VwGH 84/11/0231

VwGH84/11/023116.10.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Tobola, über die Beschwerde des MS in L, vertreten durch Dr. Manfred Traxlmayr, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 29. Juni 1984, Zl. VerkR‑5912/2‑1983‑I/Si, betreffend Versagung der Erteilung einer österreichischen Lenkerberechtigung auf Grund einer im Ausland erteilten Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §42 Abs1
KFG 1967 §43 Abs4 litb
KFG 1967 §44 Abs2 litg
KFG 1967 §64 Abs5
KFG 1967 §64 Abs6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1984110231.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer begehrte mit Eingabe vom 31. Mai 1983 die Erteilung einer österreichischen Lenkerberechtigung für die Gruppen A und B auf Grund der ihm in Polen erteilten Lenkerberechtigung. Mit dem Antrag legte er ein Schreiben vor, in welchem er selbst bestätigte, am 1. April 1982 einen dem Kennzeichen nach bezeichneten Pkw in Österreich angemeldet zu haben und seither damit gefahren zu sein. Ebenso habe er in Polen ein Jahr lang ein Motorrad gelenkt.

Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 4. August 1983 wies die Bundespolizeidirektion Linz diesen Antrag gemäß § 64 Abs. 6 KFG 1967 wegen fehlender Fahrpraxis ab. Der Beschwerdeführer sei am 11. November 1981 von Polen kommend nach Österreich eingereist und habe daher Kraftfahrzeuge nur bis zum 11. November 1982 lenken dürfen. Der gegenständliche Antrag sei am 31. Mai 1983 bei der Bezirkshauptmannschaft eingebracht und am 29. Juni 1983 der Bundespolizeidirektion Linz zuständigkeitshalber weitergeleitet worden. Da § 64 Abs. 6 KFG 1967 eine Fahrpraxis von einem Jahr unmittelbar vor Antragstellung fordere, hätte der Beschwerdeführer eine Fahrpraxis vom 31. Mai 1982 bis zum 31. Mai 1983 glaubhaft machen müssen. Es habe „somit“ nur die Fahrpraxis vom 31. Mai 1982 bis 11. November 1982 (fünfeinhalb Monate) anerkannt werden können; für die geforderte einjährige Fahrpraxis fehlten sechseinhalb Monate.

In seiner Berufung führte der Beschwerdeführer aus, er habe vom 1. April 1982 bis 30. Juni 1983 einen in Österreich zugelassenen Kraftwagen gelenkt. Als Polenflüchtling habe er zunächst in Österreich nur einen Zwischenaufenthalt nehmen wollen und das erste Jahr seines Aufenthaltes in Österreich „wartend verbracht“ (auf die Einreisebewilligung nach Australien). Zum Bleiben in Österreich habe er sich erst nach Erhalt einer Wohnung in Linz, wo er seit 8. März 1983 gemeldet sei, entschlossen.

Dieser Berufung gab der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 29. Juni 1984 keine Folge. Ergänzend nahm die belangte Behörde als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer ungeachtet seiner anfänglichen Absicht, nur vorübergehend in Österreich zu bleiben, mit seiner Einreise (11. November 1981) in Österreich seinen ordentlichen Wohnsitz begründet habe. Werde ein Antrag nach § 64 Abs. 6 KFG 1967 nach Ablauf eines Jahres ab Begründung des ordentlichen Wohnsitzes in Österreich eingebracht, so habe der Antragsteller glaubhaft zu machen, daß er die in Österreich fehlende Fahrpraxis auf Grund seiner ausländischen Lenkerberechtigung im Ausland erworben habe. Der Beschwerdeführer habe nur eine Fahrpraxis von fünfeinhalb Monaten glaubhaft machen können. Die Fahrpraxis, die er sich dadurch erworben haben könnte, daß er in Österreich Kraftfahrzeuge ohne die entsprechende österreichische Lenkerberechtigung - also rechtswidrig - gelenkt habe, könne nicht als Nachweis der erforderlichen Fahrpraxis anerkannt werden.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde begehrt der Beschwerdeführer dessen kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 64 Abs. 5 erster Satz KFG 1967 in der Fassung der 7. Kraftfahrgesetz‑Novelle, BGBl. Nr. 631/1982, ist das Lenken eines Kraftfahrzeuges auf Grund einer im Ausland erteilten Lenkerberechtigung durch Personen mit dem ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet zulässig, wenn seit der Begründung des ordentlichen Wohnsitzes im Bundesgebiet nicht mehr als ein Jahr verstrichen ist. Gemäß § 64 Abs. 6 KFG 1967 in der Fassung der 2. Kraftfahrgesetz‑Novelle, BGBl. Nr. 286/1974, ist Besitzern einer im Ausland erteilten Lenkerberechtigung auf Antrag insoweit ohne Ermittlungsverfahren eine Lenkerberechtigung mit dem gleichen Berechtigungsumfang zu erteilen, als auf Grund der Vorschriften des Staates, in dem die ausländische Lenkerberechtigung erteilt wurde, bei der Erteilung einer Lenkerberechtigung auf Grund einer österreichischen Lenkerberechtigung von der Feststellung der im Abs. 2 angeführten Voraussetzungen abzusehen ist. Diesem Antrag darf nur stattgegeben werden, wenn der Antragsteller seit länger als sechs Monaten seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich hat und glaubhaft macht, daß er auf Grund der im Ausland erteilten Lenkerberechtigung seit mindestens einem Jahr Kraftfahrzeuge der Gruppe gelenkt hat, für die die Lenkerberechtigung erteilt wurde, und wenn bei ihm keine Bedenken hinsichtlich der Verkehrszuverlässigkeit (§ 66), der geistigen und körperlichen Eignung und der fachlichen Befähigung bestehen.

Der Beschwerdeführer läßt die Annahme der belangten Behörde, er habe ab dem Tag seiner Einreise nach Österreich (11. November 1981) seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich begründet, unbekämpft. Der Gerichtshof hegt gegen die Schlüssigkeit dieser Annahme keine Bedenken (vgl. dazu die Ausführungen zum Begriff des ordentlichen Wohnsitzes im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. September 1982, Zl. 02/3867/80). Es ist daher davon auszugehen - in dieser Frage stimmen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens überein -, daß der Beschwerdeführer in Österreich nur bis zum 11. November 1982 Kraftwagen der Gruppe B „auf Grund der im Ausland erteilten Lenkerberechtigung“ gelenkt hat. Der Beschwerdeführer vertritt allerdings im Gegensatz zur belangten Behörde - unter Berufung auf Haupfleisch („Umtausch“ ausländischer Führerscheine, ZVR, 1976, 137) und Messiner (Rechtsfragen zur „Umschreibung“ ausländischer Lenkerberechtigungen gemäß § 64 Abs. 6 KFG, ZVR, 1981, 290) - die Rechtsansicht, es sei auch seine nach dem besagten Zeitpunkt gelegene, „illegale“ Fahrpraxis anzurechnen, weil bei der Frist des § 64 Abs. 6 leg. cit. das tatsächliche Lenken von Kraftfahrzeugen das wesentliche Kriterium darstelle.

Bei diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, daß nach § 64 Abs. 6 zweiter Satz KFG 1967 nicht jedes glaubhaft gemachte tatsächliche Lenken von Kraftfahrzeugen im Mindestausmaß von einem Jahr als Voraussetzung für die Erteilung einer österreichischen Lenkerberechtigung ausreicht, sondern nur ein Lenken „auf Grund einer im Ausland erteilten Lenkerberechtigung“. Diese Qualifikation vermag mangels einer unterscheidenden Regelung ein Lenken entsprechender Kraftfahrzeuge im Ausland ebenso wie ein Lenken in Österreich zu erfüllen. Nach Ablauf der Jahresfrist des § 64 Abs. 5 KFG 1967 (nur diese Bestimmung ist im Beschwerdefall im vorliegenden Zusammenhang in Betracht zu ziehen) erfolgt aber ein Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr „auf Grund einer im Ausland erteilten Lenkerberechtigung“. Es kann daher ein allfälliges späteres Lenken in Österreich bei der Ermittlung der nach § 64 Abs. 6 zweiter Satz KFG 1967 erforderlichen Mindestfahrpraxis nicht berücksichtigt werden. Aus diesem Grunde vermag der Verwaltungsgerichtshof der vom Beschwerdeführer übernommenen gegenteiligen Ansicht von Haupfleisch (a.a.O.; entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers vertritt Messiner.a.a.O. diese Auffassung nicht) nicht zu folgen. Deshalb ist auch den Ausführungen in der Gegenschrift, es könne nicht Absicht des Gesetzgebers sein, daß auch rechtswidrige Handlungen zur Begründung eines Rechtes heranzuziehen seien, im Ergebnis beizupflichten.

Im Gegensatz zur anders lautenden Auffassung des Beschwerdeführers versteht der Gerichtshof die Wendung „seit mindestens einem Jahr“ im Abs. 6 des § 64 leg. cit. dahin, daß das glaubhaft zu machende Lenken im Zeitraum eines Jahres zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Antragstellung liegen muß. Hätte der Gesetzgeber nicht an den besagten Zeitpunkt, sondern an jenen der Erteilung der ausländischen Lenkerberechtigung anknüpfen wollen, so hätte er dies - entsprechend der im vorhergehenden Absatz gebrauchten Ausdrucksweise („seit der Begründung ....“) durch Voranstellen des Wortes „seit“ vor jenes Ereignis, von dem bei der Berechnung der Einjahresfrist auszugehen wäre (Erteilung der Lenkerberechtigung im Ausland) - zum Ausdruck gebracht. Aus diesem Verständnis folgt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers schon deshalb nicht, daß der Antrag „exakt am Tage nach Ablauf der Einjahresfrist nach Wohnsitzbegründung“ gestellt werden muß, um überhaupt eine inländische Lenkerberechtigung erlangen zu können, weil der Antrag bereits nach Verstreichen von sechs Monaten ab Begründung des ordentlichen Wohnsitzes in Österreich gestellt werden kann und diesfalls nach dem oben Gesagten auch das vorangegangene, innerhalb des Jahres vor der Antragstellung gelegene Lenken im Ausland zu berücksichtigen ist (sofern dieses „aufgrund der im Ausland erteilten Lenkerberechtigung“ erfolgt ist). Weiters schadet selbst ein erst geraume Zeit nach Ablauf der Einjahresfrist nach Wohnsitzbegründung gestellter Antrag dann nicht, wenn der Antragsteller im Zeitraum zwischen dem Ende des besagten Jahres und der Antragstellung eine Fahrpraxis im Ausland, in ausreichendem Ausmaß glaubhaft zu machen vermag. Schließlich muß auch dann, wenn ein Antragsteller (wie im Beschwerdefall) Fahrzeuge der in Frage kommenden Gruppe aufgrund seiner im Ausland erteilten Lenkerberechtigung ausschließlich in Österreich gelenkt hat und dieses Lenken im Jahr ab der Wohnsitzbegründung in Österreich erfolgt ist, der Antrag nicht „exakt am Tag nach Ablauf“ dieses Jahres gestellt werden. In einem so gelagerten Fall wird es allerdings darauf ankommen, daß der Antrag nicht erst geraume Zeit später gestellt wird, weil nur auf diese Weise dem objektiv erkennbaren Zweck der Norm Rechnung getragen wird, nämlich nur bei einer im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Antragstellung stehenden (glaubhaft gemachten) Mindestfahrpraxis den Nachweis der fachlichen Befähigung durch eine inländische Lenkerprüfung entfallen zu lassen.

Der Beschwerdeführer hat behauptet, vor seiner Einreise nach Österreich (11. November 1981) Kraftfahrzeuge der Gruppe A in Polen, und ab dem genannten Zeitpunkt in der Zeit vom 1. April 1982 bis zum 30. Juni 1983 Kraftfahrzeuge der Gruppe B in Österreich gelenkt zu haben. Da nach dem Gesagten nur das im Zeitraum eines Jahres vor der Antragstellung (31. Mai 1983) erfolgte Lenken zu berücksichtigen war, der Beschwerdeführer zufolge des § 64 Abs. 5 KFG 1967 nur bis zum 11. November 1982 „aufgrund der im Ausland erteilten Lenkerberechtigung“ solche Kraftfahrzeuge gelenkt hat und der Antrag überdies erst nach Ablauf von mehr als sechs Monaten ab dem Ende des auf die Wohnsitzbegründung in Österreich folgenden Jahres (sohin jedenfalls geraume Zeit später) gestellt wurde, hat die belangte Behörde zu Recht angenommen, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft gemacht, „seit mindestens einem Jahr“ Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B gelenkt zu haben. Die angefochtene Entscheidung entspricht daher dem Gesetz. Demgemäß war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VWGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Hinsichtlich der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes wird an dessen Geschäftsordnung BGBl. Nr. 45/1965 erinnert.

Wien, am 16. Oktober 1985

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