Normen
StarkstromwegeG OÖ 1970 §7;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1984050193.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 8.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 31. Juli 1981 beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Bau- und Betriebsbewilligung für den Neubau der 30-kV-Masttrafostation "O" (Kopfstation) auf dem Grundstück Nr. nn1 in EZ. nn2, KG. W, und den Neubau einer 30-kV-Anschlußleitung, ausgehend bei Mast Nr. 16 der bestehenden 30-kV-Leitung "T", zur geplanten 30-kV-Trafostation "O". Bei der am 22. Oktober 1981 darüber abgeführten Verhandlung gab der Erstbeschwerdeführer noch keine endgültige Stellungnahme ab, da sie (gemeint wohl: beide Beschwerdeführer) mit der mitbeteiligten Partei vorher noch entsprechende privatrechtliche Verhandlungen führen wollten. Der Vertreter der Marktgemeinde T ersuchte um technische Untersuchungen, ob die Leitungstrasse im O-Betriebsgelände, und zwar im Nahbereich des V-Ufers, gespannt werden könnte. Das Gemeindegebiet werde nämlich neben einer Bundes- und Landesstraße von mehreren Bezirksstraßen durch zahlreiche stromführende Hauptleitungen durchsetzt; neue Leitungstrassen würden daher das Landschaftsbild unter Umständen noch zusätzlich beunruhigen. Wegen der privatrechtlichen Gespräche wurde jedoch ersucht, zunächst keinen Bescheid zu erlassen.
Nach Scheitern der Gespräche zwischen den Beschwerdeführern und der mitbeteiligten Partei, die im wesentlichen die Benützung von Wegeverbindungen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der vorliegenden Leitung betrafen, beantragte die mitbeteiligte Partei die Bau- und Betriebsbewilligung für das im angefochtenen Bescheid bewilligte Projekt (das von Mast Nr. 19 der bestehenden 30-kV-Leitung "T" abzweigt). Bei der darüber am 14. April 1982 abgeführten Verhandlung erhob der Erstbeschwerdeführer nachstehende Einwendungen gegen das geänderte Projekt:
"1. Die vorliegende Trassenführung beansprucht im wesentlichen landwirtschaftliche Grundstücke von uns, was zur Folge hat, daß die Bewirtschaftung besonders beeinträchtigt wird (erschwerter Maschineneinsatz).
2. Wie uns aus der Verhandlung vom 22. Oktober 1981 hinreichlich bekannt ist, wäre auch eine Trassenführung möglich, wo hauptsächlich O-Grund beansprucht würde und daher die wirtschaftliche Beeinträchtigung, die wir durch das Projekt, das heute zur Verhandlung steht, nicht hätten.
3. Durch Errichtung der Aschendeponie wurden öffentliche Wege von O zugeschüttet, jedoch wurde ein Ersatzweg neu errichtet und ein öffentlicher Weg verlegt. Da der neu errichtete Zufahrtsweg, welcher noch im Besitz der O ist, eine Trassenführung aufweist (Steilheit), die es uns unmöglich macht, vor allem im Winter und in der Übergangszeit unsere Schwertransporte wie bisher durchzuführen, werden wir gezwungen, immer die Schwertransporte mit Vorspann durchzuführen.
4. Wir würden jederzeit eine Zustimmung geben, wenn der derzeit öffentlich verlegte Weg (am Fuß der Schlackenhalde) für mich jederzeit zur Verfügung steht. Da von der O aber derzeit die Zufahrt zu unserem Betrieb durch Fahrverbotstafeln behindert wird, können wir auch der von uns günstigeren Projektsvariante, welche am 22. Oktober 1981 zu je En-3673-1981 verhandelt wurde, die Zustimmung derzeit nicht geben."
Die Marktgemeinde T gab folgende Stellungnahme ab:
"Abweichend von der bei der energierechtlichen Verhandlung am 22. 10. 1981 abgegebenen Stellungnahme wird ersucht, von einem Amtssachverständigen prüfen zu lassen, ob die Leitungstrasse auch über O-Grund, und zwar im Nahbereich des V-Ufers geführt werden kann. Im übrigen sollte die Freileitungstrasse dort geführt werden, wo das Landschaftsbild nicht wesentlich gestört und die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Grundstücke nicht besonders erschwert wird. Sollte der Amtssachverständige die Trassenführung über OKA-Grund negativ beurteilen, wird ersucht, die Trasse "zu genehmigen, die den Vorstellungen des Herrn RS" (Bfr.) entspricht."
Auch der Vertreter der Bezirksbauernkammer Vöcklabruck sprach sich für das am 22. Oktober 1981 verhandelte Projekt aus.
Der Amtssachverständige für Elektrotechnik und Energiewirtschaft führte zur Frage der Trasse lediglich aus:
"Die im Trassenplan Zeichnung Nr. 208 - 237 (erste Trasse vom 3.3.1982) dargestellte 30-kV-Anschlußleitung stellt eine aus technischer Sicht zweckmäßige Leitungsführung dar. Gegen die Trassenführung im Nahbereich des V-Ufers bestehen aus leitungsbautechnischen Gründen (teilweise steiles bewaldetes Gelände und mehrere notwendige Winkelpunkte in Form von teureren Holz-A-Masten) sowie aus Gründen des § 6 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982 Bedenken."
Nachdem die belangte Behörde über Wunsch der Beteiligten mit der Bescheiderlassung zunächst zugewartet hatte, zog die mitbeteiligte Partei mit Schreiben vom 30. März 1983 das Ansuchen hinsichtlich der Variante I (Verhandlung vom 22. Oktober 1981) zurück und ersuchte um Bescheiderlassung hinsichtlich der Variante II. Daraufhin wurde vom Amtssachverständigen für Elektrotechnik und Energiewirtschaft ein (in den vorgelegten Akten nicht enthaltenes) Gutachten erstellt und eine Abschrift den Beschwerdeführern zwecks Stellungnahme binnen zwei Wochen übersandt; auch eine Äußerung der Beschwerdeführer ist aus dem Akt nicht ersichtlich.
Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei die elektrizitätsrechtliche Bau- und Betriebsbewilligung für den Neubau der 30-kV-Masttrafostation "O" (Kopfstation) auf dem Grundstück Nr. nn3, EZ nn4, KG. W, und den Neubau einer 30-kV-Anschlußleitung ausgehend bei Mast Nr. 19 der bestehenden 30-kV-Leitung T, zur geplanten 30-kV-Trafostation "O" unter den im Gutachten des Amtssachverständigen für Elektrotechnik und Energiewirtschaft in der Verhandlungsschrift enthaltenen Bedingungen und Auflagen. Gleichzeitig wurden die Einwendungen der Beschwerdeführer abgewiesen. Zu den Einwendungen der Beschwerdeführer führte die belangte Behörde aus:
Die im Trassenplan Zeichnung Nr. 208 - 237 vom 3. März 1982 dargestellte ursprünglich geplante erste Trasse stelle aus technischer Sicht eine zweckmäßige Leitungsführung dar. Gegen eine Trassenführung im Nahbereich des V-Ufers bestünden wegen des teilweise steilen Geländes leitungsbautechnische und wirtschaftliche Bedenken. Diese Trasse würde mehrere Winkelpunkte in Form von teuren Holz-A-Masten erfordern. Auch Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes würden in größerem Ausmaß betroffen (§ 6 des Oberösterreichischen Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 1982, LGBl. Nr. 80). Außerdem sei mit den Beschwerdeführern auch über die sogenannte Projektsvariante I, die am 22. Oktober 1981 verhandelt worden sei, keine Einigung erzielt worden. Diese Variante I sei von der mitbeteiligten Partei zur Erreichung eines Kompromisses entgegenkommenderweise nur deshalb ausgearbeitet und zur Verhandlung eingereicht worden, weil die Beschwerdeführer schon bei der Projektierung gegen die nunmehr genehmigte, ursprünglich geplante erste Trasse, die dann als Variante II eingegeben worden sei, Einwendungen erhoben hätten. Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage habe die mitbeteiligte Partei das Ansuchen für die Variante I jedoch zurückgezogen. Wie aus den Stellungnahmen der Beschwerdeführer eindeutig ersehen werden könne, bestünden Differenzen mit der mitbeteiligten Partei nicht so sehr wegen des geplanten Leitungsbaues, sondern auf Grund der Umgestaltung des Wegenetzes in diesem Bereich. Diese Angelegenheiten könnten auch von der Elektrizitätsbehörde nicht entschieden werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht auf Abstimmung der elektrischen Leitungsanlage mit den Erfordernissen der Landeskultur, insbesondere ihrem landwirtschaftlichen Betrieb, und auf Änderung der Leitungsstrecke sowie in ihrem Recht auf vollständige Rechtsmittelbelehrung gemäß § 61 AVG 1950 verletzt.
Sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei erstatteten je eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Vorweg sei darauf hingewiesen, daß der fehlende Hinweis auf ein Devolutionsrecht gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides begründen kann; welche Rechtsfolgen sonst an eine derartige Unterlassung geknüpft sind, kann hier dahingestellt bleiben.
Gemäß § 7 des Oberösterreichischen Starkstromwegegesetzes 1970, LGBl. Nr. 1/1971, hat die Behörde die Bau- und Betriebsbewilligung zu erteilen, wenn die elektrische Leitungsanlage dem öffentlichen Interesse an der Versorgung der Bevölkerung oder eines Teiles derselben mit elektrischer Energie nicht widerspricht. In dieser Bewilligung hat die Behörde durch Auflagen zu bewirken, daß die elektrischen Leitungsanlagen diesen Voraussetzungen entsprechen. Dabei hat eine Abstimmung mit den bereits vorhandenen oder bewilligten anderen Energieversorgungseinrichtungen und mit den Erfordernissen der Landeskultur, des Forstwesens, der Wildbach- und Lawinenverbauung, der Raumplanung, des Natur- und Denkmalschutzes, der Wasserwirtschaft und des Wasserrechtes, des öffentlichen Verkehrs, der sonstigen öffentlichen Versorgung, der Landesverteidigung, der Sicherheit des Luftraumes und des Dienstnehmerschutzes zu erfolgen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu etwa das Erkenntnis vom 10. Mai 1979, Zl. 2253/77) hat der durch eine derartige Leitung betroffene Grundeigentümer schon im Bewilligungsverfahren zur Wahrnehmung seiner Rechte Parteistellung. Dabei kann er geltend machen, daß kein öffentliches Interesse daran bestehe, die geplante Leitung in einer seine Grundstücke berührenden Art (oder wenigstens in der vorgesehenen Weise) auszuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1977, Zlen.1623/75, 2325/75). Ein Mangel des öffentlichen Interesses ist insbesondere dann anzunehmen, wenn bei Abwägung aller Interessen sich eine Leitungstrasse anbietet, die weniger in die Interessen der betroffenen Grundeigentümer eingreift, ohne daß damit öffentliche Interessen verletzt wären. - Dabei obliegt es dem betreffenden Grundeigentümer im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht im Ermittlungsverfahren, entsprechende Möglichkeiten aufzuzeigen. - Falls sich der Bewilligungswerber zu einer Abänderung seines Projektes im Sinne einer solcherart günstigeren Trasse nicht bereit findet, wäre dieses abzuweisen.
Die belangte Behörde hat sich demnach mit Recht mit der erörterten Trassenführung befaßt und hierüber ein - allerdings ungenügendes - Ermittlungsverfahren durchgeführt. Während die Beschwerdeführer gegen die Variante I, die von der mitbeteiligten Partei in der Folge zurückgezogen wurde, keine konkreten Einwendungen erhoben haben, führten sie gegen das in der Folge bewilligte Projekt aus, die Trassenführung habe zur Folge, daß die Bewirtschaftung besonders beeinträchtigt werde, was für die Trasse nach der Variante I nicht zutreffe. - Die übrigen "Einwendungen" beziehen sich auf Wegeverbindungen, die mit dem vorliegenden Projekt nicht zusammenhängen, und auf Erklärungen der Beschwerdeführer, unter welchen Bedingungen sie auch zu dem vorliegenden Projekt ihre "Zustimmung" geben würden. -
Der Umstand, daß auch zur Variante I keine Zustimmung erteilt wurde, hat keine rechtliche Bedeutung, weil das Gesetz eine Zustimmung der betroffenen Grundeigentümer zu einer Trassenführung nicht vorsieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Zl. 1197/73). Das schließt aber nicht aus, daß die zweite in Betracht kommende, wenngleich nicht mehr den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Trasse bei der Prüfung der Bewilligungsfähigkeit des vorliegenden Projektes im Sinne der obigen Ausführungen mit zu erörtern war. In dieser Hinsicht hat die belangte Behörde aber keine ausreichenden Ermittlungen vorgenommen, insbesondere reicht das dem Verwaltungsgerichtshof vorliegende Gutachten des Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung, dem vor allem jeglicher Befund mangelt - auch dem Bescheid selbst ist nicht mehr zu entnehmen - nicht aus, um die Frage zu beurteilen, ob die Behörde den aufgezeigten Aufgaben hinreichend nachgekommen ist. Die im Rahmen der Prüfung der öffentlichen Interessen zu berücksichtigenden Kosten wurden gleichfalls nicht so ausreichend ermittelt, daß eine Gegenüberstellung mit anderen geltend gemachten Trassenvarianten unter Einschluß der Ausführungsart und der erforderlichen Entschädigungssummen hinlänglich möglich wäre. Auch die naturschutzrechtlichen Bedenken gegen die - allerdings fallen gelassene - Variante I wurden nicht in einer nachprüfbaren Weise konkretisiert, abgesehen davon, daß ein Sachverständiger aus diesem Fach nach der Aktenlage nicht beigezogen wurde.
Damit leidet der Bescheid aber an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Infolge Entscheidung über die Beschwerde selbst erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag auf Gewährung aufschienender Wirkung. Soweit nichtveröffentlichte Erkenntnisse zitiert wurden, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auch § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 221/1981.
Wien, am 5. März 1985
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