Normen
LAO Wr 1962 §149
LAO Wr 1962 §54
LAO Wr 1962 §7
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1982:1981170077.X00
Spruch:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Gegenschriften sowie die darin gestellten Kostenersatzbegehren der Magistratsdirektion der Stadt Wien werden zurückgewiesen.
Begründung
In seiner Eigenschaft als Obmann des Vereines "W" wurde der Beschwerdeführer mit Haftungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien gemäß § 7 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1972, in Verbindung mit den §§ 2 und 5 leg. cit. zur Haftung für Getränkesteuerschulden in Höhe von S 12.029,-- herangezogen. Im Spruch des Bescheides wurde festgestellt, daß die Steuerschuld "im Betrieb in Wien, Lstraße 5/5" für die Zeit vom 1. Mai bis 24. August 1979 (an diesem Tag war der Verein "W" mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden) entstanden sei.
In der Begründung des Bescheides wurde auf eine amtliche Erhebung durch einen Revisionsbeamten Bezug genommen, die am 14. August 1979 in der Zeit von 15.00 bis 17.00 Uhr am Betriebsort stattgefunden hatte, und bei der die entgeltliche Abgabe von Getränken durch den Verein festgestellt worden war. Da der Beschwerdeführer einer Aufforderung zur Vorlage der Geschäftsaufzeichnungen nicht Folge geleistet habe, sei die Getränkesteuerbemessungsgrundlage im Schätzungswege ermittelt worden.
Mit einem weiteren Haftungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien wurde der Beschwerdeführer auch zur Haftung für Vergnügungssteuer in Höhe von S 28.456,-- sowie Opferfürsorgeabgabe in Höhe von S 316,-- für die Zeit vom 1. Mai bis 24. August 1979 herangezogen und zwar mit der Begründung, daß bei der oben erwähnten amtlichen Erhebung auch festgestellt worden sei, daß der genannte Verein im selben Lokal Filmvorführungen veranstaltet habe. Auch diese Abgaben seien im Schätzungsweg zu ermitteln gewesen, weil der Beschwerdeführer die Geschäftsaufzeichnungen nicht vorgelegt habe.
Der Beschwerdeführer erhob gegen beide Bescheide Berufung. Da dem Verein "W" bisher weder Getränkesteuer noch Vergnügungssteuer bzw. Opferfürsorgeabgabe vorgeschrieben worden sei, bestehe keine Abgabenschuld des Vereins, für die der Beschwerdeführer haften könnte. Im übrigen stütze sich die Abgabenvorschreibung auf eine am 14. August 1979 vorgenommene Erhebung. An diesem Tag habe aber nach Wissen des Beschwerdeführers in dem genannten Lokal keine Veranstaltung des Vereins stattgefunden, anläßlich derer die Verabreichung von Getränken gegen Entgelt bzw. die Erhebung von Eintrittsgeld festgestellt hätte werden können. Abgesehen davon führe die vorgenommene Schätzung deswegen zu keinem einigermaßen richtigen Ergebnis, weil "in der Zeit vom 1. Mai bis 24. August keineswegs ein durchgehender Veranstaltungsbetrieb seitens des Vereins 'W' stattgefunden hat, wie in der Schätzung angenommen wird".
In einem weiteren als "Ergänzung zur Berufung" bezeichneten Schreiben bekräftigte der Beschwerdeführer nochmals, daß zum Zeitpunkt der amtlichen Erhebung keine Filmvorführung des Vereins "W" stattgefunden hätte und daß auch keine Getränke von Organen bzw. Bediensteten des Vereins gegen Entgelt verabreicht worden seien. Die Räume des Vereins seien am 14. August 1979 "von verschiedenen Prostituierten zur Ausübung ihres Gewerbes" benutzt worden. In diesem Zusammenhang könne es auch zur Vorführung von Filmen bzw. zur Verabreichung von Getränken gekommen sein. Es werde hierüber die zeugenschaftliche Einvernahme der IS beantragt.
Bei der daraufhin von der belangten Behörde veranlaßten Einvernahme gab die Zeugin IS an, Eigentümerin jenes Hauses zu sein, in dem sich das vom Verein "W" gemietete Lokal befinde. Bei Abwesenheit der Mitglieder des Vereines seien die Räumlichkeiten von der Zeugin zur Ausübung ihres Gewerbes (Prostitution) verwendet worden. Sie selbst sei nicht Mitglied des Vereins gewesen. Eine Anzeige im Kurier mit dem Wortlaut
"Neueröffnung: Wiens schönster Filmclub, fünf Supermädchen erfüllen jeden Wunsch. L-straße5/5."
sei von ihr in Ausübung ihres Gewerbes aufgegeben worden. Die Erwähnung des Filmclubs sei lediglich als zusätzliche Kundenwerbung für sie gedacht gewesen.
Nach Vorhalt dieser Zeugenaussage erließ die belangte Behörde zwei Berufungsentscheidungen, mit denen sie die Berufungen gegen die beiden Haftungsbescheide abwies. Gegen diese Entscheidungen hat der Beschwerdeführer zwei Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und zwar bezüglich Haftung für Getränkesteuer unter der hg. Zl. 81/17/0077 und bezüglich Haftung für Vergnügungssteuer und Opferfürsorgeabgabe unter der hg. Zl. 81/17/0078. Die Magistratsdirektion Wien hat jeweils eine Gegenschrift vorgelegt, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden im Hinblick auf ihren persönlichen und sachlichen Zusammenhang zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und hierüber erwogen:
Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer als Obmann des Vereins "W" gemäß den §§ 7 und 54 WAO für allfällige Abgaben des Vereins insoweit haftet, als solche Abgaben infolge schuldhafter Pflichtverletzung des Beschwerdeführers nicht eingebracht werden könnten. Weiters ist unbestritten, daß es sich bei den im Haftungsweg geltend gemachten Abgaben ausschließlich um Selbstbemessungsabgaben handelt, und daß derartige Abgaben in Fällen, in denen keine Abgabenerklärung eingereicht wird, auch ohne vorangehende Erfassung eines Abgabenbescheides an den Primärschuldner einem in den §§ 54 ff WAO bezeichneten Vertreter gegenüber unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 leg. cit. geltend gemacht werden können.
In beiden Beschwerden wird lediglich vorgebracht, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, Feststellungen darüber zu treffen, ob der Verein "W" am Tag der amtlichen Erhebung (14. August 1979) im Vereinslokal eine Tätigkeit ausgeübt habe und ob Vereinsmitglieder anwesend gewesen seien. Tatsächlich habe der Verein überhaupt keine abgabenrechtlichen Tatbestände verwirklicht. Somit seien weder die Voraussetzungen für die Schätzung vorgelegen, noch seien die aktenmäßigen Erhebungen als Grundlage für eine Schätzung heranzuziehen.
Diesem Beschwerdevorbringen ist zunächst der Inhalt der Verwaltungsakten entgegenzuhalten:
In einem vom Beschwerdeführer unterzeichneten Schreiben des Vereins vom 11. Juli 1979 wird wörtlich ausgeführt:
"Die Filmvorführung in den Vereinsräumlichkeiten erfolgt also ausschließlich für Mitglieder. Unsere Mitglieder gliedern sich ..... in ordentliche und außerordentliche Mitglieder sowie Ehrenmitglieder. Außerordentliche Mitglieder sind jene, die vor Konsumation der den Mitgliedern gebotenen Filmen einen Mitgliedsbeitrag für die Begründung einer außerordentlichen Mitgliedschaft erlegen. Damit werden die betreffenden Mitglieder gemäß eines Vereinsbeschlusses Mitglieder außerordentlicher Art für einen Tag mit allen ihnen zustehenden Rechten und Pflichten. Ein Inkasso eines Eintrittes erfolgt nicht, die Filmvorführungen sind somit nicht öffentlich, sondern ausschließlich den Vereinsmitgliedern zur Erfüllung des statutarisch bestimmten Vereinszweckes zugänglich. Somit kann eine Festsetzung von Vergnügungssteuer und Opferfürsorgeabgabe nicht vorzunehmen sein, da die Filmvorführungen ja - wie vorher erläutert - nicht öffentlich zugänglich, an keinem der Öffentlichkeit zugänglichen Ort, ausschließlich für Vereinsmitglieder erfolgen."
Zur Abgabe von Getränken wird in demselben Schreiben ausgeführt:
"Der Verein besitzt in den Vereinsräumlichkeiten eine 'Hausbar'. Die sich in der Hausbar befindlichen Speisen und Getränke werden durch die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden ..... angeschafft bzw. finanziert und stehen somit allen Mitgliedern (natürlich auch außerordentlichen Mitgliedern während ihrer Mitgliedschaft = ein Tag) kostenlos zur Verfügung. Eine Bezahlung erfolgt nicht und ist auch nicht vorgesehen. Ein eventuell erfolgter Gelderlag wird ausschließlich als Spende ..... gewertet und kommt somit wieder nach gleichen Bestimmungen zur Erreichung des Vereinszweckes allen Vereinsmitgliedern bzw. dem Verein selbst zugute."
Laut Meldung des Administrationsbüros der Bundespolizeidirektion Wien vom 22. Juni 1979 fand am 19. Juni 1979 um 10.00 Uhr im Vereinslokal eine polizeiliche Kontrolle statt. Dabei wurden folgende Feststellungen getroffen:
"Das Lokal war in Betrieb und zur Zeit der Kontrolle besucht. Es war gerade geöffnet worden. Während der Kontrolle kam ein
Besucher...... Der Veranstaltungsort ist ein renoviertes
Gassenlokal und eine Wohnung. Die Veranstaltungsstätte ist durch den Hauseingang des Hauses, W-gasse 5, Türnummer 5, zu betreten. Gassenseitig ist auf den verklebten Fenstern des Gassenlokales die Aufschrift, Sex-Film-Club von 10.00 bis 20.00, angebracht. Es ist jedermann möglich gegen Bezahlung von S 100,-- Eintritt, die Räumlichkeiten zu betreten. Er kann sich beliebig lange Sexfilme ansehen und bekommt auch Getränke serviert. Laut Auskunft des Veranstalters (als solcher wird der Beschwerdeführer namhaft gemacht) wird dieses Unternehmen im Rahmen eines gemeldeten Vereines, der 'W' seit ca. Anfang Mai 1979 geführt. Das Lokal hat vier Räume, der große Raum, nach dem Vorraum links gelegen, dient als Vorführraum. Es sind derzeit zehn Sessel und vier Tische und eine Bettbank, die Leinwand und der Vorführapparat in dem Raum. In den übrigen Räumlichkeiten wird von Prostituierten ihrer Tätigkeit nachgegangen. Die Räumlichkeiten sind der Öffentlichkeit zugänglich."
Die Feststellungen des Revisionsbeamten bei seiner amtlichen Erhebung am 14. August 1979 wurden von diesem wie folgt festgehalten:
"Es werden entgeltlich Filme vorgeführt. Der Eintritt beträgt S 200,--. Es ergeben sich keinerlei Hinweise, daß es sich hiebei um Mitgliedsbeiträge handelt, wie dies im Schreiben des Vereines vom 11. Juli 1979 ..... angeführt wurde. Im Eintrittspreis ist eine einmalige Konsumation (Dosencola, Dosenbier, ein Glas Wein, 1/4 l, ein Glas Weinbrand, 4 cl) enthalten. Jede weitere Konsumation kostet S 50,--. Weiters wird Sekt, eine Flasche zu S 400,-- angeboten. Im Kühlschrank waren zwei Flaschen eingekühlt. Im Beobachtungszeitraum besuchten vier Personen die Vorführung.
....."
In den beiden Beschwerden selbst wird schließlich ausgeführt, daß "die Gründungsmitglieder, die, sofern weiblich, glaublich alle der Prostitution nachgehen", den Verein und das Vereinslokal dazu benützt haben, "um gemeinsam jene pornographischen Filme zu begutachten und zu erörtern, die sie später bei Ausübung ihres Gewerbes am besten als Aufreizvorspiel einsetzen könnten".
Auf Grund dieser teilweise vom Beschwerdeführer selbst vorgebrachten und teilweise von diesem unwidersprochen gebliebenen Sachverhaltsdarstellung konnte die belangte Behörde unbedenklich zu der Annahme gelangen, daß bei der amtlichen Erhebung, die im Vereinslokal am 14. August 1979 in der Zeit von 15.00 bis 17.00 Uhr, sohin zu einer Zeit durchgeführt wurde, zu der sowohl laut Zeitungsinserat als auch laut der beim Lokal angebrachten Aufschrift eine Vereinstätigkeit zu erwarten war, auch tatsächlich eine dem Verein zurechenbare Tätigkeit festgestellt wurde, zumal diese Tätigkeit, nämlich die Vorführung von pornographischen Filmen, unbestritten dem Vereinszweck entsprach. Da die außerordentliche Mitgliedschaft stets nur für einen Tag begründet werden konnte, ist der Mitgliedsbeitrag in wirtschaftlicher Betrachtungsweise (§ 19 WAO) einem Eintrittsentgelt zu den Veranstaltungen des Vereines bzw. für eine Getränkekonsumation gleichzusetzen. Gleiches gilt für die im Zusammenhang mit der Konsumation weiterer Getränke bezahlten und als "Spenden" bezeichneten Beträge.
Da der Beschwerdeführer als Obmann des Vereins "W" keine Abgabenerklärungen betreffend die streitgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben eingereicht und auch die entsprechenden Geschäftsaufzeichnungen - trotz diesbezüglicher Aufforderung - nicht vorgelegt hat, war die belangte Behörde nicht nur gemäß § 145 WAO zur Schätzung der Abgabenbemessungsgrundlagen berechtigt; sie konnte auch, wie eben dargelegt, die bei der amtlichen Erhebung am 14. August 1979 getroffenen Sachverhaltsfeststellungen als Schätzungsgrundlage heranziehen. Dagegen spricht auch nicht die ganz allgemein gehaltene Zeugenaussage der IS, in der die Frage, ob im Vereinslokal zum Zeitpunkt der amtlichen Erhebung eine dem Verein zurechenbare Tätigkeit ausgeübt worden war, offengeblieben ist.
Gegen die Schätzungsmethode und gegen die Höhe der im Schätzungsweg ermittelten Abgaben wird in den Beschwerden nichts Konkretes vorgebracht. Da sohin die beiden angefochtenen Bescheide nicht mit der vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtswidrigkeit belastet sind, waren die dagegen erhobenen Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Das von der Magistratsdirektion Wien namens der belangten Behördengestellte Kostenersatzbegehren war mangels der erforderlichen Legitimation zurückzuweisen (vgl. auch die Ausführungen im hg. Beschluß vom 22. Februar 1982, Zlen. 81/17/0001 und 0217).
Wien, am 20. Dezember 1982
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