VwGH 88/06/0159

VwGH88/06/015924.9.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1. des JH und 2. der AH in S, beide vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 18. Dezember 1986, Zl. 7/03-2009/46-1986, betreffend die Versagung einer Bewilligung nach § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: Gemeinde E, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauRallg;
ROG Slbg 1977 §19 Abs3 idF 1984/052;
BauRallg;
ROG Slbg 1977 §19 Abs3 idF 1984/052;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Salzburger Landesregierung (belangte Behörde) wies die von den Beschwerdeführern gegen den Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. Juli 1986 betreffend die Versagung der Erteilung einer Einzelbewilligung nach § 19 Abs. 1 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 (ROG 1977) mit Bescheid vom 18. Dezember 1986 als unbegründet ab.

Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides im wesentlichen aus, die Beschwerdeführer hätten mit Schreiben vom 10. Dezember 1984 gemäß § 19 Abs. 3 ROG 1977 zur Errichtung bzw. rechtlichen Sanierung eines Wochenendhauses bei der mitbeteiligten Gemeinde um die Erteilung einer Ausnahmebewilligung von der Wirkung des Flächenwidmungsplanes für das im Grünland, ländliches Gebiet mit landwirtschaftlicher Nutzung, liegende Grundstück Nr. 90/5, Katastralgemeinde G, angesucht.

Nach Einholung eines raumordnungstechnischen Gutachtens des Dipl.Ing. L. vom 9. August 1985 habe die Gemeindevertretung mit Beschluß vom 21. März 1986 dem Ansuchen Folge gegeben, doch habe die belangte Behörde mit Bescheid vom 18. Juni 1986 hiezu die gemäß § 19 Abs. 3 ROG 1977 erforderliche aufsichtsbehördliche Bewilligung versagt. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Mit Bescheid vom 10. Juli 1986 habe daraufhin auch die Gemeindevertretung unter Hinweis auf die Argumentation der belangten Behörde die angestrebte Bewilligung versagt; in diesem Bescheid werde in seiner alles entscheidenden wesentlichen Aussage dargelegt, daß auf den an die Bewilligungsfläche anschließenden Grundstücken Nr. 90/2, 90/3 und 90/7, je KG G, weitere Wochenendhäuser stünden, welche bereits für sich eine geschlossene Gruppe von Bauten bildeten, die nach Lage und Ausgestaltung ausschließlich dem nur zeitweiligen Wohnbedarf ihrer Benützer dienten und bereits diese Häuserreihe als Wochenendsiedlung im Sinne des § 12 Abs. 7 ROG 1977 zu bezeichnen sei. Die - wenngleich auch nachträgliche - Bewilligung eines weiteren Wochenendhauses - welches in der Natur schon seit langen Jahren bestehe - im Wege einer Bewilligung gemäß § 19 Abs. 3 ROG 1977 würde die Erweiterung der als Wochenendsiedlung zu wertenden Ansammlung von Wochenendhäusern bedeuten. Dies sei aber nach den Einleitungsworten des ersten Satzes des § 19 Abs. 3 ROG 1977 unzulässig, weshalb die angestrebte Bewilligung zu versagen gewesen sei.

In der Vorstellung werde nun die Meinung vertreten, als Wochenendsiedlung dürfe nach der einzig zulässigen Interpretation nur eine solche Gruppe von Bauten gelten, welche bereits von außen betrachtet in einem organischen Zusammenhang stünden, sohin bereits in ihrer Ausgestaltung ähnlich und in einer Vielzahl auf einer geringstmöglichen Grundfläche errichtet seien; über die gleiche Infrastruktur wie Wasserversorgung, Kanalanschluß und dergleichen mehr verfügten und aus dieser Tatsache heraus zumeist vom selben Bauträger errichtet würden. Die Verwirklichung des in Rede stehenden Wochenendhauses auf einem 1.000 m2 großen Grund sei für sich selbst zu werten. Sie lasse keinerlei Zusammenhang mit den gleichartigen Bauführungen in der Umgebung erkennen und schon gar nicht die Wertung als Erweiterung zu einer bestehenden Wochenendsiedlung zu; vielmehr handle es sich bei den Nachbarobjekten um eine Minderzahl von völlig autark bestehenden Wochenendhäusern, welche zueinander in keiner Beziehung stünden. Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides dazu aus, daß dieser Argumentation nicht gefolgt werden könne, da von einer Gruppe von Wochenendhäusern bzw. einer Wochenendsiedlung nur dann gesprochen werden könne, wenn in einem bestimmten, sich als Einheit darbietenden Siedlungsraum, der nicht willkürlich abgegrenzt werden dürfe, Wochenendhäuser eindeutig überwiegen. Bereits die auf den Grundstücken Nr. 90/2, 90/3 und 90/7, je KG G, bestehenden Wochenendhäuser stellten für sich allein eine Gruppe von Bauten dar, die als Wochenendsiedlung anzusehen sei; schon das auf dem Grundstück Nr. 90/11 bestehende Wochenendhaus stelle eine Erweiterung dieser Wochenendsiedlung dar. Dasselbe habe aber auch für das auf dem Grundstück Nr. 90/5 KG G der Beschwerdeführer errichtete Wochenendhaus zu gelten. Es sei der Gemeindevertretung beizupflichten, daß das Einzelbewilligungsverfahren gemäß § 19 Abs. 3 ROG 1977 zur rechtlichen Sanierung des Wochenendhauses der Beschwerdeführer keine Handhabe biete. Daran könne auch die Tatsache nichts ändern, daß den Beschwerdeführern (seinerzeit) mit Bescheid der Gemeindevertretung vom 8. April 1966 eine Ausnahme von der Wirkung des Flächenwidmungsplanes erteilt worden sei. Zum einen sei diese Ausnahme, da keine darauf abgestellte Baubewilligung habe erwirkt werden können, gemäß den Bestimmungen des letzten Satzes des § 19 Abs. 3 in Verbindung mit § 24 Abs. 7 ROG 1977 unwirksam geworden, zum anderen habe sich die Rechtslage (durch die ROG-Novelle 1973, mit der unter anderem die Zweitwohnungsbestimmungen in das Raumordnungsrecht eingeführt worden seien) gegenüber dem Zeitpunkt der Bewilligung der seinerzeitigen Ausnahme von der Wirkung des Flächenwidmungsplanes geändert. Es scheine daher der belangten Behörde erwiesen, daß die Gemeindevertretung bei der Beurteilung der Frage, ob der angestrebten Einzelbewilligung gesetzliche Hinderungsgründe entgegenstehen, mit stichhaltiger Begründung von ihrem Ermessen im Sinne des ROG 1977 Gebrauch gemacht habe, sodaß die Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt worden seien.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 11. Juni 1988, B 102/87-7, die Behandlung der gegen diesen Bescheid vor ihm erhobenen Beschwerde unter gleichzeitiger Abtretung zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof ab.

In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den Beschwerdefall sind insbesondere folgende Bestimmungen des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 (ROG 1977), LGBl. Nr. 26, in der hier noch anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 52/1984, von Bedeutung:

"§ 19

(1) Maßnahmen, die sich auf den Raum auswirken und die auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften einer Bewilligung, Genehmigung oder dgl. der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich oder einer sonstigen, auf Grund baurechtlicher Vorschriften des Landes zu erteilenden Bewilligung o.dgl. bedürfen, können vom Zeitpunkt der Wirksamkeit des Flächenwidmungsplanes an nur in Übereinstimmung mit der Flächenwidmung, insbesondere Bauplatzerklärungen und Baubewilligungen nur innerhalb des Baulandes (§ 12) und entsprechend der festgelegten Nutzungsart bewilligt, genehmigt oder sonst zugelassen werden. In Aufschließungsgebieten sind die genannten Maßnahmen erst zulässig, wenn die Gemeindevertretung (in der Stadt Salzburg der Gemeinderat) ausdrücklich feststellt, daß der widmungsgemäßen Verwendung öffentliche Rücksichten nicht mehr entgegenstehen. Aus der Widmung umgebender Gebiete ergeben sich keine Einschränkungen für die zulässige Nutzung. Der Nachweis, daß ein Vorhaben der betreffenden Widmung entspricht, vor allem gegebenenfalls der Nachweis, daß es sich nicht um die Errichtung von Apartmenthäusern, Feriendörfern oder Wochenendsiedlungen oder von Einkaufszentren handelt, obliegt dem Bewerber. Die Landesregierung hat unbeschadet der nach baurechtlichen Bestimmungen gegebenen diesbezüglichen Anforderungen durch Verordnung jene Unterlagen zu bestimmen, die zur genauen Beurteilung des Vorhabens erforderlich sind.

(2) ...

(3) Die Wirkungen des Flächenwidmungsplanes gemäß Abs. 1 können, WENN ES SICH NICHT UM APARTMENTHÄUSER, FERIENDÖRFER ODER WOCHENENDSIEDLUNGEN ODER UM EINKAUFSZENTREN HANDELT, für bestimmte Grundflächen von der Gemeindevertretung (in der Stadt Salzburg vom Gemeinderat) auf Ansuchen des Grundeigentümers durch Bescheid ausgeschlossen und ein genau bezeichnetes Vorhaben raumordnungsmäßig bewilligt werden, wenn dieses dem räumlichen Entwicklungskonzept bzw. der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht nicht entgegensteht und bei Bauvorhaben für Wohnbauten (ausgenommen bei überwiegend landwirtschaflichen Zwecken dienenden Bauten) eine Gesamtgeschoßfläche von 200 m2 nicht überschreitet. Vor dieser im behördlichen Ermessen gelegenen Bewilligung sind die Anrainer zu hören und ist das Ansuchen zumindest sechs Wochen vor seiner Erledigung ortsüblich kundzumachen. Die im § 16 Abs. 1 genannten Personen und Einrichtungen sind berechtigt, Anregungen vorzubringen. Anregungen und sonstige Vorbringen zum Ansuchen sind in die Beratungen zur bescheidmäßigen Erledigung einzubeziehen. Die Bewilligung bedarf der Genehmigung der Landesregierung; die Genehmigung gilt als erteilt, wenn sie nicht binnen drei Monaten nach Einlangen des Beschlusses der Gemeindevertretung (in der Stadt Salzburg des Gemeinderates) und der zur Beurteilung des Ansuchens durch die Gemeinde erforderlichen Unterlagen bei der Landesregierung von dieser versagt wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Bewilligung gesetzwidrig ist oder einen Tatbestand des § 17 Abs. 3 bewirken würde. Wird ein die Genehmigung der Landesregierung versagender Bescheid auf Grund eines hiegegen eingebrachten Rechtsmittels aufgehoben, so beginnt mit der Zustellung des betreffenden Erkenntnisses die dreimonatige Frist neu zu laufen. Abs. 1 letzter Satz gilt für die Bewilligungsansuchen sinngemäß. Eine erteilte Bewilligung kann bekanntgemacht werden; sie wird unwirksam, wenn nicht binnen drei Jahren ab Rechtskraft die Bewilligung, Genehmigung oder dgl. für das Vorhaben erwirkt wird, für das sie erteilt worden ist, oder wenn deren Wirksamkeit entsprechend den hiefür geltenden Bestimmungen erlischt.

(4) ..."

Der angefochtene Bescheid fußt auf der Rechtsauffassung, daß sich der im zuvor wiedergegebenen Gesetzestext unterstrichene Satzteil des § 19 Abs. 3 1. Satz ROG 1977 auf das VORHABEN bezieht, für welches eine Ausnahmebewilligung angestrebt wird. Demgegenüber ist der Verwaltungsgerichtshof der Meinung, daß dieser Satzteil grammatikalisch zweifelsfrei nur auf den ersten Halbsatz und damit auf die "Wirkungen des Flächenwidmungsplans gemäß Abs. 1" bezogen werden kann. Er kann daher nur so ausgelegt werden, daß damit die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung VON WIDMUNGEN (und nicht für Vorhaben) für Apartmenthäuser, Feriendörfer oder Wochenendsiedlungen oder Einkaufszentren im Sinne des § 12 Abs. 1 Z 6 lit. a ROG ausgeschlossen werden sollte. Dieser Satzteil könnte nur dann auf das beabsichtigte Vorhaben bezogen werden, wenn darin - wie in der ähnlichen Wendung des § 19 Abs. 1 4. Satz ROG 1977 - von der ERRICHTUNG von solchen Bauwerken die Rede wäre oder der Satzteil sich auf die Wendung "genau bezeichnetes Vorhaben" im § 19 Abs. 3 1. Satz ROG bezöge; letzteres ist aber nach den Regeln der deutschen Sprache ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde steht daher der Einleitungssatz des § 19 Abs. 3 ROG 1977 der Erteilung der Ausnahmebewilligung nicht von vornherein entgegen.

Da die belangte Behörde diesen, schon auf Gemeindeebene unterlaufenen Rechtsirrtum nicht aufgegriffen hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, wobei ein Eratz von Stempelgebühren nicht zugesprochen werden konnte, weil diese schon bei der (erfolglosen) Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof angefallen sind.

Aus verfahrensökonomischen Gründen wird darauf hingewiesen, daß die belangte Behörde davon auszugehen haben wird, daß nach § 19 ROG 1977 die Erteilung einer Ausnahme von den Wirkungen von des Fächenwidmungsplanes grundsätzlich vorgesehen und möglich ist und das in Rede stehende Wochenendhaus nach der Aktenlage auch bewilligungsfähig scheint, sodaß es auf die Übereinstimmung mit (bzw. den Widerspruch zu) dem räumlichen Entwicklungskonzept bzw. der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht ankommen wird.

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