Tz. 44), wie dies die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens offenbar unterstellen.
Strittig ist, ob eine Erhöhung des aufgelösten Betrages zu erfolgen hat, wenn der Ablauf der Verwendungsfrist und die Betriebsaufgabe zeitlich zusammenfallen.
Nach den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (474 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XIII. GP, Seite 61) soll die Sanktion für die nichtbestimmungsgemäße Verwendung von Investitionsrücklagen insofern entschärft werden, als (unter anderem) im Falle der Betriebsaufgabe kein Zuschlag zum gewinnerhöhend aufzulösenden Rücklagenbetrag stattfinden soll.
Der Gesetzeszweck ist dahin zu verstehen, daß eine "Entschärfung" dann angebracht ist, wenn - wie der Beschwerdeführer richtig erkannt hat - die Verwendungsfrist durch die Betriebsaufgabe verkürzt wird, d.h. wenn die Betriebsaufgabe vor Ablauf der Verwendungsfrist erfolgt (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, a.a.O. § 9 Tz. 10 am Ende). Hingegen stand dem Mitbeteiligten für eine bestimmungsgemäße Verwendung der Rücklage 1982 bis zum Jahresende 1986 die volle gesetzliche Frist zur Verfügung, sodaß kein Grund für eine "Entschärfung" der Zuschlagsregel besteht. Der Fall einer mit dem Ende der Verwendungsfrist zeitgleichen Betriebsaufgabe ist somit nicht anders zu behandeln, als wäre die Aufgabe erst nach Fristablauf erfolgt. Wollte man - wie die belangte Behörde - nur auf den Gesetzeswortlaut abstellen, der über den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe nichts aussagt, so könnte auch der letztere Fall begünstigt sein. Diese - nach dem Gesetzeszweck abwegige - Auffassung vertritt nicht einmal der Mitbeteiligte.
Soweit die belangte Behörde den Zuschlag in Fällen einer "Frühpensionierung" entfallen lassen will, ist auf das vom Beschwerdeführer zitierte hg. Erkenntnis vom 11. November 1975, Zl. 987/75 zu verweisen, wonach Invalidität und ein sich verschlechternder Gesundheitszustand als Grund für das Unterbleiben für Investitionen nicht unter die Voraussetzungen des letzten Satzes des § 9 Abs. 2 EStG 1972 fallen. Dies gilt auch für die wie immer gearteten Ursachen einer "Frühpensionierung".
Entgegen der in der Gegenschrift des Mitbeteiligten vertretenen Ansicht ist dieses Erkenntnis nicht deshalb unbeachtlich, weil der einschlägige Teil der Entscheidungsgründe nicht in die amtliche Sammlung (Nr. 4911/F) aufgenommen wurde. Auch der Auffassung des Mitbeteiligten, es liege im Zusammenhang mit dem Zusammenfall von Betriebsaufgabe und Ablauf der Verwendungsfrist ein Fall der Spezialität vor, kann der Gerichtshof unter Hinweis auf die obigen Ausführungen nicht beitreten. Für die Betriebsaufgabe mit (Ablauf des) 31. Dezember 1986 ist es schließlich ohne Bedeutung, ob und bis wann der Betrieb am Silvestertag tatsächlich geöffnet war; das Bestehen oder Nichtbestehen eines Betriebes hat mit der Einhaltung von Öffnungszeiten für Geschäftsräumlichkeiten nichts zu tun.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
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