European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1984080106.X00
Spruch:
Das Verfahren wird eingestellt.
Begründung
1.1. Der Antragsteller hat dem Verwaltungsgerichtshof die Ablichtung eines Bescheides des Landesarbeitsamtes Wien vom 26. April 1984, betreffend Widerruf und Rückforderung unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes gemäß § 24 Abs. 2 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG 1977, vorgelegt, auf dessen letzte Seite er handschriftlich einige Sätze in türkischer Sprache geschrieben hatte.
1.2. Am 13. Juni 1984 wurde dem Antragsteller die Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1984 nachstehenden Inhaltes nachweislich zugestellt:
„Eingaben vor dem Verwaltungsgerichtshof sind (nach Maßgabe des Art. 8 B VG) in der deutschen Sprache abzufassen.
Um Ihre Eingabe überhaupt in Behandlung ziehen zu können, ist es erforderlich, daß Sie
binnen vier Wochen
nach Zustellung dieser Aufforderung eine von einem gerichtlich beeideten Dolmetscher oder Übersetzer für die türkische Sprache beglaubigte Übersetzung dieses Ihres Anbringens vorlegen.
Gleichzeitig ist die Ihnen mit dieser Verfügung zurückgestellte Ausfertigung des vorgelegten Bescheides, die Ihre handschriftliche Eingabe in türkischer Sprache enthält, samt Beilagen, wieder vorzulegen.
Sie werden gemäß § 62 VwGG 1965 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 AVG 1950 darauf aufmerksam gemacht, daß Ihr Anbringen nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist nicht mehr berücksichtigt wird.“
1.3. Dieser Aufforderung hat der Einschreiter bis heute nicht entsprochen.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. b VwGG 1965 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1982 gebildeten Dreiersenat erwogen:
2.1. § 13 Abs. 3 AVG 1950 in der Fassung BGBl. Nr. 199/1982 lautet:
„Formgebrechen schriftlicher Eingaben wie auch das Fehlen einer Unterschrift berechtigen an sich die Behörde noch nicht zur Zurückweisung; sie hat deren Behebung von Amts wegen zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen oder die schriftliche Bestätigung telegraphischer, fernschriftlicher, mündlicher oder telefonischer Anbringen mit der Wirkung auftragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden Frist nicht mehr berücksichtigt wird. Wird das Formgebrechen rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.“
Diese Bestimmung findet gemäß § 62 Abs. 1 VwGG 1965 auch auf Anbringen vor dem Verwaltungsgerichtshof (z. B. Beschwerden, Wiedereinsetzungs- und Wiederaufnahmeanträge) Anwendung.
Gemäß Art. 8 B VG ist die deutsche Sprache, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechten, die Staatssprache der Republik.
Schriftliche und mündliche Anbringen sind somit grundsätzlich in der deutschen Sprache (Art. 8 B VG) zu formulieren; ebenso wie bei unzulässigen kann auch bei fremdsprachigen Eingaben von der Behörde nach § 13 Abs. 3 AVG 1950 vorgegangen werden (vgl. Hauer Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens 1982, 99, Anm. 13). Eine Ausnahme der im Art. 8 B VG umschriebenen Art kommt hier offensichtlich nicht in Betracht.
Auch aus Art. 131 des Abkommens der Republik Österreich mit der Türkischen Republik vom 20. Oktober 1966, BGBl. Nr. 337/1969, in der Fassung des Zusatzabkommens vom 6. August 1974, BGB1. Nr. 621/1976, und des zweiten Zusatzabkommens vom 30. November 1979, BGBl. Nr. 348/1980, ergibt sich nichts anderes, da sich der sachliche Geltungsbereich dieses Abkommens zufolge seines Art. 2 nicht auf Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung erstreckt und weil darüber hinaus auch Art. 31, wonach die Verwaltungsbehörden und Versicherungsträger eines Vertragsstaates die bei ihnen eingereichten Anträge und sonstigen Schriftstücke nicht deshalb zurückweisen dürfen, weil sie in der Amtssprache des anderen Vertragsstaates abgefaßt sind, seinem klaren Wortlaut nach nicht auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren angewendet werden könnte. Bemerkt wird dazu, daß auch der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall keineswegs mit sofortiger Zurückweisung der in türkischer Sprache abgefaßten Eingabe vorgegangen ist, sofern dem Einschreiter eine Verbesserungsfrist eingeräumt hat, welche jedoch ungenützt verstrichen ist.
§ 39a AVG 1950 in der Fassung BGBl. Nr. 199/1982 betreffend Dolmetscher und Übersetzer hingegen bezieht sich, wie die systematische Stellung dieser Bestimmung im II. Teil des AVG („Ermittlungsverfahren“), 1. Abschnitt („Zweck und Gang des Ermittlungsverfahrens“) zeigt, nur auf das Ermittlungsverfahren, nicht aber auf Anbringen im Sinne des § 13 AVG 1950.
2.2. Der Einschreiter ist nun dem vom Verwaltungsgerichtshof erteilten, auf § 13 Abs. 3 AVG 1950 gestützten Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen.
Aus den vorstehenden Erwägungen war das Verfahren somit einzustellen.
Wien, am 15. Oktober 1984
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)