VwGH 84/05/0228

VwGH84/05/022823.9.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungskommissär Mag. Gehart, über die Beschwerde der GS in P, vertreten durch Dr. Michael Stern, Rechtsanwalt in Wien I, Seilerstätte 22, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 20. September 1984, Zl. II/2‑B‑8417, betreffend einen Auftrag zur Kostenvorauszahlung, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §361
ABGB §833
BauO NÖ 1976 §113
BauRallg
VVG §10 Abs2 lita
VVG §4 Abs2
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1984050228.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde P vom 27. Juni 1979 erging an die Beschwerdeführerin und einen weiteren Miteigentümer gemäß § 113 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung der baupolizeiliche Auftrag zum Abbruch der in einer Niederschrift näher beschriebenen Baulichkeit auf der Parzelle Nr. 1074 Garten, inneliegend in EZ 3081, KG P bis längstens 15. August 1979, da für die genannte Baulichkeit keine baubehördliche Bewilligung vorliege. Eine solche könne aber auch im Falle nachträglicher Antragstellung nicht erteilt werden, weil bereits das Ansuchen vom 16. Juni 1976 unter Hinweis auf § 14 Abs. 3 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes abgelehnt worden sei.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführerin und der weitere Miteigentümer der Liegenschaft Berufung.

Der Gemeinderat der genannten Stadtgemeinde als Berufungsbehörde wies jedoch in einem ausschließlich an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheid vom 29. Dezember 1980 deren Berufung als unbegründet ab und setzte gleichzeitig als Zeitpunkt des Abbruchs des Gebäudes den 31. Mai 1981 fest. Das in der Zwischenzeit über das Bauvorhaben durchgeführte Verfahren sei mit dem Ergebnis rechtskräftig abgeschlossen worden, daß die Baubewilligung versagt worden sei. ‑ Über die Berufung des Zweitmiteigentümers wurde nach der Aktenlage nicht entschieden.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 9. Juli 1984 wurde der Beschwerdeführerin zur Durchführung ihrer auf Grund des Bescheides des Gemeinderates vom 29. Dezember 1980 bestehenden Verpflichtung, das auf der Parzelle Nr. 1074, KG P, ohne Baubewilligung errichtete Gebäude bis längstens 31. Mai 1981 abzubrechen, gemäß § 4 VVG 1950 aufgetragen, als Vorauszahlung der Kosten den Betrag von S 102.000,-- gegen nachträgliche Verrechnung bis zum 10. August 1984 zu überweisen. In der dagegen erhobenen Berufung wurde geltend gemacht, daß der Bescheid nur auf die Beschwerdeführerin „gekommen“ sei, obwohl neben der Beschwerdeführerin noch ein weiterer Miteigentümer bestehe; überdies habe der Bürgermeister bei einer Aussprache zugesagt, daß im Zuge der Raumplanung eine Möglichkeit bestehe, das Gartenhaus bestehen bleiben zu lassen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Vollstreckungsbehörde erster Instanz ab. Begründend führte sie aus, daß Grundlage des erstinstanzlichen Bescheides ein rechtskräftiger Vollstreckungstitel, nämlich der Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde P vom 29. Dezember 1980, bilde; die angeordnete Vollstreckungsmaßnahme sei daher als unzulässig (gemeint wohl: zulässig) anzusehen. Die Vollstreckungsverfügung stimme auch mit dem zu vollstreckenden Bescheid überein. Da der Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung im § 4 VVG 1950 ausdrücklich zugelassen sei, stehe das angeordnete Zwangsmittel nicht in Widerspruch zu § 2 des Gesetzes. Dem Vorbringen, daß der Vollstreckungsbescheid nur an die Beschwerdeführerin ergangen sei, obwohl auch deren Gatte Miteigentümer des genannten Grundstückes sei, werde entgegengehalten, daß nur die Beschwerdeführerin die nachträgliche Baubewilligung des Gebäudes beantragt habe, welche ihr rechtskräftig versagt worden sei. Daher sei auch (nur) ihr der Abbruchauftrag zu erteilen. Damit habe die Bezirkshauptmannschaft nicht rechtswidrig gehandelt, wenn der Bescheid nur an die Beschwerdeführerin ergangen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 2 lit. a VVG 1950 kann die Berufung gegen eine Vollstreckungsverfügung unter anderem dann ergriffen werden, wenn die Vollstreckung unzulässig ist. Gemäß § 113 der Niederösterreichischen Bauordnung ist der Abbruch einer Baulichkeit anzuordnen, wenn für die Baulichkeit keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und eine solche auch im Fall der nachträglichen Antragstellung nicht erteilt werden könnte. Ein derartiger Abbruchauftrag hat sich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes am den Eigentümer des abzubrechenden Gebäudes, also gemäß § 297 ABGB im Zweifel an den Eigentümer des Grundstückes, zu richten, im Falle des Miteigentums an alle Miteigentümer. Dementsprechend ist über den nur in erster Instanz ergangenen, mit Berufung bekämpften Abtragungsauftrag gegenüber dem zweiten Miteigentümer der Liegenschaft noch nicht abgesprochen worden; die Berufung ist nach wie vor beim Gemeinderat der Gemeinde P anhängig; da der Berufung die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt wurde, ist ihm gegenüber der Auftrag (noch) nicht vollstreckbar. Eine Auftragserteilung ausschließlich an die Person, die vergeblich um die Erteilung einer Baubewilligung angesucht hat, ist durch die Rechtslage keineswegs gedeckt, ja die Abweisung des Ansuchens des einen Miteigentümers kann im baupolizeilichen Verfahren dem anderen nicht einmal entgegengehalten werden. Vielmehr ist dort die Frage der Möglichkeit einer nachträglichen Baubewilligung gesondert zu prüfen.

Voraussetzung für einen Kostenvorauszahlungsauftrag ist, daß tatsächlich eine Vollstreckung durch Ersatzvornahme durchgeführt werden kann. Dies steht hier aber deshalb noch nicht fest, da gegen den zweiten Miteigentümer der Liegenschaft noch kein vollstreckbarer Titel hinsichtlich des Abbruches des konsenslosen Gebäudes vorliegt, vielmehr ein Rechtsmittel anhängig ist. Damit kann ein Vorauszahlungsauftrag auch nicht gegen den Miteigentümer erlassen werden, demgegenüber der Abtragungsauftrag in Rechtskraft erwachsen ist.

Die Frage, ob die Vollstreckungsbehörden den gesamten und nicht nur den anteilsmäßigen Vollstreckungsaufwand von der Beschwerdeführerin begehren können, kann daher dahingestellt bleiben.

Da die belangte Behörde die Zulässigkeit der Exekution schon vor Ergehen des Auftrages an den anderen Miteigentümer bejaht hat, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VWGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985, insbesondere auch deren Art. III; Ersatz von Bundesstempeln war allerdings nur im erforderlichen Ausmaß zuzuerkennen.

Wien, am, 23. September 1986

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte