VwGH 82/05/0183

VwGH82/05/018322.3.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Dr. Draxler, DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Anträge 1) der HK in P, 2) der Dr. GK in P, 3) des FS in P, 4) der SB in P, 5) der Mag. AS in P, 6) des HM in P, und 7) der MN in P, vom 16. November 1982 auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1982, Zl. 81/05/0077-11, abgeschlossenen Verfahrens, den Beschluss gefaßt:

Normen

AVG §69 Abs1;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauRallg impl;
BauRallg;
AVG §69 Abs1;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauRallg impl;
BauRallg;

 

Spruch:

Gemäß § 45 Abs. 4 VwGG 1965 in Verbindung mit § 69 AVG 1950 wird den Anträgen keine Folge gegeben.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. Oktober 1980, Zl. 131/9-Wei-381/22-1980, hatte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Pukersdorf der "G-Gesellschaft m.b.H. & Co KG" in Pukersdorf auf ihr Ansuchen vom 22. April 1980 die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Produktionshalle sowie eines viergeschossigen Stahlbetonskelettbaues samt Nebenanlagen auf dem Grundstück Nr. n/1, inliegend in der EZ. n KG. Pukersdorf, erteilt. Gegen diesen Baubewilligungsbescheid erhoben mehrere Eigentümer dem Bauplatz benachbarter Liegenschaften im Bereiche der Pukersdorfer Z-gasse - darunter auch die nunmehrigen Antragsteller FS, Mag. AS und MN - Berufung. Da der Gemeinderat der Stadtgemeinde Pukersdorf als im innergemeindlichen Instanzenzug oberste anrufbare Behörde (§ 116 Abs. 1 der Bauordnung für Niederösterreich) über die von den zuletzt genannten Antragstellern eingebrachten Rechtsmittel nicht innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 27 VwGG 1965 entschieden hat, machte die Bauwerberin mittels einer beim Verwaltungsgerichtshof am 13. Mai 1981 überreichten Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG gegenüber dem Gemeinderat Verletzung der Entscheidungspflicht geltend. Mit Erkenntnis vom 29. Juni 1982, Zl. 81/05/0077-11, wurden in der Folge - da der versäumte Bescheid von der belangten Behörde auch in dem gemäß § 35 Abs. 2 VwGG 1965 eingeleiteten Vorverfahren nicht nachgeholt wurde - vom Verwaltungsgerichtshof anstelle des säumigen Gemeinderates der Stadtgemeinde Pukersdorf die von den nunmehrigen Antragstellern FS, Mag. AS und MN gegen den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Pukersdorf als Baubehörde erster Instanz vom 16. Oktober 1980 erhobenen Berufungen abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Mit Eingaben vom 16. November 1982, gerichtet an die Stadtgemeinde Pukersdorf zu Handen des Bürgermeisters als Baubehörde erster Instanz, beantragten die Einschreiter unter Berufung auf § 69 AVG 1950 die Wiederaufnahme des mit dem vorzitierten hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1982 abgeschlossenen Baubewilligungsverfahrens "wegen Vorliegens von falschen Maßangaben für die Traufenhöhe des Hauses Z-gasse nn (S)". Zur Begründung dieser inhaltlich gleichlautenden Anträge wird ausgeführt, bei der Bauverhandlung für den Turm-Neubau der G-Gesellschaft m.b.H. & Co KG seien hinsichtlich der Traufenhöhe beim Wohnhaus Z-gasse nn (S) falsche, und zwar zu hohe Maße vorgelegen. Hiedurch habe sich in der Relation des Bauvorhabens zum Wohngebiet ein falsches Bild ergeben. Das Bauverfahren sei somit auf einer falschen Grundlage durchgeführt worden. Es handle sich um Tatsachen, die erst im Zuge des Gewerbeverfahrens bei der gleichen Firma am 10. November 1982 zutage getreten seien. Diese neu hervorgekommenen Tatsachen hätten im Bauverfahren nicht berücksichtigt werden können, weil sie der Behörde nicht bekannt gewesen seien. Es müsse angenommen werden, daß die Behörde bei Kenntnis dieser Tatsache im seinerzeitigen Bauverfahren - bedingt durch die Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes und der Bauordnung und somit alle Anrainer berührend - einen anders lautenden Bescheid erlassen hätte, dies vor allem hinsichtlich der Abwägung der Zumutbarkeit, wie zum Beispiel Sichtbehinderung usw. Außerdem hätten die Einwände und Berufungen der Anrainer eine andersgeartete Begründung erhalten, als durch das Aufliegen der falschen Maße möglich gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese, ihm gemäß § 45 Abs. 4 VwGG 1965 in Verbindung mit § 69 Abs. 4 AVG 1950 vom Bürgermeister der Stadtgemeinde Pukersdorf zuständigkeitshalber vorgelegten Anträge nach Einhaltung der das seinerzeit durchgeführte Baubewilligungsverfahren betreffenden Verwaltungsakten erwogen:

Gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950, welche Bestimmung im vorliegenden Fall im Sinne des § 45 Abs. 4 VwGG 1965 heranzuziehen ist und auf die die Anträge offenkundig allein gestützt werden, ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnisse des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Auf dem Boden dieser Regelung werten es die Antragsteller - anders können ihre Ausführungen nicht verstanden werden - als einen Wiederaufnahmegrund, daß in den von der G-Gesellschaft m. b.H. & Co KG als Bauwerberin vorgelegten und sowohl der über das seinerzeitige Bauansuchen durchgeführten Bauverhandlung als auch der sodann erteilten Baubewilligung zugrunde gelegten Planunterlagen (Bauplänen) beim Wohnhaus des Drittantragstellers FS die Traufenhöhe unrichtig, und zwar zu hoch dargestellt worden sei, und dieser Mangel, wäre er schon vor dem Abspruch über das Baugesuch der Bauwerberin bekannt gewesen, voraussichtlich zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätte. Mit dieser Ansicht lassen die Antragsteller zunächst außer Betracht, daß der Wiederaufnahmetatbestand des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 von einer Verfahrenspartei nur für solche neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel reklamiert werden kann, die neben ihrer Wesentlichkeit für das Resultat des Verwaltungsverfahrens in diesem Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. In diesem Zusammenhang müssen nun aber die Antragsteller gegen sich gelten lassen, daß sie - wie die Verwaltungsakten erweisen und wie von ihnen auch gar nicht in Abrede gestellt wird - dem Baubewilligungsverfahren, dessen Wiederaufnahme sie anstreben, als Parteien (Nachbarn) beigezogen waren (§ 118 Abs. 8 der NÖ. Bauordnung) und sie jetzt Planmängel geltend machen, die sie bei gehöriger Aufmerksamkeit schon im seinerzeitigen Bauverfahren hätten einwenden können. Ganz abgesehen davon, daß das Institut der Wiederaufnahme nicht dazu dient, erkennbare, aber von der Partei konkret nicht erkannte Mangelhaftigkeiten des früheren, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens neu aufzurollen, kann damit aber nicht mit Berechtigung davon die Rede sein, die nun behaupteten, von der Behörde seinerzeit nicht aufgegriffenen Planmängel hätten im Verfahren ohne Verschulden der Antragsteller nicht geltend gemacht werden können. Unabhängig davon, ob die Antragsteller überhaupt damit im Recht sind, daß in den der erteilten Baubewilligung zugrunde liegenden Bauplänen die Traufenhöhe beim Hause des Drittantragstellers unrichtig dargestellt worden sei, läge dementsprechend ein Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 selbst dann nicht vor, wenn der behauptete Darstellungsfehler tatsächlich auf das seinerzeitige Verfahrensergebnis von Einfluß gewesen wäre.

Darüberhinaus verkennen die Antragsteller auch, daß prozessuale Rechte wie dasjenige, die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens zu beantragen, nicht weitergehen können als die Rechte, die im früheren Verfahren geltend gemacht werden durften. Dementsprechend kann daher, bezogen auf ein abgeschlossenes Baubewilligungsverfahren, von Nachbarn eine Wiederaufnahme mit Aussicht auf Erfolg nur unter der Voraussetzung betrieben werden, daß sie die Durchsetzung eines im materiellen Recht verankerten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechts ermöglichen soll (vgl. hiezu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Oktober 1977, Slg. N. F. Nr. 9404/A). In dieser Richtung aber haben die Antragsteller in ihrer Antragsbegründung lediglich darauf hingewiesen, daß die Behörde "vor allem hinsichtlich der Abwägung der Zumutbarkeit, wie zum Beispiel Sichtbehinderung usw."

voraussichtlich zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, wären die behaupteten Planmängel schon seinerzeit wahrgenommen worden. Mit diesem Hinweis haben die Antragsteller nicht dargetan, der Verteidigung welcher subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte im Sinne des § 118 Abs. 8 und 9 der NÖ. Bauordnung ihr Antrag konkret dienen soll. Da der Verwaltungsgerichtshof anhand der Ausführungen der Antragsteller in der Begründung ihres Wiederaufnahmsbegehrens und - unabhängig von den im früheren Verfahren den Antragstellern gegenüber eingetretenen Präklusionsfolgen - der Ergebnisse des seinerzeitigen Baubewilligungsverfahrens auch von sich aus schon deshalb nicht erkennen kann, daß der vorliegende Antrag der Verfolgung konkreter subjektiv-öffentlicher Rechte dient, weil den dem Schutz von Nachbarrechten gewidmeten Vorschriften der NÖ. Bauordnung oder des NÖ. Raumordnungsgesetzes ein allgemeines Verbot der Bewilligung von Bauführungen aus Gründen der Unzumutbarkeit oder der nachteiligen Veränderung bestehender Sichtverhältnisse fremd ist, liegt im vorliegenden Fall auch unter dem zuletzt erörterten Gesichtspunkt kein von den Antragstellern verfolgbarer Wiederaufnahmegrund vor.

Schon aus den aufgezeigten Gründen mußte den Anträgen vom 16. November 1982 auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1982, Zl. 81/05/0077-11, abgeschlossenen Verfahrens daher ein Erfolg versagt werden.

Wien, am 22. März 1983

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