VwGH 89/12/0090

VwGH89/12/009021.5.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Knell, Dr. Höß und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, in der Beschwerdesache des N.N. gegen den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Habilitationsangelegenheit, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §66 Abs4;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §36 Abs2;
VwGG §42 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Nach dem Beschwerdevorbringen und den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer beantragte mit Eingabe vom 8. April 1988 bei der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien die Verleihung der Lehrbefugnis für das Fach "Experimentelle und angewandte Finanzrechtswissenschaft".

Nach dem Inhalt des in Fotokopie vorgelegten, an die belangte Behörde gerichteten Schreibens vom 18. Oktober 1988 stellte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf diesen Antrag und die Behauptung, die genannte Fakultät weigere sich, über diesen Habilitationsantrag zu entscheiden, den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über diesen Habilitationsantrag auf die "d.o. sachlich zuständige Oberbehörde".

Nach der vorliegenden Säumnisbeschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf eine Sachentscheidung insofern verletzt, als die belangte Behörde nicht innerhalb von sechs Monaten ab Einbringung seines Devolutionsantrages vom 18. Oktober 1988 über seinen Habilitationsantrag entschieden habe. Er stelle demgemäß den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge anstelle der belangten Behörde über seinen Habilitationsantrag entscheiden und ihm die Lehrbefugnis für das obgenannte Fach verleihen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Fünfersenat erwogen:

Aus den im Beschluß vom heutigen Tag, Zl. 91/12/0043, der ebenfalls über eine Säumnisbeschwerde des Beschwerdeführers erging, ausführlich dargelegten Gründen ist die Zuständigkeit der belangten Behörde zur bescheidmäßigen Erledigung von Devolutionsanträgen in Habilitationsangelegenheiten mit dem Inkrafttreten der UOG-Novelle BGBl. Nr. 364/1990 am 1. Oktober 1990 weggefallen.

Anders als in dem diesem Beschluß zugrunde liegenden Beschwerdefall wurde die gegenständliche Beschwerde aber vor dem 1. Oktober 1990 erhoben. Dennoch ist, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 22. Jänner 1969, Slg.Nr. 7492/A, ausgeführt hat, auch dann, wenn - wie im

Beschwerdefall - die Zuständigkeit der säumigen belangten

Behörde zur Entscheidung über ein Parteibegehren erst nach Einbringung der Säumnisbeschwerde infolge einer Gesetzesänderung weggefallen und damit ihre Entscheidungspflicht untergegangen ist, die Säumnisbeschwerde wegen des Verlustes der (ursprünglich vorhandenen) Berechtigung des Beschwerdeführers zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hält diese Auffassung - für Fälle, in denen, so wie im Beschwerdefall gesetzlich nichts Gegenteiliges angeordnet ist - aus den in diesem Beschluß angeführten Gründen aufrecht und fügt ihnen verdeutlichend hinzu: Daß den Regelungen des VwGG über die Säumnisbeschwerde auch die im Beschluß vom 22. Jänner 1969 angesprochene Subsidiarität dieser Rechtsschutzeinrichtung zugrunde liegt, erweist vor allem die für die Behandlung der Säumnisbeschwerde bis zum Übergang der Entscheidungspflicht auf den Verwaltungsgerichtshof geltende Bestimmung des § 36 Abs. 2 VwGG und die für ihre Behandlung nach diesem Zeitpunkt vorgesehene Bestimmung des § 42 Abs. 4 VwGG.

Denn § 36 Abs. 2 VwGG, wonach der belangten Behörde aufzutragen ist, innerhalb einer (erstreckbaren) Frist bis zu drei Monaten den Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt, setzt nach dem klaren Wortlaut voraus, daß die belangte Behörde bis zum Ablauf des gesetzten Frist in der konkreten Angelegenheit eine Entscheidungspflicht trifft; bestand sie nämlich zwar im Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde, ist sie aber innerhalb der gesetzten Frist weggefallen, so ist der sonst an den Ablauf der gesetzten Frist genüpfte Übergang der Entscheidungspflicht auf den Verwaltungsgerichtshof mangels einer solchen weiterbestehenden Pflicht ausgeschlossen. Die Säumnisbeschwerde ist daher wegen des nachträglichen Wegfalls der an die Verletzung der Entscheidungspflicht geknüpften Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Ist aber die Entscheidungspflicht bereits auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen, so trifft zwar die belangte Behörde zunächst keine Entscheidungspflicht mehr in der konkreten Angelegenheit und kann daher bei einer Zuständigkeitsänderung auch der nunmehr zuständigen Behörde keine Zuständigkeit in dieser Angelegenheit genommen werden. Nach § 42 Abs. 4 VwGG kann aber der Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Art. 132 B-VG sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgebender Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiemit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Macht der Verwaltungsgerichtshof von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch oder kommt die belangte Behöde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet er über die Säumnisbeschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei er auch das sonst der Verwaltungsbehörde zustehende freie Ermessen handhabt. Diese Bestimmung erweist die Richtigkeit der im zitierten Beschluß vom 22. Jänner 1969 für die Zeit nach dem Übergang der Entscheidungspflicht auf den Verwaltungsgerichtshof ausgesprochenen Rechtsansicht. Denn die gegenteilige Auffassung vom Weiterbestand der Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache nach dem Wegfall der Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über Parteibegehren der von der Säumnisbeschwerde betroffenen Art hätte entweder zur Konsequenz, daß (geht man - den zuständigkeitsändernden gesetzlichen Bestimmungen entsprechend - von der eingetretenen Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über Parteibegehren der von der Säumnisbeschwerde betroffenen Art aus) dem Verwaltungsgerichtshof die ihm durch § 42 Abs. 4 VwGG uneingeschränkt gewährte Möglichkeit eines Auftrages an die belangte Behörde genommen würde (für einen Auftrag an die nunmehr nach den Zuständigkeitsbestimmungen zur Entscheidung über Parteibegehren dieser Art zuständige Behörde fehlt dem Gerichtshof die Berechtigung); oder man müßte zur Vermeidung dieser Konsequenz postulieren, daß die belangte Behörde für die konkrete Angelegenheit, hinsichtlich deren die Entscheidungspflicht auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen ist, trotz ihrer abstrakten Unzuständigkeit in solchen Angelegenheiten weiterhin zuständig bleibt. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes findet sich im VwGG für keine der beiden Alternativen eine zureichende gesetzliche Grundlage.

Die vorliegende Säumnisbeschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen des eingetretenen Verlustes der Berechtigung des Beschwerdeführers zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

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