Normen
BauRallg;
ROG Tir 1984 §15 Abs6 idF 1984/038;
BauRallg;
ROG Tir 1984 §15 Abs6 idF 1984/038;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von zusammen S 10.320,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 20. Juli 1987 beantragten die Beschwerdeführer (und eine weitere Person: alle sind Geschwister) die Erteilung der Baubewilligung zum "Umbau, Anbau - Unterkunftshütte" auf dem (im Freiland gelegenen) Grundstück Nr. n1, KG X. Nach dem Einreichplan handelt es sich um den "Umbau eines Stallteiles (des bestehenden Alpstalles) in eine Unterkunftshütte auf der A-Alpe". Der Umbauteil (Stube) hat bei einer gesamten verbauten Fläche von rund 128 m2 ein Ausmaß von ca. 41 m2 (Nutzfläche 38,81 m2).
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde holte die Stellungnahme eines landwirtschaftlichen Amtssachverständigen zur Frage der Erforderlichkeit des Bauvorhabens im Sinne des § 15 Abs. 3 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 (TROG) ein. Der Amtssachverständige verwies in seinen Stellungnahmen vom 10. November und 18. November 1987 darauf, daß anstelle des alten bestehenden Alpgebäudes (Alphütte und Alpstall) wegen der auf der A-Alpe erfolgten Quellfassung durch die Gemeinde (zwecks Sicherung einer ausreichenden Trinkwasserversorgung) mit Zustimmung der Eigentümer ca. 500 m entfernt neue Gebäude errichtet worden seien. Damit sei auch der Zweitbeschwerdeführerin eine Jausenstation bewilligt worden. Nunmehr wolle ein Mitbesitzer den alten Alpstall, der eigentlich nicht mehr benützt werden sollte, als weitere Jausenstation einrichten. Die neue Alphütte und der neue Stall entsprechen nach Art und Größe den heute an moderne Alpgebäude gestellten Anforderungen. Das Vorhaben für das alte Stallgebäude sei weder aus betriebswirtschaftlichen noch aus anderen Gründen erforderlich.
In einem an die mitbeteiligte Gemeinde gerichteten Schreiben vom 19. November 1987 sprachen die Beschwerdeführer davon, daß ihr Bauansuchen die Errichtung eines Kamins im bestehenden alten Alpgebäude betreffe. Sie hätten sich lediglich verpflichtet, im alten Alpstall nach Errichtung des neuen kein Vieh mehr einzustellen.
Mit dem allerdings erst im Juni 1988 erlassenen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 13. November 1987 wurde das Bauvorhaben gemäß § 31 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung (TBO) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Bezugnahme auf § 15 Abs. 3 TROG unter Hinweis auf das Gutachten des Amtssachverständigen abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer (offenkundig im Namen aller Geschwister) Berufung. Sie brachten unter anderem vor, daß das Bauvorhaben keinen Neubau, sondern einen ca. 100-jährigen Bestand betreffe, der für ihre Almbewirtschaftung und Eigenprodukteerzeugung (Käserei) dringend benötigt werde. Es werde beantragt, den Bescheid aufzuheben und für den Bau von Kaminen die allenfalls erforderliche Verhandlung durchzuführen.
Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde wies mit Bescheid vom 2. September 1988 die Berufung als unbegründet ab.
Dagegen erhoben alle Beschwerdeführer rechtzeitig Vorstellung. Sie brachten vor, es handle sich höchstens um einen "Umbau" im Sinne des § 15 Abs. 6 TROG. Es solle nur der Einbau eines Kamins und eines Fensters in das seit über 100 Jahren bestehende Gebäude bewilligt werden. Der Umfang dieser Baumaßnahmen sei im Verhältnis zum ursprünglichen Gebäude gering und daher zulässig. Die Notwendigkeit eines Kamins und eines Fensters in einem (hier: landwirtschaftlichen) Gebäude sei wohl unumstritten.
Die belangte Behörde holte eine (ergänzende) Stellungnahme des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen vom 25. November 1988 ein. Der Amtssachverständige führte darin aus, daß die Beschwerdeführer in der KG Zell am Ziller einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb hätten. Weiters seien sie auch Besitzer der A-Alpe. Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb und die A-Alm hätten zusammen folgende Betriebsgröße: 115,0 ha Almen- und Bergmähder, 4,24 ha landwirtschaflich genutzte Heimfläche, 0,98 ha Wald und 0,09 ha Hoffläche. Die landwirtschaftlich genutzte Heimfläche im Ausmaß von 4,24 ha sei schon mehrere Jahre verpachtet. Durch die Errichtung eines Quellschutzgebietes auf der A-Alpe könnten nur mehr 15 Stück Großvieh aufgetrieben werden. Die alte Alphütte und der Alpstall seien auf dem Grundstück Nr. n1, KG Z (richtig: X) errichtet. Im Jahre 1975 sei einige 100 m davon entfernt ein neues Alpgebäude (Hütte und Stall) errichtet worden. Diese Gebäude weisen folgende Räume bzw. Nutzflächen auf: Erdgeschoß der Alphütte: eine Küche mit 10,20 m2, eine Stube mit 14,50 m2, eine Speis mit 2,20 m2, ein WC mit 2,08 m2 und einen Gang mit 8,80 m2; weiters das Obergeschoß der Alphütte mit 2 Doppelschlafzimmern von jeweils 14,96 m2 und einen Gang von 8,80 m2. Das Erdgeschoß des Alpstalles enthalte einen Rinderstall mit Standplätzen für 20 Kühe. Das Obergeschoß des Alpstalles bestehe aus einer Tenne mit Heulagerraum von 111,0 m2. Auf der genannten Alm seien nur mehr 15 Grasrechte vorhanden, d.h. es existiere für eine Alpperiode nur für 15 Großvieheinheiten Futter (Heu und Weide). In dem neuen Alpstall könnten aber 20 Stück Großvieh eingestellt werden. Die Unterkunftshütte des neuen Alpgebäudes biete genügend Wohnraum. Darin könnten 4 Personen sehr gut schlafen bzw. wohnen. Für eine gute und ertragreiche Bewirtschaftung der Alm sei das neue Alpgebäude nach Art und Größe sehr gut geeignet. Der Umbau des alten Alpstalles und der Anbau an dieses Gebäude seien daher aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht erforderlich. Es werde bemerkt, daß die Beschwerdeführer für die Alpzeit Leihvieh von anderen Bauern aufnehmen. Eigenes Vieh sei nicht vorhanden.
Mit Eingabe vom 19. Dezember 1988 brachten die Beschwerdeführer vor, daß das Gutachten des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen von falschen Voraussetzungen ausgehe, weil darin behauptet werde, daß durch die Errichtung eines Quellschutzgebietes auf der A-Alm nur mehr 15 Großvieheinheiten aufgetrieben werden könnten. Die Errichtung des Quellschutzgebietes sei infolge einer noch nicht erledigten Berufung an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft noch nicht rechtskräftig. Abgesehen davon sei nie behauptet worden, daß der Umbau des alten Stalles zur Unterbringung von Großvieheinheiten notwendig sei. Der alte Stall solle als Käserei verwendet werden, welche der Erstbeschwerdeführer betreibe. Das neue Gebäude könne der Käserei nicht dienen. Überdies bestünden zwischen dem Erstbeschwerdeführer und den übrigen Miteigentümern persönliche Differenzen, weshalb es auch für die Zukunft unbedingt erforderlich sei, daß der Erstbeschwerdeführer im alten Stall eine Unterkunft finde, um von den übrigen Miteigentümern getrennt zu sein. Es bedürfe keiner weiteren Begründung, daß hiefür der Einbau eines Kamins notwendig sei. Schließlich spreche der Sachverständige von einem "Anbau" an den alten Stall, wovon nie die Rede gewesen sei. Tatsache sei, daß einmal ein Anbau bestanden habe und dabei eine Oberlichte (offenes Fenster) vorhanden gewesen sei. Von Anfang an sei nur die Bewilligung des Einbaues eines Kamins und eines Fensters angestrebt worden, damit der Erstbeschwerdeführer in dem dafür in Aussicht genommenen Alpgebäude die Käserei betreiben und auch wohnen könne.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Dezember 1988 wurde die Vorstellung der Beschwerdeführer abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, mit Eingabe vom 20. Juli 1987 sei von den Beschwerdeführern das Bauansuchen, welches wörtlich auf "Umbau, Anbau - Unterkunftshütte" laute, gestellt worden. Es sei daher keineswegs nur eine Baubewilligung zum Einbau eines Kamins sowie eines Fensters beantragt worden. Die Zulässigkeit eines Bauvorhabens im Freiland sei nach § 15 TROG zu beurteilen. Nach § 15 Abs. 3 leg. cit. sei die Errichtung von Bauten für bestehende land- und forstwirtschaftliche Betriebe nur dann zulässig, wenn diese als erforderlich anzusehen seien. Hiezu sei ein Gutachten eines Amtssachverständigen eingeholt worden. Dieses wurde auszugsweise wiedergegeben. Auf Grund der Art und Größe des neuen Alpgebäudes, welches den Anforderungen eines modernen Alpgebäudes zur Gänze entspreche und eine ertragsbringende Bewirtschaftung der Alm gewährleiste, komme der Amtssachverständige zu dem Ergebnis, daß der Umbau des (alten) Gebäudes aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht erforderlich sei. Die Argumente des Amtssachverständigen seien für die belangte Behörde schlüssig und nachvollziehbar. Die Beschwerdeführer und die weitere Vorstellungswerberin hätten mit ihrem Vorbringen keineswegs unter Beweis stellen können, weshalb für ihren land- und forstwirtschaftlichen Betrieb das Führen von zwei (großzügig ausgebauten) Alpgebäuden notwendig sei. Die Baubehörde sei nämlich verpflichtet, auf die Zielsetzungen der örtlichen Raumordnung Bedacht zu nehmen und habe bei Bauführungen im Freiland die Bestimmung des § 15 TROG zu beachten. Diese Gesetzesstelle solle insbesondere dazu dienen, die Zulässigkeit von Bauten im Freiland einzuschränken, um einer Zersiedelung wirksam entgegenzutreten. Es gehe daher sicherlich nicht an, nur auf Grund von Familienzwistigkeiten eine Bauführung im Freiland zu genehmigen. Die Bestimmung des § 15 Abs. 6 TROG könne nicht herangezogen werden. Diese Regelung finde nämlich nur auf Bauten, die nicht für die Land- und Forstwirtschaft bestimmt seien, Anwendung. Da land- und forstwirtschaftliche Bauten unter den im § 15 TROG genannten Voraussetzungen im Freiland errichtet werden könnten, seien auch Um- und Zubauten - bei Vorliegen des Kriteriums der Erforderlichkeit - bei solchen Gebäuden zulässig, ohne daß es der Anwendung des § 15 Abs. 6 TROG bedürfe. Diese Gesetzesstelle trage lediglich der Tatsache Rechnung, daß bei im Freiland vorhandenen, nicht land- und forstwirtschaftlichen Bauten geringfügige Baumaßnahmen gestattet sein sollten, da ansonsten bei solchen Bauten keinerlei Bauveränderung durchgeführt werden könnte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Hiezu übermittelten die Beschwerdeführer eine Gegenäußerung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für den Beschwerdefall sind insbesondere folgende Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, LGBl. Nr. 4, in der Fassung LGBl. Nr. 38/1984 von Bedeutung:
"§ 15
(2) Im Freiland, ausgenommen auf Sonderflächen, ist die Errichtung oder Änderung von baulichen Anlagen nur nach Maßgabe der Abs. 3 bis 7 zulässig.
(3) Die Errichtung von Bauten für land- und forstwirtschaftliche Betriebe einschließlich der zu diesen Betrieben gehörenden Wohnungen und Wohnräume ist im Freiland nur zulässig, soweit diese nach Art und Größe für einen bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erforderlich sind. Die Errichtung solcher Bauten für bestehende land- und forstwirtschaftliche Betriebe ist nur dann als erforderlich anzusehen, wenn dies im Zuge einer Maßnahme zur Verbesserung der Agrarstruktur, insbesondere für die Auflösung materiell geteilten Hauseigentums, für die Verlegung von Betrieben aus wirtschaftlich ungünstigen Orts- oder Hoflagen, aus betriebswirtschaftlichen Gründen oder aus Gründen des Umweltschutzes notwenig ist. In den zu land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gehörenden Wohngebäuden ist überdies die Errichtung von Wohnräumen für die Vermietung von höchstens zehn Fremdenbetten je land- und forstwirtschaftlichem Betrieb zulässig.
(6) Umbauten sowie Zubauten, deren Umfang im Verhältnis zum ursprünglichen Gebäude gering ist, sind im Freiland zulässig..."
Gemäß § 3 Abs. 7 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 43/1978, ist ein Umbau die bauliche Veränderung eines Gebäudes, durch die, ohne die Außenmaße zu vergrößern, die Raumeinteilung oder die äußere Gestalt des Gebäudes so geändert wird, daß das Gebäude nach der Veränderung im Verhältnis zum ursprünglichen Gebäude als ein anderes anzusehen ist.
Die belangte Behörde erachtete das in der Eingabe vom 20. Juli 1987 als "Umbau, Anbau - Unterkunftshütte" umschriebene Bauvorhaben (nach dem Einreichplan als Umbau eines Stallteiles in eine Unterkunftshütte bezeichnet) im Freiland im konkreten Fall mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 TROG als unzulässig. Sie stützte sich dabei im wesentlichen auf das Gutachten des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen, welcher auf Grund des aufgenommenen Befundes zu dem Ergebnis gelangte, daß im Hinblick auf die Art und Größe des neuen Alpgebäudes (bestehend aus Hütte und Stall) dieses für eine gute und ertragbringende Bewirtschaftung der Alm ausreiche und daher das Bauvorhaben in Ansehung des alten Alpstalles weder aus betriebswirtschaftlichen noch aus anderen im § 15 Abs. 3 TROG genannten Gründen erforderlich sei. Die Beschwerdeführer vermochten diesem Gutachten, gegen dessen Schlüssigkeit keine Bedenken bestehen, im Verwaltungsverfahren nicht mit wirksamen Argumenten entgegenzutreten. Auch das Beschwerdevorbringen läßt stichhaltige konkrete Gegenausführungen vermissen. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Bauvorhaben aus der Sicht des § 15 Abs. 3 TROG als nicht bewilligungsfähig bezeichnete.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag jedoch die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Bestimmung des § 15 Abs. 6 TROG komme im Anlaßfall nicht zur Anwendung, weil sie nur auf Bauten, die nicht für die Land- und Forstwirtschaft bestimmt seien, Anwendung finde, nicht zu teilen. Aus dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle und dem gegebenen Gesetzeszusammenhang ist vielmehr - mangels einer sonst erforderlichen Einschränkung - davon auszugehen, daß die Regelung des Abs. 6 des § 15 auf sämtliche Gebäude Anwendung zu finden hat. Da die belangte Behörde dies - ebenso wie die Gemeindebehörden - verkannte und eine Prüfung in dieser Richtung unterließ, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Aus verwaltungsökonomischen Gründen wird bemerkt, daß sich aus dem Bauansuchen in Verbindung mit der Baubeschreibung und dem sogenannten "Einreichplan" (mit seinen verschiedenen Teilplänen), insbesondere wenn man das Vorbringen der Beschwerdeführer miteinbezieht, der Altbestand und damit das demgegenüber geänderte neue Vorhaben nicht mit ausreichender Sicherheit entnehmen lassen, solches aber für eine Beurteilung im Sinne des § 15 Abs. 6 TROG entscheidungswesentlich ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
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