VwGH 84/02/0016

VwGH84/02/001612.10.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Degischer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schemel, über die Beschwerden des Dr. OS, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Wiener Landesregierung vom 21. November 1983, 1.) Zl. MA 70-IX/S 21/83/Str.

(hg. Zl. 84/02/0016), und 2.) Zl. MA 70-IX/S 40/83/Str. (hg. Zl. 84/02/0017), betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

BStG 1971 Anl1;
Geschwindigkeitsbeschränkung A4 Ostautobahn;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §43 Abs3 lita;
StVO 1960 §43 Abs4;
StVO 1960 §52 Z10 lita;
StVO 1960 §52 Z10a;
StVO 1960 §52 Z19;
StVO 1960 §52 Z8c;
VwRallg impl;
BStG 1971 Anl1;
Geschwindigkeitsbeschränkung A4 Ostautobahn;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §43 Abs3 lita;
StVO 1960 §43 Abs4;
StVO 1960 §52 Z10 lita;
StVO 1960 §52 Z10a;
StVO 1960 §52 Z19;
StVO 1960 §52 Z8c;
VwRallg impl;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. November 1983, Zl. MA 70-IX/S 21/83/Str, wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, am 17. Mai 1982 um 20.32 Uhr "in Wien 2., A 4 bei Mast D 7 Richtung A 20 als Lenker des Pkw ….. die durch Verbotszeichen kundgemachte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um etwa 30 km/h überschritten" und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Zif. 10 lit. a in Verbindung mit § 20 Abs. 1 StVO 1960 begangen zu haben, weshalb über ihn unter Berufung auf § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 600,-- (Ersatzarreststrafe 36 Stunden) verhängt worden ist.

II.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. November 1983, Zl. MA 70-IX/S 40/83/Str, wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, am 22. April 1982 um 8.26 Uhr in "Wien 2, A 4 geg. Lichtmast D 16 als Lenker des Kfz ….. die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erheblich überschritten" und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Zif. 10 lit. a in Verbindung mit § 20 Abs. 1 StVO 1960 begangen zu haben, weshalb über ihn unter Berufung auf § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe in der Höhe von S 700,-- (Ersatzarreststrafe 42 Stunden) verhängt worden ist.

III.

Nach den Begründungen beider Bescheide ging die belangte Behörde jeweils davon aus, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zwar nicht bestritten, jedoch eingewendet habe, daß die Rechtmäßigkeit der Geschwindigkeitsbeschränkung nicht gegeben sei, da es sich hier um eine Autobahn handle. Vor allem im Bereich des Tatortes sei die Autobahn völlig geradlinig, breit, übersichtlich, das Verkehrsaufkommen mäßig, und es gebe keine Ab- oder Zufahrten und überhaupt nichts, was im Sinne des § 43 StVO 1960 eine Verkehrsbeschränkung rechtfertigen würde. Diesem Vorbringen hielt die belangte Behörde in beiden Fällen entgegen, daß jeder Kraftfahrer eine angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung zu befolgen habe, ohne sich auf Überlegungen über den Grund und Zweck derselben einzulassen. Weiters ziehe die Erlassung eines Gebotes oder Verbotes, welches durch entsprechende Verkehrsschilder kenntlich gemacht sei, die Verpflichtung eines Verkehrsteilnehmers nach sich, es ohne Rücksicht darauf zu beachten, ob er die behördliche Anordnung zur Sicherheit des Verkehrs für erforderlich halte oder nicht, da ja ein Verkehrszeichen so lange zu beachten sei, als es aufgestellt sei. Außerdem habe für die erkennende Behörde keine Veranlassung bestanden, daran zu zweifeln, daß "die Verkehrszeichen ordnungsgemäß kundgemacht" gewesen seien. Der Schuldspruch der Behörde erster Instanz sei daher zu bestätigen gewesen. Der Beweisantrag auf neuerliche Stellungnahme der Mag. Abt. 46 sei jedoch abzuweisen gewesen, da dies einer Beweiswiederholung gleichgekommen wäre bzw. das Beweisthema nicht erfaßt hätte, weil lediglich das Verhalten des Beschwerdeführers am Tatort, aber nicht verkehrspolitische Überlegungen der Entscheidung zugrunde liegen könnten. Es folgen noch Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen.

IV.

Über die gegen diese beiden Bescheide erhobenen und wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 in der Fassung des Bundegesetzes BGBl. Nr. 203/1982 gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet in beiden Fällen nicht, die ihm in den angefochtenen Bescheiden jeweils angelasteten Taten begangen zu haben, äußert jedoch, wie schon während des Verwaltungsstrafverfahrens, Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der der gegenständlichen Geschwindigkeitsbeschränkung zugrunde liegenden Verordnung.

Diesen Bedenken vermag sich der Gerichtshof aus nachstehenden Erwägungen nicht anzuschließen:

Entgegen der in den Beschwerden vertretenen Auffassung ist auf Grund der vom Gerichtshof beigeschafften Unterlagen davon auszugehen, daß jene Straße, auf welcher der Beschwerdeführer die in Rede stehenden Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen hat, zu den angegebenen Tatzeiten nicht im Sinne des § 43 Abs. 3 lit. a StVO 1960 zur Autobahn erklärt war, wobei der Ansicht des Beschwerdeführers, die Eigenschaft dieser Straße als Autobahn ergebe sich aus ihrer Aufnahme in das Verzeichnis des Bundesstraßengesetzes 1971 über die Autobahnen, der Wortlaut dieser Bestimmung der Straßenverkehrsordnung 1960 (in der Fassung der 6. Novelle, BGBl. Nr. 412/1976) entgegenzuhalten ist, wonach die Behörde "Bundesstraßen, die das Bundesstraßengesetz 1971, BGBl. Nr. 286, als Bundesautobahn bezeichnet; ……… zu Autobahnen zu erklären hat". Das für die Anwendung des § 20 Abs. 2 StVO 1960 über die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit wesentliche Kriterium ist also nicht die Aufnahme einer Bundesstraße als Autobahn in das erwähnte Verzeichnis des Bundesstraßengesetzes, sondern deren mittels Verordnung der Straßenpolizeibehörde erfolgende Erklärung zur Autobahn. Die Gesetzmäßigkeit der in den Beschwerdefällen maßgebenden Verordnung des Magistrates der Stadt Wien vom 4. Oktober 1977, Zl. MA 46-V 3- 87/77, über eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h ist daher auf dem Boden der Regelung des § 43 Abs. 4 StVO 1960 zu prüfen, wonach die Behörde durch Verordnung die gemäß § 20 Abs. 2 erlaubten Höchstgeschwindigkeiten zu erhöhen hat, wenn es die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs erfordert und aus Gründen der Sicherheit des Verkehrs keine Bedenken dagegen bestehen. Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung wären also unter der Voraussetzung gerechtfertigt, daß die Behörde die im Ortsgebiet auf Grund des § 20 Abs. 2 leg. cit. zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ungeachtet der erwähnten, gesetzlich geforderten Voraussetzungen um mehr als 30 km/h zu erhöhen gehabt hätte. Die in dieser Richtung vom Verwaltungsgerichtshof veranlaßten Ermittlungen haben nun ergeben, daß zu den Tatzeitpunkten auf der Ostautobahn A 4 auf Wiener Gebiet lediglich der sogenannte Freudenauer Ast von der Alberner Hafenzufahrtsstraße über die Schrägseilbrücke und am linken Donaukanalufer bis zum Knoten Prater fertiggestellt war, wobei in der erwähnten Verordnung gleichzeitig eine Mindestgeschwindigkeit von 30 km/h (§ 52 Z. 19 StVO 1960) und ein Fahrverbot lediglich für Fahrräder (§ 52 Z. 8 c leg. cit.) verfügt worden sind, weshalb diese Straße auch von Motorfahrrädern benutzt werden durfte. Schon allein wegen der dadurch erschwerten Bedingungen, durch welche sich die Voraussetzungen für die in Rede stehende Straße im Hinblick auf die Regelung des § 46 Abs. 1 erster Satz StVO 1960 sehr wesentlich von denen einer Autobahn unterscheiden, aber auch unter Bedachtnahme darauf, daß die Ostautobahn in Wien entsprechend der dem Gerichtshof mitgeteiligten Auffassung der zuständigen Behörde mit allen Kurven, Verflechtungsstrecken und Lärmschutzmaßnahmen auf eine Ausbaugeschwindigkeit von 80 km/h ausgelegt ist, kann der Gerichtshof nicht finden, daß die Behörde bei Bedachtnahme auf die im § 43 Abs. 4 StVO 1960 ausdrücklich hervorgehobenen Gründe der Sicherheit des Verkehrs in der genannten Verordnung eine noch höhere als die vorgesehene Höchstgeschwindigkeit zuzulassen gehabt hätte, weshalb auch keine Veranlassung zu einem Vorgehen des Gerichtshofes im Sinne des von ihm zufolge Art. 135 Abs. 4 B-VG anzuwendenden Art. 89 Abs. 2 leg. cit. besteht. Es haben sich auch keine Anhaltspunkte für eine mangelhafte Kundmachung dieser Verordnung ergeben, zumal die diesbezüglichen Verkehrszeichen entsprechend dem gemäß § 44 Abs. 1 StVO 1960 angefertigten Aktenvermerk am 24. Mai 1978 aufgestellt worden sind.

Im Hinblick auf eine diesbezügliche Verfahrensrüge des Beschwerdeführers ist noch festzuhalten, daß die Behörde eine Verordnung so lange anzuwenden hat, so lange sie in Geltung ist, und keine gesetzliche Bestimmung besteht, die die belangte Behörde verpflichtet hätte, sich mit der Frage der Gesetzmäßigkeit der in Rede stehenden Verordnung auseinanderzusetzen, darüber Beweise abzuführen und in diesem Zusammenhang ihre Erwägungen in die Begründung des angefochtenen Bescheides aufzunehmen. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1982, Zl. 82/02/0164.)

Wenn der Beschwerdeführer schließlich meint, die von der belangten Behörde vorgenommene Änderung der ihm zur Last gelegten Tatbestände sei unzulässig gewesen, weil die gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren in Richtung § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 und nicht hinsichtlich von Übertretungen des § 20 Abs. 1 leg. cit. geführt worden seien, so ist darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde in beiden Fällen den Spruchteil gemäß § 44 a lit. a VStG 1950 des Bescheides der Behörde erster Instanz infolge diesbezüglicher Bestätigung der Straferkenntnisse unverändert übernommen und sohin dem Beschwerdeführer keine anderen Übertretungen zur Last gelegt hat als die Behörde erster Instanz. Die belangte Behörde hat lediglich den erstinstanzlichen Ausspruch über die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44 a lit. b leg. cit. durch die ergänzende Einfügung des § 20 Abs. 1 StVO 1960 geändert, wozu sie im Hinblick auf § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) berechtigt war, wobei die rechtliche Notwendigkeit dieser Ergänzung dahin gestellt bleiben kann, weil dem Beschwerdeführer jedenfalls zutreffend Übertretungen des § 52 Z. 10 a StVO 1960 vorgeworfen worden sind. (Vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. März 1980, Zl. 779/78)

Da die behauptete Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide sohin nicht vorliegt, waren beide Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 lit. a und b leg. cit. in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 316/1976 in Verbindung mit Art. I. Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 12. Oktober 1984

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