VwGH 84/07/0111

VwGH84/07/011117.4.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Starlinger, über die Beschwerde der Gemeinde X, Bezirk Graz-Umgebung, vertreten durch Dr. Hans Kortschak, Rechtsanwalt in Leibnitz, Hauptplatz 33, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 31. Jänner 1984, Zl. 511.090/01-I 5/84, betreffend Vorschreibung zusätzlicher Auflagen und Verlängerung der Bauvollendungsfrist für eine Deponie für Sonderabfälle (mitbeteiligte Partei: Ing. KB in X), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs2 impl;
WRG 1959 §33 Abs2;
AVG §68 Abs2 impl;
WRG 1959 §33 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Beschwerdevorbringen und den der Beschwerde angeschlossenen Aktenstücken ist davon auszugehen, daß dem Mitbeteiligten (MB) mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark (LH) vom 5. September 1980 gemäß den §§ 32 Abs. 2 lit. a und b, 99 Abs. 1 lit. c, 107 und 111 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung a) für die Errichtung und den Betrieb einer geordneten Deponie für Sonderabfälle auf bestimmten Grundstücken der KG X und b) zur fallweisen Einbringung von Sickerwässern in den P-bach bei Erfüllung und Einhaltung verschiedener Auflagen und Bedingungen erteilt wurde. Für die Bauvollendung der Sonderabfalldeponie wurde in demselben Bescheid des LH gemäß § 112 Abs. 1 WRG 1959 eine Frist bis 30. Juni 1983 bestimmt. Eine von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft (der belangten Behörde) mit Bescheid vom 19. Februar 1981 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 zurückgewiesen, der Bescheid des LH vom 5. September 1980 ist in Rechtskraft erwachsen.

Nach dem Beschwerdevorbringen sind in der Folge, vor allem im Zuge des Verfahrens zur gewerbebehördlichen Genehmigung der Deponie des MB Bedenken an der Richtigkeit der der wasserrechtlichen Bewilligung zugrunde gelegten geologischen Annahmen aufgetreten, denen zufolge sich der MB veranlaßt gesehen habe, auch im Sektor I wie zuvor im Sektor III der Deponie eine zusätzliche Kunststoffolienabdichtung anzubieten. Dazu habe der Amtssachverständige erklärt, daß nach dem Katalog der abzulagernden Stoffe zu erwarten sei, daß keine Sickerwässer anfallen würden, die die "Schlegel-Platte-Kunststoffolienabdichtung" angreifen könnten, sodaß diese Art der Abdichtung dicht sei.

Mit Bescheid des LH vom 20. Dezember 1983, dem nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin keine weitere mündliche Verhandlung vorausgegangen ist, wurde in Spruch I die Bauvollendungsfrist bis 31. Oktober 1984 erstreckt. In Spruch II wurden gemäß den §§ 33 Abs. 2 und 99 Abs. 1 lit. c WRG 1959 hinsichtlich der Errichtung und des Betriebes der wasserrechtlich bewilligten geordneten Deponie für Sonderabfälle folgende zusätzliche Auflagen vorgeschrieben:

1.) Der im genannten Bescheid als "Sektor I" bezeichnete Teil der geordneten Deponie ist mit einer verschweißten Kunststoffolie auszukleiden. Die Verschweißung ist von einem befugten Unternehmen auszuführen und ist über die Dichtheit der Schweißnähte der Wasserrechtsbehörde ein Prüfprotokoll vorzulegen. Desgleichen ist vor dem Beginn der Deponie nachzuweisen, daß die verwendete Folie gegen die gelagerten Materialien chemisch und mechanisch widerstandsfähig ist.

2.) Die Sickerwasserdrainagen sind daher auf dieser Kunststoffolie zu verlegen.

3.) Sollte im Sektor II keine Kunststoffolie verlegt werden, so ist durch eine Bodenuntersuchung sicherzustellen, daß der Boden im Sektor II an allen Stellen mindestens eine 60 cm dicke Lehmschichte und einen Kf-Wert vom 10hoch minus6 cm/s aufweist. Anderenfalls ist geeignetes Material aufzubringen, fachkundig einzubauen und der Wasserrechtsbehörde-Behörde vor Deponiebeginn der Nachweis durch einen Sachverständigen zu erbringen.

In Spruch III dieses Bescheides schließlich wurde gemäß den §§ 27 Abs. 1 lit. a, 29 Abs. 1 und 99 Abs. 1 lit. a WRG 1959 das teilweise Erlöschen der erteilten Bewilligung, und zwar hinsichtlich der Lagerung von Bauschutt, Bodenaushub (ohne Torf und Humus), Garten- und Parkabfällen sowie Asbestabfällen und Asbeststaub, festgestellt.

Die Verlängerung der Bauvollendungsfrist wurde damit begründet, daß infolge der bisher nicht erteilten gewerbebehördlichen Genehmigung von Rechts wegen mit dem Bau der Deponie noch nicht begonnen werden durfte. Spruch II seines Bescheides begründete der LH unter Hinweis auf § 33 Abs. 2 WRG 1959 damit, daß die Frage der ausreichenden Mächtigkeit und Dichtheit der im Bereich der Sektoren I und II notwendigen Lehmdecke nur durch umfangreiche weitere Untersuchungen geologisch geklärt werden könne; die Eignung des Areals zur Lagerung von Sonderabfall sei jedoch durch entsprechende technische Vorkehrungen, eine äußerst sorgfältige Bauausführung und eine verantwortungsbewußte Betriebsführung gegeben. Die vom MB vorgeschlagene Folienisolierung im Sektor I (wie bereits ursprünglich im Sektor III vorgesehen, im Sektor II aber wegen der dort geplanten Lagerung von inertem Material nicht erforderlich) sei vom beigezogenen Sachverständigen positiv begutachtet worden, auf dessen Gutachten auch die zusätzliche den Sektor II betreffende Auflage zurückzuführen sei. Spruch III des Bescheides des LH beruhte auf einem diesbezüglichen Verzicht des MB.

Die gegen Spruch I und II dieses Bescheides von der Beschwerdeführerin erhobene Beschwerde wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde, soweit sie sich gegen Spruch I richtete, gemäß § 66 AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen, hinsichtlich des Spruches II gab ihr die belangte Behörde gemäß § 66 AVG 1950 keine Folge. Gegen die Vorschreibung oder Verlängerung der Bauvollendungsfrist stehe niemandem, außer dem Bewilligungswerber ein Rechtsmittel zu; der Beschwerdeführerin fehle diesbezüglich die Parteistellung. Im übrigen sei die Parteistellung der beschwerdeführenden Gemeinde aber aus den §§ 13 Abs. 3 und 102 Abs. 1 lit. d WRG 1959 abzuleiten, zumal durch wasserpolizeiliche Aufträge nach § 33 Abs. 2 WRG 1959, wie sie der LH im Spruch II seines Bescheides angeordnet habe, potentiell auch das Maß und die Art der Wasserbenutzung verändert werden könnten. Der Beschwerdeführerin stehe allerdings nur ein Abwehranspruch gegen solche Beeinträchtigungen ihres in § 13 Abs. 3 WRG 1959 begründeten Anspruches zu, die aus der Erlassung eines auf § 33 Abs. 2 gestützten Anpassungsauftrages resultierten. Erhöhte Gefährdungen, die sich aus Spruch II ergäben, habe die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht, vielmehr ergebe sich aus dem Berufungsvorbringen, daß sich die erhobenen Einwendungen inhaltlich gegen den zugrunde liegenden wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid richteten. Dieser Bescheid sei durch die nunmehrigen Aufträge nicht in der Richtung einer erhöhten Gefährdung der Interessen der Gemeinde geändert worden. Auf Grund der zusätzlich angeordneten Maßnahmen sei vielmehr zu erwarten, daß ein erhöhter Schutz gegen das Eindringen von Müllinhaltsstoffen in den Untergrund erreicht werden könne. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin stehe daher einerseits die Rechtskraft des Bewilligungsbescheides und andererseits der Umstand entgegen, daß ihr auf die Erlassung zusätzlicher Auflagen nach § 33 Abs. 2 WRG 1959 kein Rechtsanspruch zustehe. Für die Anwendung des § 33 Abs. 2 WRG 1959 setze das Gesetz nicht, wie die Beschwerdeführerin meine, eine bereits bestehende in Betrieb befindliche Anlage vor. Der Bescheid des LH sei auch nicht, wie die Beschwerdeführerin unzutreffend ausführe, in Wahrheit auf § 31 a WRG 1959 gestützt. Inwieweit des weiteren sich aus dem Bescheid des LH Hinweise auf eine Wiederaufnahme des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens und auf eine daraus resultierende Nichtigkeit des Bescheides ergeben sollten, sei unerfindlich und auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage ohne Bedeutung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich insbesondere in ihrem Recht auf Unterlassung von Wasserbenutzungen, die die Wasserversorgung der Gemeindebürger gemäß § 13 Abs. 3 in Verbindung mit § 32 WRG 1959 beeinträchtigen, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die Annahme der belangten Behörde, wonach sich ihre Berufung nur gegen Spruch I und Spruch II des Bescheides des LH gerichtet habe. Da der Beschwerde zur Frage der Verlängerung der Bauvollendungsfrist gemäß Spruch I des Bescheides des LH kein Vorbringen mehr zu entnehmen ist, ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in erster Linie strittig, ob die belangte Behörde dadurch das Gesetz verletzt hat, daß sie - ohne Abhaltung einer weiteren wasserrechtlichen Verhandlung - die in Spruch II dieses Bescheides getroffenen Anordnungen bestätigt hat.

Der LH hat die dort verfügten zusätzlichen Auflagen ausschließlich auf § 33 Abs. 2 WRG 1959 gestützt. Nach dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle sind die zur Reinhaltung getroffenen Vorkehrungen dann, wenn sie unzulänglich waren oder wenn sie im Hinblick auf die technische und wasserwirtschaftliche Entwicklung nicht mehr ausreichen, unbeschadet des verliehenen Rechtes vom Wasserberechtigten in zumutbarem Umfang und gegebenenfalls schrittweise den Erfordernissen anzupassen.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zutreffend auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 1966, Zl. 652/65 = Slg. Nr. 6912 A, hingewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat damals ausgesprochen, Voraussetzung für die Anwendung des § 33 Abs. 2 WRG 1959 sei es, daß eine Berechtigung zur Einwirkung auf die Beschaffenheit von Gewässern vorliege, und daß es Sache der Wasserrechtsbehörde sei, von Amts wegen zu prüfen, ob die im Zusammenhang mit dieser Berechtigung getroffenen Vorkehrungen zur Reinhaltung des Wassers schon seinerzeit unzulänglich gewesen seien oder ob sie im Hinblick auf die technische und wasserwirtschaftliche Entwicklung noch ausreichend seien. Die Bedeutung dieser Bestimmung liege darin, daß sie die Behörde ermächtige, unabhängig von der Rechtskraft von Bescheiden zusätzliche Vorkehrungen zur Reinhaltung der Gewässer in Form von wasserpolizeilichen Verfügungen anzuordnen, durch die sie in die Lage versetzt werden solle, den vom Gesetz gewollten Zustand erforderlichenfalls mit den Mitteln des Verwaltungszwanges herzustellen.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich durch die Ausführungen in der vorliegenden Beschwerde nicht veranlaßt, von dieser Auffassung abzugehen. Hinzuzufügen ist mit Rücksicht auf die Beschaffenheit des nunmehrigen Beschwerdefalles, daß das Gesetz in § 33 Abs. 2 WRG 1959 keine Unterscheidung dahin gehend trifft, ob der Wasserberechtigte im Zeitpunkt des Auftrages zur Durchführung bestimmter Maßnahmen zur Reinhaltung der Gewässer von seiner wasserrechtlichen Bewilligung bereits Gebrauch gemacht hat oder nicht. Durch die Anordnung solcher Maßnahmen vor Bauvollendung und Inbetriebnahme der wasserrechtlich bewilligten Sonderdeponie wurde daher das Gesetz nicht verletzt.

Mit der beschriebenen Rechtslage sind alle Versuche der Beschwerdeführerin, die im angefochtenen Bescheid angeordneten Maßnahmen in eine "amtswegige Wiederaufnahme" des wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens umzudeuten, wodurch nach ihrer Meinung "die Bekämpfung sämtlicher Bescheide vor dem Verwaltungsgerichtshof in vollem Umfang zulässig" geworden sei, nicht zu vereinbaren. Schon die belangte Behörde hat das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid mit Recht als unverständlich bezeichnet, hat doch der LH seine Anordnungen ausdrücklich und ausschließlich auf § 33 Abs. 2 WRG 1959 gestützt, welche Bestimmung, wie oben ausgeführt, das Vorliegen einer Berechtigung zur Einwirkung auf die Beschaffenheit von Gewässern zur Voraussetzung hat und die Erlassung wasserpolizeilicher Anordnungen unabhängig von der Rechtskraft dieser Berechtigung ermöglicht.

Der Erlassung solcher wasserpolizeilicher Anordnungen hatte nicht zwingend eine mündliche Verhandlung voranzugehen, wie dies § 107 WRG 1959 für ein Bewilligungsverfahren vorsieht. Es liegt daher auch keine Rechtswidrigkeit darin, daß die Wasserrechtsbehörde erster Instanz das - nach der unzutreffenden Meinung der Beschwerdeführerin "offenkundig wiederaufgenommene" - ihren wasserpolizeilichen Anordnungen vorangegangene Verfahren ohne Abhaltung einer Verhandlung durchgeführt hat. Da der beschwerdeführenden Gemeinde ein Rechtsanspruch auf Erlassung allenfalls weitergehender Anordnungen nach dem Gesagten fehlt, konnten ihre Rechte nicht dadurch verletzt werden, daß ihr im Verfahren vor dem LH keine Gelegenheit geboten war, ihrer Auffassung nach wesentliche neu bekannt gewordene Tatsachen vorzubringen. Die Beschwerdeführerin ist auch nicht etwa dadurch in ihren Rechten verletzt worden, daß, wie sie vorbringt, die Parteistellung der Anrainerin HG nicht beachtet worden sei.

Die weiteren Beschwerdeausführungen zur behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides beruhen auf der unrichtigen Annahme der Beschwerdeführerin, ihr sei durch die angebliche "Wiederaufnahme" des Bewilligungsverfahrens wieder die Möglichkeit eröffnet worden, Einwendungen gegen das Projekt des MB vorzubringen. Sämtliche Beschwerdeausführungen zum ungeeigneten Standort der Deponie und zu den unzureichenden technischen Vorkehrungen, unter welchen diese Deponie wasserrechtlich bewilligt worden ist, sind daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun; dasselbe gilt von den Ausführungen der Beschwerdeführerin zur mangelnden Verläßlichkeit des Konsenswerbers.

Gegen die Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach die darin bestätigten, in Spruch II des Bescheides des LH gemäß § 33 Abs. 2 WRG 1959 angeordneten Maßnahmen nicht eine erhöhte Gefährdung der Interessen der beschwerdeführenden Gemeinde, sondern vielmehr einen erhöhten Schutz gegen das Eindringen von Müllinhaltsstoffen in den Untergrund bewirken würden, bringt die Beschwerdeführerin nichts vor. Auch in dieser Richtung liegt somit kein Hinweis auf eine dem angefochtenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit vor.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG 1965 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Mit Rücksicht auf dieses Ergebnis in der Hauptsache erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Wien, am 17. April 1984

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