European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1984100122.X00
Spruch:
Der Senat 10 des Verwaltungsgerichtshofes ist nach dessen Geschäftsverteilung zur Erledigung dieser Beschwerde unzuständig.
Begründung
Mit Präsidialverfügung vom 14. Juni 1984 wurde die Beschwerdesache Zl. 84/01/0125 "zuständigkeitshalber" dem Senat 10 zur Bearbeitung zugewiesen. Hiebei erhielt die Sache das Aktenzeichen Zl. 84/10/0122 zugeteilt. Bei der Beschwerdesache Zl. 84/01/0125 handelte es sich um jenen Teil der mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1984, B 8/83-23, an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen und dem Senat 11 des Verwaltungsgerichtshofes zur Zl. 84/11/0105 zugewiesenen Beschwerde, hinsichtlich welches Berichter und Vorsitzender dieses Senates dessen Unzuständigkeit und die scheinbare Zuständigkeit des Senates 01 behaupteten. Im betreffenden Schreiben des Vorsitzenden des Senates 11 des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Mai 1984 heißt es diesbezüglich:
"... daß die vorliegende Beschwerdesache nur insoweit in die Zuständigkeit des Senates 11 fällt, als sich der Bfr. gegen die vorläufige Abnahme des Führerscheines durch Sicherheitswachebeamte der Bundespolizeidirektion St. Pölten wendet. Im übrigen scheint die Zuständigkeit des Senates 01 vorzuliegen (siehe insb. S. 12 des Erk. des VfGH B 8/83-24)."
Vom Verfassungsgerichtshof war in diesem zitierten Erkenntnis die Beschwerde im Umfang ihrer Abweisung an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten worden. Die Abweisung der Beschwerde bezieht sich - sieht man von jenem Teil ab, hinsichtlich dessen die Zuständigkeit des Senates 11 des Verwaltungsgerichtshofes durch dessen Vorsitzenden und Berichter laut dem Schreiben des Vorsitzenden vom 3. Mai 1984 unbestritten blieb - darauf, daß der Beschwerdeführer dadurch,
"daß Sicherheitswachebeamte dieser Behörde (sc.: der Bundespolizeidirektion St. Pölten) am 25. November 1982 zwischen 18.00 und 18.30 Uhr im Wachzimmer Rathausplatz Körperkraft gegen ihn anwendeten und seine Kleidung beschädigten,"
weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden ist.
Die Beschwerdesache Zl. 84/01/0125, welche nun auf Grund des die Zuständigkeit des Senates 01 verneinenden Schreibens des Vorsitzenden dieses Senates vom 21. Mai 1984 mit der eingangs erwähnten Präsidialverfügung dem Senat 10 des Verwaltungsgerichtshofes zugewiesen worden ist, erstreckt sich daher auf jenen Teil der Beschwerde, mit dem vom Beschwerdeführer geltend gemacht wird,
"... dadurch, daß Sicherheitswachebeamte dieser Behörde (sc.: der Bundespolizeidirektion St. Pölten) am 25. November 1982 zwischen 18.00 und 18.30 Uhr im Wachzimmer Rathausplatz Körperkraft gegen ihn anwendeten und seine Kleidung beschädigten,"
in einem sonstigen Recht verletzt worden zu sein.
Die Unzuständigkeit des Senates 01 des Verwaltungsgerichtshofes war im Schreiben des Senatsvorsitzenden dieses Senates damit begründet worden, der Vorfall habe sich
"im Zusammenhang mit Verwaltungsstrafverfahren bzw. Verwaltungsverfahren wegen
- 1. Störung der Ordnung,
- 2. ungestümen Benehmens,
- 3. Verletzung des öffentlichen Anstandes,
- 4. Erregung ungebührlichen störenden Lärmes,
- 5. Übertretung der Straßenverkehrsordnung
- 6. Abnahme des Führerscheins,
(siehe Seite 6 des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes und die dort zitierten Geschäftszahlen der Bundespolizeidirektion St. Pölten)"
ereignet. Für die unter 1. bis 4. genannten Verwaltungsstrafsachen wäre nach der geltenden Geschäftsverteilung der Senat 10 für die unter 5. genannte Verwaltungsstrafsache der Senat 02 und für die unter 6. genannte Verwaltungssache der Senat 11 des Verwaltungsgerichtshofes zuständig.
Die eingangs erwähnte Präsidialverfügung vom 14. Juni 1984 mit welcher die Beschwerdesache Zl. 84/01/0125 zuständigkeitshalber dem Senat 10 zur weiteren Bearbeitung zugewiesen wurde, enthält jedoch keine Einschränkung etwa in dem Sinn, daß die Beschwerde, soweit sie "im Zusammenhang" mit einem Verwaltungsstrafverfahren der Übertretung der Straßenverkehrsordnung und einem Verwaltungsverfahren der Abnahme des Führerscheines stehe, nicht dem Senat 10 zugewiesen werde.
Vom Senat 10 des Verwaltungsgerichtshofes war vorerst von Amts wegen die Frage zu prüfen, ob in der ihm durch die eingangs erwähnte Präsidialverfügung im dargelegten Umfang zugewiesenen Beschwerdesache für den Fall seines Einschreitens die Gerichtsbesetzung durch ihn dem Gesetz entspricht. Auf Grund folgender Überlegungen ist dies nach Ansicht des Senates 10 des Verwaltungsgerichtshofes nicht der Fall, weshalb sich der Senat 10 des Verwaltungsgerichtshofes auf Grund der geltenden Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtshofes für die Erledigung der ihm zugewiesenen Beschwerdesache für unzuständig erachtet:
Für die Beurteilung, welcher Senat nach der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtshofes für eine vom Verfassungsgerichtshof an ihn abgetretene Beschwerde gemäß Art. 131 a B-VG zuständig ist, kann nicht der Sachverhalt maßgebend sein, den der Verfassungsgerichtshof zur Begründung seines Erkenntnisses festgestellt hat - an diesen ist der Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung der Beschwerde nicht gebunden, sondern hat den Sachverhalt selbständig festzustellen -, aber auch nicht der von der belangten Behörde im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof behauptete Sachverhalt oder jener, der sich aus bereits den Verwaltungsakten oder den Akten des Verfassungsgerichtshofes entnehmbaren Ermittlungsergebnissen allenfalls feststellen ließe, sondern einzig und allein jener Sachverhalt, den der Beschwerdeführer zur Stützung seiner dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde behauptet. Ginge man nicht von dieser Rechtsansicht aus, müßte bereits bei Prüfung der Frage, welcher Senat nach der Geschäftsverteilung zuständig ist, die Beurteilung der Wahrhaftigkeit des Beschwerdevorbringens, welche erst durch den zuständigen Senat bei Erledigung der Beschwerde vorzunehmen ist, vorweggenommen werden. Eine solche Vorgangsweise kann weder der Absicht des Gesetzgebers bei Schaffung des § 11 Abs. 2 VwGG 1965 unterstellt werden, noch der Absicht der Vollversammlung bei Beschlußfassung über die geltende Geschäftsverteilung. Auch der Wortlaut dieser Geschäftsverteilung bietet hiefür keinen Anhaltspunkt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß eine Verwerfung der Richtigkeit der Beschwerdebehauptungen von vornherein, lediglich zum Zwecke der Zuweisung der Sache an den für die Geschäftsverteilung zuständigen Senat, ein Vorurteil gegenüber den Behauptungen in der Beschwerde zum Ausdruck brächte, welches mit der Verpflichtung des Gerichtes zur Unbefangenheit (§ 31 Abs. 1 Z. 5 VwGG 1965) nicht vereinbar erschiene.
Diese Überlegungen führen im vorliegenden Fall zu folgendem Ergebnis:
Der Beschwerdeführer stützt seine Beschwerde - soweit diese im Rahmen ihrer Zuweisung durch die eingangs zitierte Präsidialverfügung an den Senat 10 des Verwaltungsgerichtshofes im gegebenen Zusammenhang eine Rolle spielt - auf die Behauptung, nachdem er der Aufforderung des Wachebeamten, sich auf das Wachzimmer zu begeben, Folge geleistet habe, habe er wegen der bereits vorher aufgestellten Behauptung des Wachebeamten, beim Beschwerdeführer, welcher von einer Verkehrsteilnehmerin wegen eines angeblichen Kraftfahrzeugunfalls mit geringfügigem Sachschaden zur Anzeige gebracht worden war, seien Zeichen der Alkoholisierung festgestellt worden, die Vorführung zu einem Amtsarzt zur klinischen Untersuchung bzw. Abnahme des Blutes zur Alkoholbestimmung verlangt. Hierauf sei der Beschwerdeführer von den Wachebeamten gröblich mißhandelt und herumgestoßen worden; obwohl die Wachebeamten sofort erklärt hätten, daß ihnen der Beschwerdeführer ohnedies zur Genüge bekannt sei und der Beschwerdeführer auch über Verlangen sofort seinen Führerschein übergeben habe, sei er ohne weiteren Grund weiter festgehalten, herumgestoßen, vorne bei der Kleidung gepackt und hin- und hergeschüttelt und gegen die Mauer gestoßen worden, dabei seien die Knöpfe von Hemd und Weste abgerissen und die Kleidung beschmutzt und beschädigt worden. Ein weiterer Wachebeamter mit schwarzen Haaren habe auf den Beschwerdeführer eingeschlagen und ihm zweimal die Zigarette aus dem Mund geschlagen. Der Beschwerdeführer sei daran gehindert worden, irgendwelche Erklärungen zur Aufklärung des von der Anzeigerin behaupteten Vorfalls abzugeben und die Zulassungspapiere seien von ihm nie verlangt und auch nicht eingesehen worden, obwohl der Beschwerdeführer sie mitgehabt habe. Die Verständigung des Polizeiamtsarztes sei ausdrücklich verweigert worden, obgleich der Beschwerdeführer die Beiziehung eines Amtsarztes im Sinne des § 5 Abs. 7 StVO und die Vorführung zum Amtsarzt verlangt habe. Der Beschwerdeführer sei vom Wachkommandanten wiederholt angeschrien worden, daß der Beschwerdeführer verhaftet werde, der Wachkommandant habe dann auch bei einer anderen Dienststelle angerufen und es seien zwei weitere Wachebeamte erschienen, welche sich an der Handlung nicht beteiligt hätten. Nach über einer halben Stunde sei dem Beschwerdeführer erklärt worden "schleichen's ihna", es sei ihm die Bescheinigung über die Abnahme des Führerscheines neuerlich übergeben worden, nachdem darin noch die Worte "aggressives Verhalten" nachträglich eingesetzt worden seien.
Weder dieses Vorbringen, noch das übrige Vorbringen in der Beschwerde bieten den geringsten Anhaltspunkt für eine zur Stützung der Beschwerde vorgetragene Behauptung, die Anwendung von Körperkraft gegen den Beschwerdeführer und die Beschädigung seiner Kleider jeweils durch Sicherheitswachebeamte der Bundespolizeidirektion St. Pölten im Wachzimmer Rathausplatz am 25. November 1982 zwischen 18.00 und 18.30 Uhr habe sich im Zusammenhang mit einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Störung der Ordnung, wegen ungestümen Benehmens, wegen der Verletzung des öffentlichen Anstandes oder wegen der Erregung ungebührlichen störenden Lärmes ereignet. Vom Beschwerdeführer wurden derartige ihm angelastete Verhaltensweisen auch im Zuge des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof stets bestritten. In der Beschwerde wurde von ihm ausdrücklich behauptet, die Wachebeamten hätten ihr inkriminiertes Verhalten "ohne weiteren Grund" gesetzt.
Es ist daher nicht denkmöglich, davon auszugehen, der Beschwerdeführer wolle eine Überschreitung der Befugnisse der Wachebeamten im Zuge gegen ihn wegen der Verwaltungsübertretungen der Störung der Ordnung, des ungestümen Benehmens, der Verletzung des öffentlichen Anstandes oder der Erregung ungebührlichen störenden Lärmes geführter Verwaltungsstrafverfahren geltend machen. Die Behauptungen des Beschwerdeführers zur Stützung seiner Beschwerde gehen einzig und allein dahin, die von ihm behaupteten Übergriffe, deren Gesetzwidrigkeit er festgestellt haben will, seien ohne jede Veranlassung durch ihn und daher völlig grundlos im Zuge der von den Wachebeamten vorgenommenen Überprüfung der Anzeige wegen des angeblichen Verkehrsunfalles erfolgt.
Somit bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Senat 10 des Verwaltungsgerichtshofes nach dessen geltender Geschäftsverteilung für die Behandlung der Beschwerde zuständig sein könnte. Dies war von diesem Senat von Amts wegen bei Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Gerichtsbesetzung wahrzunehmen und entsprechend festzustellen.
Wien, am 9. Juli 1984
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