VwGH 85/18/0268

VwGH85/18/026817.2.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, in der Beschwerdesache der GR in W, vertreten durch Dr. Helmut Adelsberger, Rechtsanwalt in Wien IV, Brucknerstraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 25. Jänner 1985, Zl. I/7-St-R-8470, betreffend Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz 1967, den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §1010;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs3;
RAO 1868 §14;
RAO §14;
VwGG §34 Abs1;
ZPO §31;
ZPO §32;
ZustG §9 Abs1;
ABGB §1010;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs3;
RAO 1868 §14;
RAO §14;
VwGG §34 Abs1;
ZPO §31;
ZPO §32;
ZustG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nachdem eine Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 24. Oktober 1983 infolge des rechtzeitig durch die Beschwerdeführerin erhobenen Einspruches vom 8. November 1983 außer Kraft getreten war, erging in der weiteren Folge das Straferkenntnis derselben Behörde vom 17. April 1984, mit welchem die Beschwerdeführerin schuldig erkannt wurde, sie habe am 29. September 1983 gegen 18.00 Uhr im Ortsgebiet von Königstetten auf der Landeshauptstraße 120 einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt und damit einen (anderen) Pkw abgeschleppt und habe 1. die beim Abschleppen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 30 km überschritten, 2. zwischen Königstetten und Tulln die auf Grund des angebrachten Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 30 km überschritten, 3. sei die Verbindung mit dem Zugfahrzeug nicht durch Lappen oder dergleichen gut erkennbar gemacht gewesen,

4. habe sie eine geeignete Warneinrichtung nicht mitgeführt, 5. sei ein Reifen nicht verkehrs- und betriebssicher gewesen, 6. habe sie es als Zulassungsbesitzer unterlassen, binnen einer Woche die Änderung ihres Namens der Behörde anzuzeigen und habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach ad 1. § 58 Abs. 1 Z. 2 lit. c KDV, ad 2. § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 52 Z. 10a StVO, ad 3. § 105 Abs. 1 lit. a KFG, ad 4. § 102 Abs. 10 KFG, ad 5. § 7 Abs. 1 KFG, ad 6. § 42 Abs. 1 KFG begangen. Gemäß § 134 KFG und § 99 Abs. 3 lit. a StVO wurden gegen die Beschwerdeführerin Geldstrafen und im Nichteinbringungsfall Ersatzarreststrafen verhängt.

Dem oben genannten Einspruch vom 8. November 1983 - der am Kopf die Aufschrift "Rechtsanwälte Dr. Helmut Adelsberger, Dr. Werner Zach ...... " trägt - war eine Vollmacht, lautend auf den Zweitgenannten, Rechtsanwalt Dr. Werner Zach, angeschlossen. Auf dieser Vollmachtsurkunde befand sich eine von Dr. Adelsberger unterfertigte Substitutionsvollmacht Dris. Zach an Rechtsanwalt Dr. Adelsberger. Nach dem im Akt erliegenden Zustellnachweis war das Straferkenntnis an die Beschwerdeführerin zu Handen des substituierten Rechtsanwaltes Dr. Adelsberger gerichtet und von der Kanzlei "Dr. Helmut Adelsberger - Dr. Werner Zach" am 18. April 1984 übernommen worden.

Auf Grund der gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 17. April 1984 rechtzeitig erhobenen, durch die Rechtsanwälte "Dr. Helmut Adelsberger - Dr. Werner Zach" eingebrachten Berufung vom 26. April 1984 entschieden die Berufungsbehörden, und zwar der Landeshauptmann von Niederösterreich hinsichtlich der Punkte 1., 3., 4., 5. und 6. des Straferkenntnisses und die Niederösterreichische Landesregierung hinsichtlich des Punktes 2. des Straferkenntnisses mit Bescheid vom 25. Jänner 1985 in der Weise, daß sie der Berufung gegen die Punkt 1., 2. und 5. des Straferkenntnisses Folge gaben, das Straferkenntnis in diesen Punkten behoben und das diesbezügliche Strafverfahren hinsichtlich der Punkte 1. und 5. des Straferkenntnisses gemäß § 45 Abs. 1 lit. c VStG 1950 und hinsichtlich des Punktes 2. des Straferkenntnisses gemäß § 45 Abs. 1 lit. b leg. cit. einstellten. Hinsichtlich der Punkte 3., 4. und 6. des Straferkenntnisses gab die hiefür zuständige Berufungsbehörde - der Landeshauptmann von Niederösterreich - der Berufung keine Folge. Der Beschwerdeführerin wurde nunmehr mit neu gefaßtem Schuldspruch vorgeworfen, sie habe 3. am 29. September 1983 um ca. 18.00 Uhr mit dem von ihr gelenkten, dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw im Zuge ihrer Fahrt in Richtung Tulln auf der Landeshauptstraße 120 einen anderen Pkw zwischen dem Depot der Freiwilligen Feuerwehr Königstetten im Ortsgebiet von Königstetten und km 5,00 der genannten Landeshauptstraße abgeschleppt, wobei die Verbindung mit dem Zugfahrzeug nicht anderen Straßenbenützern durch Lappen oder dergleichen gut erkennbar gemacht worden sei. Ferner habe sie 4. auf dieser Fahrt keine geeignete Warneinrichtung mitgeführt. Obwohl die Beschwerdeführerin 6. auf Grund ihrer Verehelichung seit dem 9. Oktober 1982 nicht mehr den Namen GG, sondern den Namen GR führe, sei im Zulassungsschein, den sie bei km 5,00 der Landeshauptstraße 120 den sie anhaltenden Gendarmeriebeamten zur Überprüfung ausgehändigt habe, als Name, dem das näher bezeichnete Kennzeichen zugewiesen gewesen sei, der Name "GG" eingetragen gewesen, woraus folge, daß sie als Zulassungsbesitzerin der Behörde, die den Zulassungsschein ausgestellt habe, nicht binnen einer Woche die Änderung ihres Namens, durch die die behördlichen Eintragungen im Zulassungsschein berührt worden seien, angezeigt habe. Sie habe hiedurch Verwaltungsübertretungen nach 3. § 105 Abs. 1 lit. d KFG 1967, 4. § 102 Abs. 10 KFG 1967 und 6. § 42 Abs. 1 KFG 1967 begangen. Gemäß § 134 leg. cit. wurden gegen sie Geldstrafen und im Nichteinbringungsfall Ersatzarreststrafen verhängt.

Dieser Bescheid war nach dem im Akt erliegenden Zustellnachweis wiederum an die Beschwerdeführerin zu Handen des (substituierten) Rechtsanwaltes Dr. Adelsberger gerichtet und wurde von der Kanzlei dieses Rechtsanwaltes am 28. Februar 1985 übernommen.

Gegen den zitierten Berufungsbescheid - und zwar lediglich gegen die Entscheidung des Landeshauptmannes von Niederösterreich, soweit die Bestrafung wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 im Instanzenzug aufrechterhalten wurde - richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Zugleich mit dieser Beschwerde wurde eine Vollmachtsurkunde lautend auf Dr. Helmut Adelsberger, datiert vom 1. April 1985, vorgelegt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin bringt u.a. vor, im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren habe die Beschwerdeführerin eine auf Rechtsanwalt Dr. Werner Zach ausgestellte Vollmacht vorgelegt. Es seien aber sowohl das Straferkenntnis als auch der angefochtene Bescheid zu Handen des Rechtsanwaltes Dr. Helmut Adelsberger zugestellt worden, sodaß die zitierten Bescheide mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht in Rechtskraft erwachsen hätten können und daher auch aus diesem Grunde mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit behaftet seien.

Die belangte Behörde verweist zu diesem Vorbringen in ihrer Gegenschrift auf die Substituierung des Rechtsanwaltes Dr. Adelsberger durch Rechtsanwalt Dr. Zach.

Gemäß § 26 Abs. 2 VwGG kann die Beschwerde auch erhoben werden, bevor der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt oder verkündet worden ist. Für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gilt in diesem Fall der Bescheid als an dem Tag zugestellt, an dem der Beschwerdeführer von seinem Inhalt Kenntnis erlangt hat. Voraussetzung dafür ist aber, daß ein Bescheid überhaupt erlassen wurde, also durch Zustellung oder mündliche Verkündung rechtlich existent geworden ist (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Österreichische Staatsdruckerei, S. 187, wiedergegebene Rechtsprechung zu § 26 Abs. 2 VwGG, ferner die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 3. Auflage, Prugg-Verlag, zu § 62 Abs. 1 AVG 1950 auf Seite 285 angeführte Rechtsprechung). Ist die Zustellung oder mündliche Verkündung nicht wenigstens an einen Bescheidadressaten erfolgt, dann liegt nach der ständigen Judikatur des Verwaltungserichtshofes kein dem Rechtsbestand angehörender Bescheid vor (vgl. dazu die bei Klecatsky-Öhlinger, die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechtes, Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung, Seite 218, zu § 26 Abs. 2 VwGG vertretene Auffassung, daß diese Bestimmung praktisch nur in Betracht kommt, wenn ein Bescheid in einem Mehrparteienverfahren nicht jeder Partei zugestellt oder verkündet worden ist).

Zunächst war daher - auch von Amts wegen - zu püfen, ob der Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich überhaupt als erlassen anzusehen ist und ihm daher Bescheidqualität im Sinne des Art. 131 Abs. 1 B-VG zukommt, welche wesentliche Voraussetzung für die Erhebung einer Bescheidbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof ist. Wie der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung entnommen werden kann, ist der genannte Berufungsbescheid (wie im übrigen auch das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Tulln) dem Rechtsanwalt Dr. Adelsberger zugestellt worden, obwohl nach der im Akt erliegenden Vollmachtsurkunde vom 4. November 1983 nicht diesem, sondern Rechtsanwalt Dr. Zach Vollmacht durch die Beschwerdeführerin erteilt worden war. Zu der auf dieser Vollmachtsurkunde unterfertigten Substitutionsvollmacht Dris. Zach an Dr. Adelsberger ist zunächst anzuführen, daß der Rechtsanwalt gemäß § 14 Rechtsanwaltsordnung RGBl. Nr. 96/1868, berechtigt ist, im Verhinderungsfalle einen anderen Rechtsanwalt unter gesetzlicher Haftung zu substituieren; in Fällen von andauernder Verhinderung oder längerer Abwesenheit ist die Substitution dem Ausschuß der Rechtsanwaltskammer anzuzeigen, welcher dies auch dem betreffenden Oberlandesgericht zur Verständigung an die ihm unterstehenden Gerichte mitzuteilen hat. Einer Urlaubsbewilligung zu einer längeren Abwesenheit bedarf der Rechtsanwalt nicht. Nach der Judikatur des OGH bestehen zwischen Auftraggeber und Substituten keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen und begründet die Substitution eines Rechtsanwaltes durch einen anderen für sich allein noch keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen zwischen dem Klienten des substituierenden Rechtsanwaltes und dem Substituten (vgl. u.a. die Entscheidung des OGH vom 12. Dezember 1962, SZ 130/62). Der Verwaltungsgerichtshof sieht keine Veranlassung, zu einer anderen Auffassung zu gelangen. Der substituierte Rechtsanwalt ist demnach nur dann in einem direkten Vertragsverhältnis mit dem Vollmachtgeber, wenn er von diesem direkte Vollmacht erhalten hat (so Fasching im Kommentar zur ZPO zu den §§ 31 und 32 ZPO, Bd II, S. 271). Den Verwaltungsstrafakten ist jedoch nicht zu entnehmen, der substituierte Rechtsanwalt Dr. Adelsberger habe von der Beschwerdeführerin eine direkte Vollmacht erhalten, und es wird auch solches in der Beschwerde gar nicht behauptet. Es findet sich weiters in den Verwaltungsstrafakten kein Hinweis darauf, daß sich der nunmehrige Vertreter der Beschwerdeführerin Dr. Adelsberger gegenüber der Behörde erster und zweiter Instanz durch eine auf ihn lautende schriftliche Vollmacht ausgewiesen hätte (§ 10 Abs. 1 AVG 1950). In der Beschwerde wird vielmehr ausdrücklich vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe im Verwaltungsverfahren nur eine Vollmacht, ausgestellt auf Dr. Zach, vorgelegt. Es ist daher davon auszugehen, daß hinsichtlich des substituierten Rechtsanwaltes Dr. Adelsberger im Verwaltungsstrafverfahren keine Bevollmächtigung, die auch die Ermächtigung zur Empfangnahme von Schriftstücken beinhaltet (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1980, Slg. Nr. 10327/A), vorgelegen ist. Dr. Adelsberger ist daher auch nicht Zustellungsbevollmächtigter im Sinne des § 9 Abs. 1 des (am 1. März 1983 und damit vor Zustellung des angefochtenen Bescheides in Kraft getretenen) Zustellgesetzes BGBl. 200/1982 gewesen. Gemäß § 9 Abs. 1 dieses Gesetzes hat die Behörde, wenn eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Die belangte Behörde ist daher nicht berechtigt gewesen, hinsichtlich der Zustellung des angefochtenen Bescheides Dr. Adelsberger als Empfänger zu bezeichnen und daher an ihn die Zustellung zu verfügen. Eine Sanierung des Zustellmangels nach § 9 Abs. 1 zweiter Satz Zustellgesetz konnte schon deshalb nicht eintreten, weil der Bescheid nicht dem Beschuldigten, sondern einer Person zugestellt worden ist, die nicht Vertreter im Sinne des § 9 Abs. 1 leg. cit. der Partei gewesen ist.

Für den vorliegenden Fall nicht von Interesse ist - und kann daher dahingestellt bleiben -, ob der substituierte Rechtsanwalt nicht verpflichtet gewesen wäre, dem substituierten Rechtsanwalt über die Zustellvorgänge zu berichten und die Ausfertigungen der in der Sache ergangenen Bescheide weiterzuleiten.

Im Beschwerdefall hat demnach die Zustellung des Berufungsbescheides durch die Behörde an einen anderen, nicht von der Beschwerdeführerin bevollmächtigten Rechtsanwalt, nicht zur Erlassung des Bescheides geführt. Es mangelt daher an einem Bescheid im Sinne des Art. 131 Abs. 1 B-VG, weshalb die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG 1965 mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 Abs. 1 und 48 Abs. 2 lit. a und b in Verbindung mit § 51 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 17. Februar 1989

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte