VwGH 84/07/0006

VwGH84/07/00069.12.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Landesregierungsrat Dr. Müllner, über die Beschwerde des FF in M, vertreten durch Dr. Helmut Hoppel, Rechtsanwalt in Wien IV, Prinz-Lugen-Straße 70, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. November 1983, Zl. VI/3-S-94/2, betreffend Feststellung nach dem NÖ landwirtschaftlichen Siedlungsgesetz 1972, zu Recht erkannt:

Normen

LSGG §4 Abs2 impl;
LSLG NÖ 1972 §4 Abs2 idF 6645-2;
LSGG §4 Abs2 impl;
LSLG NÖ 1972 §4 Abs2 idF 6645-2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid vom 24. August 1983 stellte die Niederösterreichische Agrarbezirksbehörde gemäß § 4 Abs. 2 des NÖ landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes 1972, LGBl. 6645-2 (Paragraphenbezeichnungen beziehen sich in der Folge, sofern nicht anderes angegeben ist, stets auf dieses Gesetz), fest, daß ein vom Beschwerdeführer vorgelegter Übergabsvertrag vom 29. Jänner 1981 betreffend den Erwerb der ideellen Hälfte einer Liegenschaft, keinen der im § 2 aufgezählten Vorgänge zum Gegenstand habe; der Vertrag könne seinem Inhalt nach jedenfalls nicht unter die Vorgänge nach § 2 Abs. 1 Z. 1 bis 5 und 7 fallen; es liege aber auch ein Erwerbsvorgang nach Z. 6 nicht vor, weil im vorliegenden Fall der Erwerbs"vorgang" bereits mit der Verbücherung abgeschlossen worden sei. Der Berufung des Beschwerdeführers gab sodann der Landesagrarsenat beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung mit Erkenntnis vom 23. November 1983 nicht Folge. In der Begründung wurde die Ansicht vertreten, nach der langjährigen Spruchpraxis der Agrarbehörden gelte ein Erwerbsvorgang dann als beendet, wenn er im Grundbuch durchgeführt sei; ein bereits verbücherter Kauf eines Grundstückes sei kein Erwerbsvorgang, sondern habe bereits grundbücherliches Eigentum herbeigeführt; das Rechtsgeschäft des Erwerbes sei nicht mehr "im Gange".

Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich der Beschwerdeführer nach seinem ganzen Vorbringen in dem Recht auf stattgebende Feststellung gemäß § 4 Abs. 2 in Hinsicht des in Rede stehenden Antrages verletzt erachtet.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 2 - diese Regelung deckt sich wörtlich mit jener in § 4 Abs. 2 des Landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetzes BGBl. Nr. 79/1967 - hat die Behörde, sofern die Parteien in verbücherungsfähiger Form abgeschlossene Verträge vorlegen, diese der Zielsetzung des § 1 Abs. 2 entsprechen und einen der im § 2 aufgezählten Vorgänge zum Gegenstand haben, dies an Stelle der Zuteilung (Abs. 1) mit Bescheid festzustellen.

Im vorliegenden Beschwerdefall hat streitentscheidende Bedeutung die Lösung der Frage, ob eine Prüfung eines in verbücherungsfähiger Form abgeschlossenen Vertrages darauf hin, ob er die in der angeführten Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen erfüllt, auch dann zu erfolgen hat oder unterbleiben muß, wenn der der Behörde vorgelegte Vertrag bereits im Grundbuch durchgeführt ist.

Mit einem gleichartigen Rechtsfall hatte sich der Verfassungsgerichtshof in seinem zu § 6 Abs. 3 des Steiermärkischen Landwirtschaftlichen Siedlungs-Landesgesetzes 1969 - eine Bestimmung, die ebenfalls (bis auf das Wort "Agrarbehörde" statt "Behörde") wörtlich mit dem § 4 Abs. 2 des Landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetzes übereinstimmt - ergangenen Erkenntnis vom 7. März 1979, Slg. 8517, beschäftigt und in diesem Zusammenhang, unter Hinweis auch auf die Erläuternden Bemerkungen zum bezeichneten Grundsatzgesetz folgendes ausgeführt:

"Aus § 6 Abs. 3 StLSG 1969 kann nun nicht abgeleitet werden, daß bei Vorlage eines in verbücherungsfähiger Form abgeschlossenen Vertrages, dessen Verbücherung schon durchgeführt ist, der Behörde eine Sachentscheidung verwehrt ist. Geht es bei der in dieser Gesetzesstelle vorgesehenen Feststellung doch allein um die Frage, ob der Vertrag der Zielsetzung des Gesetzes entspricht und einen der im Gesetz aufgezählten Vorgänge zum Gegenstand hat. Diese - objektive Feststellung ist aber unabhängig davon, ob eine Verbücherung noch nicht oder schon stattgefunden hat oder vielleicht gar nicht stattfinden wird. Aus der Wortverbindung 'in verbücherungsfähiger Form abgeschlossene Verträge' kann für die im angefochtenen Bescheid vertretene Meinung nichts abgeleitet werden, denn die vom Gesetzgeber bezüglich der Form des Vertrages getroffene Regelung hat mit der tatsächlichen grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrages nichts zu tun."

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich zur Beantwortung der aufgezeigten Rechtsfrage in Hinsicht der gleichlautenden Bestimmung des im vorliegenden Beschwerdefall anzuwendenden Landesgesetzes der eben wiedergegebenen Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes vollinhaltlich an. Aus dem Begriff "Vorgang" läßt sich für den Standpunkt der belangten Behörde nichts gewinnen, weil hierunter nicht nur der Geschehensablauf, sondern auch das abgeschlossene Ereignis verstanden wird (vgl. auch § 4 Abs. 3, wo von einem bereits erfolgten, also nicht mehr "im Gange" befindlichen Erwerbs"vorgang" die Rede ist). Da die Agrarbehörde im Fall des § 4 Abs. 2 gemäß § 4 Abs. 4 nur entweder stattgeben oder ablehnen kann, also keinen Einfluß in Richtung einer Neugestaltung hat, ist es auch unter diesem Gesichtspunkt für die Beurteilung der Behörde ohne Belang, ob im Einzelfall eine Verbücherung bereits stattgefunden hat.

Da die Agrarbehörden weitere Untersuchungen darüber, ob die im § 4 Abs. 2 (§ 1 Abs. 2, § 2) geforderten Voraussetzungen erfüllt sind, unterlassen haben, ist der Sachverhalt in Verkennung der Rechtslage in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben.

Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen. Wien, am 9. Dezember 1986

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