VwGH 84/14/0055

VwGH84/14/005523.10.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Schubert und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Traumüller, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. EA in G, vertreten durch Dr. Franz Kodolitsch, Rechtsanwalt in Graz, Schmiedgasse 31, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 19. Jänner 1984, Zl. 41- 3/84, betreffend Aufhebung von Umsatz- und Einkommensteuerbescheiden 1980 und von Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuerbescheiden 1981 und 1982 gemäß § 299 Abs. 2 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs2;
BAO §299 Abs1 litc;
BAO §299 Abs2;
EStG 1972 §2 Abs2;
BAO §115 Abs2;
BAO §299 Abs1 litc;
BAO §299 Abs2;
EStG 1972 §2 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren auf weiteren Aufwandersatz von S 806,-- wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt seit dem Jahre 1972 neben seiner nichtselbständigen Erwerbstätigkeit als Angestellter (technischer Berater) ein Handelsunternehmen, dessen Art er selbst überwiegend als "Import-Export und Handel mit Geschenkartikel" bezeichnet. Aus dieser Tätigkeit erklärte er von 1972 bis einschließlich 1982 mit Ausnahme eines Jahres (1977: erklärter Jahresgewinn S 3.921,--) durchwegs Verluste in einer jährlichen Höhe zwischen S 1.413,-- (1978) und S 242.323,-- (1982). Die in den Einkommensteuerbescheiden des Finanzamtes zum Teil abweichend von den Erklärungen ermittelten Einkünfte aus dem erwähnten Gewerbebetrieb ergaben nur in zwei der elf aufeinanderfolgenden Jahre von 1972 bis 1982 Gewinne (1977: S 3.921,--; 1981: S 1.878,--), in den übrigen Jahren Verluste in zumeist vielfacher Höhe (1982: S 228.445,--).

Mit Bescheid vom 19. Jänner 1984 hob die belangte Behörde die Bescheide des Finanzamtes betreffend die Umsatz- und Einkommensteuer 1980 bis 1982 und die Gewerbesteuer 1981 und 1982 gemäß § 299 Abs. 2 BAO wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf. Sie begründet dies im wesentlichen damit, wenn auch eine, wie im vorliegenden Fall, sichtlich erfolglose Tätigkeit bei Gewerbebetrieben nur in Ausnahmefällen als Liebhaberei beurteilt werden könne, liege hier durch das Auftreten von Verlusten durch eine Vielzahl von Wirtschaftsperioden und insbesondere, weil dem Beschwerdeführer nur durch seine relativ hohen nichtselbständigen Einkünfte die Finanzierung dieser Verluste ermöglicht werde, ein ernsthaftes Streben nach Gewinn nicht vor, so daß die an sich gewerbliche Tätigkeit als Liebhaberei angesehen werden müsse. Da das Finanzamt dieser Sach- und Rechtslage nicht Rechnung getragen habe, sei aus Zweckmäßigkeitsgründen, vor allem im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, mit Aufhebung durch die Oberbehörde vorzugehen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, die ihrem Inhalt nach sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes wie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht, und die dazu von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 299 Abs. 2 BAO kann ein Bescheid von der Oberbehörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bis zum Ablauf von einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides (§ 302 Abs. 1 BAO) - daß diese Frist überschritten worden wäre, wird nicht als Beschwerdepunkt geltend gemacht - aufgehoben werden. Ohne Gewährung von Parteiengehör ist eine solche Maßnahme (nur) zulässig, wenn weder ein neuer Sachverhalt angenommen noch neue Beweise aufgenommen werden (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1981, Zlen. 747, 749/79, Slg. N. F. Nr. 5567/F, u. a.).

Im Sinne dieser Rechtslage ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zur Begründung der von ihr angenommenen inhaltlichen Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Bescheide des Finanzamtes ausschließlich von den vom Beschwerdeführer in den Jahren seiner gewerblichen Tätigkeit erzielten Verlusten oder Gewinnen ausgegangen und hat diese der Höhe seiner erklärten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gegenübergestellt, wobei die Feststellungen von Zahlen auf die Jahre 1980 bis 1982 beschränkt wurden.

Diese Tatsachen allein - und andere wurden im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt und hätten, ohne dem Beschwerdeführer vorher Parteiengehör zu gewähren, wohl auch nicht festgestellt werden dürfen - reichen indes nicht dazu aus, darauf die rechtliche Schlußfolgerung zu stützen, die nach ihrer Erscheinungsform das Bild eines Gewerbebetriebes bietende Tätigkeit des Beschwerdeführers komme als Einkommensquelle im Sinne des § 2 EStG 1972 nicht in Betracht und sei in den Bereich der Liebhaberei (des sogenannten "Voluptuar") zu verweisen. Denn das Auftreten von Verlusten reicht für sich allein nicht aus, bei einer alle übrigen Merkmale eines Gewerbebetriebes aufweisenden Tätigkeit die Aufgabe des Gewinnstrebens anzunehmen und den Betrieb als Liebhaberei zu qualifizieren (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1972, Zl. 174/72). Nach ständiger Rechsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. die Erkenntnisse vom 13. Mai 1966, Zl. 233/66, und vom 31. März 1971, Zl. 707/70) sind die zum Themenkreis der Liebhaberei entwickelten Grundsätze gerade auf Betätigungen, die ihrer äußeren Erscheinungsform nach auf dem gewerblichen Sektor liegen, an sich nur in Ausnahmefällen anzuwenden. Die erwähnten Grundsätze der Rechtsprechung aber gehen dahin, daß eine Tätigkeit (statt als Einkunftsquelle im Sinne des § 2 EStG 1972) als "Liebhaberei" nur dann anzusehen ist, wenn sie nach den Verhältnissen des einzelnen Falles ungeeignet ist, auf die Dauer nachhaltig einen Gewinn oder einen Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten abzuwerfen, was der Verwaltungsgerichtshof im wesentlichen von der Frage abhängig gemacht hat, ob der betreffende Betrieb nach wirtschaftlichen Grundsätzen geführt wird oder nicht und ob dabei auf die Dauer gesehen nach objektivem Maßstab die Möglichkeit besteht, einen Gewinn zu erzielen oder dies nicht der Fall ist (Erkenntnis vom 15. April 1975, Zl. 1296/73, und die dort ausführlich zitierte ältere Judikatur).

Im gegebenen Fall enthält der angefochtene Bescheid über diese streitentscheidenden Umstände keine Sachverhaltsfeststellungen. Er geht weder auf die Art der Betriebsführung durch den Beschwerdeführer ein, noch erörtert er die daraus objektiv gegebenen oder nicht gegebenen Chancen einer Gewinnerzielung auf Dauer. Dazu kommt, daß damit zusammenhängende Fragen - wenn auch vielleicht nicht mit der gebotenen Gründlichkeit - im Zuge der beim Beschwerdeführer erst im September 1983 vorgenommenen, die Steuerjahre 1980 bis 1982 umfassenden Betriebsprüfung wohl erörtert wurden, bevor das Finanzamt auf Grund des Ergebnisses dieser Betriebsprüfung die nun von der belangten Behörde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid im Aufsichtswege behobenen Bescheide erließ. Die belangte Behörde hat sich dabei mit dem diesbezüglichen Ergebnis des Prüferberichtes (Punkt 8 "Wirtschaftliche Würdigung": "Die im Prüfungszeitraum erklärten Verluste sind darauf zurückzuführen, daß größere Warenbestände /Ikonen/ angeschafft wurden und sich dieser Einkauf bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG als Aufwand auswirkt") in keiner Weise auseinandergesetzt hat. Auf die vom Prüfer in seinem Arbeitsbogen festgehaltenen, bei Besprechungen gemachten Angaben des Beschwerdeführers selbst zur nunmehrigen Streitfrage (Blatt 24/2 des Verwaltungsaktes), wie die erst Ende 1979 erfolgte Eröffnung auch eines Detailhandels, Anlage eines großen Warenlagers von Importwaren u. dgl., ist sie in keiner Weise eingegangen. Dies bewirkt darüber hinaus eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, von der nicht gesagt werden kann, ohne diese Verletzung hätte es zu keiner anderen Entscheidung kommen können. Da aber die Verfahrensmängel offenbar deshalb unterlaufen sind, weil die belangte Behörde von der irrigen Rechtsmeinung ausging, allein die Gewinn- und Verlustzahlen berechtigten zu dem Schluß auf Vorliegen einer Liebhaberei statt eines Gewerbebetriebes, während es richtigerweise gerade dabei immer (auch) entscheidend auf die Art der Betriebsführung als der Ursache für Gewinne und Verluste ankommt, mußte ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz an den Beschwerdeführer beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965. Ein gesonderter Zuspruch von Umsatzsteuer neben den Pauschalsätzen ist diesen Vorschriften fremd.

Wien, am 23. Oktober 1984

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