VwGH 84/12/0229

VwGH84/12/022915.4.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Drexler, Dr. Herberth und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Gerscha, über die Beschwerde des RS in W, vertreten durch Dr. Otto Schuhmeister, Rechtsanwalt in Schwechat, Bruck-Hainburgerstraße 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Oktober 1984, Zl. 123 584/2-II/2/84, betreffend Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §10 Abs4 Z4;
BDG 1979 §10 Abs4 Z4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stand seit 1. Mai 1983 als Inspektor in einem provisorischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Republik Österreich. Seine letzte Dienststelle war die Bundespolizeidirektion Wien.

Mit Bescheid vom 27. Juli 1984 sprach die Bundespolizeidirektion Wien aus, daß das am 1. Mai 1983 mit dem Beschwerdeführer "begründete provisorische Dienstverhältnis zum 31. Juli 1984" gemäß § 10 Abs. 2, 3, 4 Z. 4 BDG 1979 gekündigt werde. Einer allenfalls gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung wurde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der Beschwerdeführer am 26. Mai 1984 um 00.05 Uhr in Wien 3, Fruethstraße 11, von einem Streifenkraftwagen zwecks Verkehrskontrolle angehalten worden sei. Im Laufe der nachfolgenden Erhebungen habe sich sodann unbestrittenermaßen ergeben, daß der Beschwerdeführer sein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Da es jedoch unter anderem Aufgabe eines Sicherheitswachebeamten wie des Beschwerdeführers sei, gegen alkoholisierte Lenker einzuschreiten, müsse ihm die persönliche Eignung für den genannten Beruf "abgesprochen" und die Kündigung seines provisorischen Dienstverhältnisses im Sinne des § 10 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes (BDG) 1979 wegen pflichtwidrigen Verhaltens "veranlaßt" werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, in welcher er im wesentlichen ausführte:

Richtig sei, daß er am 26. Mai 1984 im Zuge einer Verkehrskontrolle als Lenker eines Kraftfahrzeuges angehalten und in der Folge seine Alkoholisierung festgestellt worden sei. Nicht sei jedoch die tatsächliche Höhe seines "Alkoholisierungsgrades" ermittelt worden. Die erstinstanzliche Behörde ziehe aus diesem Vorkommnis den Schluß, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung des Beschwerdeführers im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben nicht mehr gewährleistet sei und seine persönliche Eignung für den Exekutivdienst auf Grund mangelnder Pflichtauffassung, Gewissenhaftigkeit und Charakterfestigkeit nicht vorliege. Es sei aber nicht gerechtfertigt, solche Schlüsse aus der gegenständlichen Übertretung des Beschwerdeführers zu ziehen. Dieser habe nämlich vor und nach diesem Vorfall seine dienstlichen Pflichten stets korrekt erfüllt. Auch sein außerdienstliches Verhalten sei, abgesehen von dem in Rede stehenden Ereignis, immer tadellos gewesen. Dasselbe rechtfertige die Kündigung des Beschwerdeführers schon deshalb nicht, weil "das Vertrauen der Allgemeinheit" in seine "Kompetenz als Exekutivorgan" sicherlich nicht erschüttert sei, "da die Auswirkung des gegen" den Beschwerdeführer "wegen Alkoholisierung am Steuer ergangenen Bescheides nicht gegeben ist". Ein Bekanntwerden der vom Beschwerdeführer gesetzten Übertretung sei auszuschließen. Die gegenständliche Verwaltungsübertretung sei im Zuge einer Verkehrskontrolle geahndet worden, zu einem Unfall sei es nicht gekommen. Der Beschwerdeführer hätte im fraglichen Zeitpunkt Zivilkleidung getragen. Auch aus diesen Gründen sei "eine öffentliche Wirkung" der Verwaltungsübertretung nicht eingetreten. Der Beschwerdeführer wolle das von ihm gesetzte Verhalten "keineswegs verharmlosen", da er sich der "Gefahren des Alkohols am Steuer bewußt" sei. Es dürfe jedoch nicht übersehen werden, daß er nur eine Verwaltungsübertretung begangen habe, die sicherlich geringer zu werten sei als eine gerichtlich strafbare Handlung. Der Beschwerdeführer habe außer der vorliegenden noch keine strafbare Tat gesetzt. Während der gegenständlichen Amtshandlung habe er sich korrekt verhalten. Er habe die Alkoholisierung nicht abgestritten und auch auf ein Rechtsmittel gegen den betreffenden Strafbescheid verzichtet. Aus diesem Verhalten des Beschwerdeführers sei zu schließen, daß er sein straßenverkehrswidriges Verhalten eingesehen habe und weitere Übertretungen sicherlich nicht mehr setzen werde.

Die im § 10 BDG 1979 angeführten Kündigungsgründe stellten grundsätzlich auf das dienstliche Verhalten eines Beamten ab. Außerdienstliches Verhalten sei nur insoweit zu berücksichtigen, "als massive Verstöße gegen bestehende Gesetze vorliegen". Eine bloße Verwaltungsübertretung würde aber einen derartigen Verstoß nicht darstellen.

Es werde beantragt, sämtliche Vorgesetzte des Beschwerdeführers über sein dienstliches Verhalten zu vernehmen, seine Dienstbeschreibung zu berücksichtigen und die Kündigung seines provisorischen Dienstverhältnisses "aufzuheben".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und führte begründend im wesentlichen aus:

Der in einem provisorischen Dienstverhältnis stehende Beschwerdeführer sei am 26. Mai 1984 als Kraftfahrzeuglenker im Zuge einer Verkehrskontrolle angehalten, und dabei seien an ihm gerötete Augenbindehäute, schwankender Gang und lallende Aussprache als Symptome einer Alkoholisierung festgestellt worden. Der zweimal durchgeführte Alkotest mittels Alkoteströhrchens sei in beiden Fällen positiv verlaufen. Bei der klinischen Untersuchung durch den Amtsarzt habe sich eine mittelstarke Alkoholisierung des Beschwerdeführers ergeben. Es sei festgestellt worden, daß er nicht geeignet gewesen sei, ein Kraftfahrzeug zu lenken. Einer Blutabnahme zwecks Ermittlung des Blutalkoholgehaltes habe der Beschwerdeführer nicht zugestimmt. In der Strafverhandlung habe der Beschwerdeführer den ihm zur Last gelegten Sachverhalt (Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand) zugegeben und sei mit einer Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe sieben Tage) belegt worden. Dieser Strafbescheid sei in Rechtskraft erwachsen.

Die belangte Behörde gehe davon aus, daß die vom Beschwerdeführer gesetzte Übertretung bei einem provisorischen Sicherheitswachebeamten zu einer Kündigung ausreiche. Ein pflichtwidriges Verhalten könne nämlich schon durch eine einmalige Handlung des Beamten verwirklicht werden. "Positive Aussagen" der Vorgesetzten des Beschwerdeführers zu seinem dienstlichen Verhalten könnten das von ihm "begangene pflichtwidrige Verhalten nicht aufwiegen". Die Vernehmung dieser Personen könne daher unterbleiben. Auch die Dienstbeschreibung des Beschwerdeführers "braucht" in diesem Zusammenhang "nicht berücksichtigt werden".

Wenn ein Beamter jene Rechtsgüter, zu deren Schutz er nach den österreichischen Gesetzen berufen sei, bewußt verletze, zeige er ein bedenkliches charakterliches und moralisches Versagen sowie ein Verhalten, durch das er nicht nur sein eigenes Ansehen, sondern auch das der Beamtenschaft im allgemeinen "und seines Exekutivkörpers im besonderen" herabsetze. Das habe zur Folge, daß dadurch nicht nur die Achtung, welche der Beamte zur Wahrung seines schwierigen Exekutivdienstes benötige, sondern auch das Vertrauensverhältnis, das zwischen ihm und der Verwaltung bestehe und die Grundlage des österreichischen Beamtentums bilde, schwer erschüttert werde.

Der Umstand, daß das pflichtwidrige Verhalten des Beschwerdeführers nur in einer Verwaltungsübertretung bestehe, sei ohne Belang. Unrichtig sei die Ansicht des Beschwerdeführers, daß außerdienstliches Verhalten nur bei "massiven Verstößen gegen die Rechtsordnung" "bei einer Kündigung zu berücksichtigen ist".

Auch die Tatsache, daß der Beschwerdeführer sein pflichtwidriges Verhalten eingesehen habe, vermöge an dem Vorliegen des angeführten Kündigungsgrundes nichts zu ändern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" und "Rechtswidrigkeit des Bescheides" erhobene Beschwerde. Beantragt wird, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und der belangten Behörde den Ersatz der Verfahrenskosten aufzuerlegen. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift mit Gegenanträgen erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 2 BDG 1979 kann das provisorische Dienstverhältnis mit Bescheid gekündigt werden. Nach Ablauf der Probezeit ist die Kündigung gemäß § 10 Abs. 3 BDG 1979 nur mit Angabe des Grundes möglich. Einen Kündigungsgrund stellt nach § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 pflichtwidriges Verhalten dar.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verfolgt die Einrichtung des provisorischen Dienstverhältnisses den Zweck, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im allgemeinen wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde, gestellt werden müssen. Es ist demnach die Zweckbestimmung des der Definitivstellung des öffentlichrechtlichen Bediensteten vorgeschalteten provisorischen Dienstverhältnisses, den Beamtennachwuchs nochmals in der Weise sieben zu können, daß alle sich nicht voll bewährenden Amtsträger noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eignen, ausgeschlossen werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Gründe, die zur Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses führen, eine längere oder eine kürzere Zeit zurückliegen; denn die Dienstbehörde hat nach dem Gesagten das Recht und die Pflicht, vor der Definitivstellung eines Beamten sein ganzes dienstliches und außerdienstliches Verhalten zu prüfen. Es gibt sich aber auch weder aus der sprachlichen Bedeutung des Wortes "Verhalten" noch aus der Bestimmung des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979, daß von einem pflichtwidrigen Verhalten im Sinne der angeführten Vorschrift etwa nur dann gesprochen werden kann, wenn zeitlich andauernde oder wiederkehrende Handlungen des Beamten vorliegen. Denn gerade im gegenständlichen Zusammenhang muß davon ausgegangen werden, daß durchaus auch die einmalige Tat eines Beamten - ungeachtet eines früheren und späteren dienstlichen oder außerdienstlichen Wohlverhaltens - derart schwerwiegend sein kann, daß durch sie der Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 verwirklicht wird (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Jänner 1984, Zl. 83/12/0088).

Im vorliegenden Fall wird nicht in Abrede gestellt, daß der Beschwerdeführer am 26. Mai 1984 ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat und deshalb "gegen ihn wegen § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzarreststrafe sieben Tage) verhängt" wurde. Unbestrittenermaßen ist der betreffende Strafbescheid in Rechtskraft erwachsen. Daß diese Handlung des als Sicherheitswachebeamten tätigen Beschwerdeführers, welche er selbst nie bestritten hat, ein pflichtwidriges Verhalten gemäß § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 darstellt, bedarf - auch wenn es sich hiebei nur um ein damaliges Vorkommnis handelt - keiner weiteren Erörterung; denn mit Recht führt die belangte Behörde sinngemäß aus, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben (§ 43 Abs. 2 BDG 1979) gerade eines Wachebeamten, dessen vornehmster Tätigkeitsbereich in der Verhinderung von strafbaren Handlungen besteht, nicht erhalten bleibt, wenn dieser Beamte selbst die dem Beschwerdeführer angelastete Übertretung setzt. Diese Auffassung der belangten Behörde wird in der Beschwerde konkret auch nicht mehr in Frage gestellt.

Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt, daß das in Rede stehende Lenken eines Kraftfahrzeuges durch den Beschwerdeführer in einem durch Alkoholgenuß beeinträchtigten Zustand ein pflichtwidriges Verhalten im Sinne des § 10 Abs. 4 Z. 4 BDG 1979 - ungeachtet seines sonstigen dienstlichen und außerdienstlichen Verhaltens - und damit einen Kündigungsgrund darstellt. Im Hinblick darauf durfte die belangte Behörde auch, ohne sich eines entscheidenden Verfahrensfehlers schuldig zu machen, auf die Einvernahme der Vorgesetzten des Beschwerdeführers und die Einsichtnahme in seine Dienstbeschreibung verzichten.

Aus dem in der Beschwerde ins Treffen geführten Hinweis, der Beschwerdeführer habe die gegenständliche Verwaltungsübertretung nicht im Dienst begangen, vermag er im vorliegenden Zusammenhang für sich nichts zu gewinnen.

Da demnach die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht zu dem Ergebnis kam, daß die Kündigung des Beschwerdeführers rechtsgültig ausgesprochen wurde, erwies sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 15. April 1985

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