Normen
EStG 1972 §47 Abs3;
EStG 1972 §47 Abs3;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte war in den Jahren 1980 bis 1982 als Vortragender im Rahmen der Wiener Internationalen Hochschulkurse tätig (Abhaltung deutscher Sprachkurse für Ausländer). Er erhielt dafür Honorare in folgender Höhe:
1980 | S | 30.460,-- |
1981 | S | 53.740,-- |
1982 | S | 104.570,--. |
Von den Honoraren wurden Sozialversicherungsbeiträge einbehalten (die Beitragspflicht wurde mit Bescheid des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1982 festgestellt).
Das Finanzamt beurteilte die Einkünfte aus der Vortragstätigkeit des Mitbeteiligten als solche aus selbstständiger Arbeit und erließ entsprechende Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide.
Der Mitbeteiligte erhob Berufung. Seine Einkünfte aus der Vortragstätigkeit seien solche aus nichtselbstständiger Arbeit. Er werde nach der Anzahl der getätigten bzw. vereinbarten Wochenstunden honoriert und trage kein Unternehmerrisiko. Ob die Veranstaltung aus irgendeinem Grund abgesagt werde oder ob ein bestimmtes Unterrichtsziel erreicht werde, habe keinen Einfluss auf die Höhe des Honorars. Ebenso sei die Teilnehmeranzahl ohne Bedeutung. Die Räumlichkeiten würden vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt, an dessen Weisungen hinsichtlich des Vortragsstoffes der Mitbeteiligte gebunden sei. Bezüglich der Vorschreibung von Umsatzsteuer sei zu sagen, dass bei der Abrechnung der Leistung des Mitbeteiligten durch den Auftraggeber keine Umsatzsteuer ausgewiesen worden sei.
Ein an die Vortragenden gerichtetes Rundschreiben des Sekretariates der Wiener Internationalen Hochschulkurse vom Februar 1977, in welchem auf die damals noch strittige Frage der Beitragspflicht nach dem ASVG Bezug genommen wurde, enthält u. a. folgende Feststellungen:
"Das freiberufliche Verhältnis" bleibt unverändert. "Durch
die Anmeldung bei der Versicherung wird kein Dienstverhältnis
begründet; daher gelten hier auch nicht die Bestimmungen des
Angestelltengesetzes (also keine Kündigungsfristen, kein
Kündigungsgeld, keine Sonderzahlungen wie 13. und 14. Monatsbezug,
kein bezahlter Urlaub u.ä.) ....... Es ist auch weiterhin ohne
besondere Formalitäten möglich, den Unterricht nicht persönlich zu
halten, sondern sich von Kollegen vertreten zu lassen (z.B. wegen
Reise, Schikurs, Unpässlichkeit, Krankheit oder sonstiger
Verhinderung). Das Honorar für die vertretenen Stunden steht dann
natürlich weiterhin nur dem supplierenden Kollegen zu. Es bleibt
ihnen auch weiter freigestellt, jederzeit, auch für längere Zeit,
vom Unterricht zurückzutreten. ........ "
Die belangte Behörde gab der Berufung statt, wobei sie als entscheidend ansah, dass der Mitbeteiligte ein fixes Stundenhonorar erhalten habe, die Höhe dieser Entlohnung von ihm nicht habe beeinflusst werden können und er daher auch kein Unternehmerrisiko getragen habe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 47 Abs. 3 EStG liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Dieser Legaldefinition hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung zwei Kriterien entnommen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen
- a) die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und
- b) die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgeber. Es gibt jedoch Fälle, in denen beide Kriterien keine klare Abgrenzung zwischen einer selbstständig ausgeübten und einer nichtselbstständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen. Einerseits tritt insbesondere bei höher qualifizierten Leistungen, bei denen der geistigen Schaffenskraft und Kreativität des Arbeitnehmers besondere Bedeutung zukommt (z.B.leitende Angestellte), die Weisunsgebundenheit in Bezug auf Art und Inhalt der ausgeübten Tätigkeit häufig in den Hintergrund; andererseits kann auch eine selbstständig ausgeübte Tätigkeit eine verhältnismäßig starke organisatorische Eingliederung erforderlich machen (z.B.reproduzierende Künstler oder - wie im Beschwerdefall Vortragende, die sich sowohl zeitlich als auch räumlich an ein vom Veranstalter vorgegebenes Programm halten müssen).
Der Gerichtshof hat daher in ständiger Rechtsprechung weitere Kriterien aufgezeigt, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen. Dazu gehört insbesondere das Fehlen des für eine selbstständige Tätigkeit typischen Unternehmerrisikos. Dieses besteht darin, dass der Leistungserbringer die Möglichkeit hat, im Rahmen seiner Tätigkeit sowohl die Einnahmen als auch die Ausgabenseite maßgeblich zu beeinflussen, und solcherart den finanziellen Erfolg seiner Tätigkeit weitgehend gestalten kann. Diese Möglichkeit wird nicht schon dadurch beseitigt, dass der Leistungserbringer nach einem bestimmten Tarif oder einem bestimmten Stundensatz honoriert wird, wie dies bei vielen Freiberuflern aber auch bei Gewerbetreibenden der Fall ist. Das Unternehmerrisiko kommt nämlich auch darin zum Ausdruck, dass der Leistungserbringer die Möglichkeit hat, im Rahmen seiner Tätigkeit Aufträge anzunehmen oder abzulehnen und solcherart den Umfang seines Tätigwerdens bzw. dessen wirtschaftlichen Erfolg selbst zu bestimmen. Es trifft zwar zu, dass auch im Rahmen einer nichtselbstständig ausgeübten Tätigkeit Leistungsanreize geboten werden können (z.B. Überstundenentlohnungen, Provisionen); es handelt sich dabei aber regelmäßig um Bezugsteile, die zusätzlich zu einem bestimmten Grundlohn gewährt werden. Kennzeichnend für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses ist auch in solchen Fällen, dass der Verpflichtung des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft (laufend) zur Verfügung zu stellen, die Verpflichtung des Arbeitgebers gegenübersteht, dem Arbeitnehmer einen erfolgsunabhängigen (Grund-)Lohn zu bezahlen. In vielen Bereichen, insbesondere dort, wo sich Dienstverhältnisse durch höhere Qualifikation und langfristige Einbindung des Arbeitnehmers in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers auszeichnen, besteht der Anspruch auf Lohnfortzahlung auch dann, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend und ohne sein Verschulden (z.B. durch Krankheit) an der Erfüllung seiner dienstlichen Obliegenheiten gehindert ist.
Überträgt man diese Grundsätze und Überlegungen auf den Beschwerdefall, so fällt zunächst auf, dass der Mitbeteiligte unbestrittenermaßen nur für die von ihm tatsächlich abgehaltenen Vortrags- bzw. Unterrichtsstunden honoriert wurde (das gegenteilige Vorbringen in der Berufung wird im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr aufrecht erhalten). Im Falle seiner Verhinderung - gleichgültig aus welchen Gründen - hatte er keinen Honoraranspruch. Gerade bei einer laufenden unterrichtenden Tätigkeit, die im Rahmen eines Dienstverhältnisses erbracht wird, ist dies unüblich. Hingegen entspricht diese Vorgangsweise den Gepflogenheiten bei Ausübung einer selbstständigen Vortragstätigkeit, wie sie z.B. auch bei Prüfungsvorbereitungskursen üblich ist.
Ein weiteres Indiz dafür, dass die Vortragstätigkeit des Mitbeteiligten selbstständig ausgeübt wurde, ist darin zu erblicken, dass eine derartige Vertragsgestaltung offensichtlich von beiden Vertragsteilen (den Wiener Internationalen Hochschulkursen und dem Mitbeteiligten) beabsichtigt war. Dies zeigt das oben erwähnte Rundschreiben vom Februar 1977, in welchem ausdrücklich der freiberufliche Charakter der Vortragstätigkeit betont wird. Das Rundschreiben enthält überdies den Hinweis, dass der Vortragende "jederzeit, auch für längere Zeit, vom Unterricht zurücktreten" kann - ein Hinweis, der gegen das Bestehen dauerhafter wechselseitiger Verpflichtungen spricht, wie sie ein Dienstverhältnis kennzeichnet.
Wenn es auch richtig ist, dass eine Vertragsgestaltung für sich allein noch keinen zwingenden Schluss auf das tatsächliche Vertragsverhältnis zulässt, so gibt es in der Regel doch Aufschluss über den Willen der vertragschließenden Parteien. Bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Vertragsgestaltung von den vertragschließenden Parteien ernsthaft gewollt war und entspricht die Gestaltung den üblichen Gepflogenheiten, so hat ihr auch das Steuerrecht zu folgen.
Der Mitbeteiligte bringt in seiner Gegenschrift vor, er habe keinen bestimmten Erfolg zu erbringen gehabt, weil es nicht seine Aufgabe gewesen sei, innerhalb bestimmter Zeit bei seinen Studenten ein bestimmtes sprachliches Niveau zu erreichen. Dem ist entgegenzuhalten, dass gerade bei einer Vortragstätigkeit die honorierte Leistung nur in der Abhaltung des Vortrages durch den Vortragenden, nicht jedoch darin erblickt werden kann, ob und welchen Ausmaß die Zuhörer dadurch ihr Wissen vertieft haben
Der Mitbeteiligte meint weiters, seine Vortragstätigkeit sei "vertretbar" gewesen. Dies mag zutreffen, spricht aber eher gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses, bei dem der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber schuldet.
Die Ausführungen des Mitbeteiligten, wonach er keine erheblichen Aufwendungen aus eigenem zu tragen gehabt habe, sind schon deswegen nicht geeignet, seine Vortragstätigkeit als nichtselbstständig zu qualifizieren, weil mit dieser Tätigkeit, wie der Mitbeteiligte selbst vorbringt, keine erheblichen Aufwendungen verbunden waren, die von den Wiener Internationalen Hochschulkursen ersetzt hätten werden können. Im übrigen ist der (fallweise) Ersatz von Fahrtkosten der Vortragenden durch den Veranstalter auch bei selbstständiger Vortragstätigkeit üblich und spricht nicht für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses.
Zusammenfassend ist daher zu sagen, dass die Vortragstätigkeit des Mitbeteiligten, die zwischen den Vertragspartnern ausdrücklich als freiberufliche Tätigkeit vereinbart worden war, überwiegend auch die Merkmale einer solchen Tätigkeit aufweist. Dafür spricht insbesondere, dass der Mitbeteiligte ein Unternehmerrisiko trug, da er es in seiner Hand hatte, durch Abhalten oder Nichtabhalten der einzelnen Vortragsstunden den wirtschaftlichen Erfolg seines Tätigwerdens selbst zu bestimmen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 17. Mai 1989
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