Normen
VwRallg
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur
31992R2913 ZK 1992 Art20
31992R2913 ZK 1992 Art220 Abs2 litb
61991CJ0250 Hewlett Packard VORAB
61991CJ0292 Weis VORAB
62006CJ0173 Agrover VORAB
62010CJ0409 Afasia Knits Deutschland VORAB
62015CJ0183 TSI VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:2013160234.X00
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Beschwerden des Mitbeteiligten gegen die Bescheide des Zollamtes K (im Folgenden: beschwerdeführendes Zollamt) vom 4. Juli 2012 sowie vom 11. September 2012 Folge und sprach aus, dass von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung gemäß Art. 220 Abs. 2 lit. b Unterabsatz 1 Zollkodex (ZK) "Abstand zu nehmen" sei.
Begründend führte die belangte Behörde aus, in den Jahren 2010 und 2011 habe ein Speditionsunternehmen mit zehn Warenanmeldungen in direkter Vertretung des Mitbeteiligten beim beschwerdeführenden Zollamt Aprikosenpüreekonzentrat unter der Warennummer 2008 5092 20 (Zollsatz 10,10%) zur Abfertigung zum freien Verkehr angemeldet. In vier Fällen davon habe eine Dokumentenkontrolle stattgefunden, die zu keiner abweichenden Feststellung geführt habe. Zur zeitlich letzten Zollabfertigung habe der Mitbeteiligte am 11. Mai 2012 eine Musterziehung mit einer anschließenden Untersuchung durch die Technische Untersuchungsanstalt (TUA) des Bundes beantragt. Diese habe mit ETOS‑Befund vorgeschlagen, die untersuchte Ware in die Warennummer 2007 9950 90 (Präferenzzollsatz: 20,50% + € 4,20/100kg) einzureihen. In der Folge seien mit den schon genannten Bescheiden des beschwerdeführenden Zollamtes die ursprünglichen buchmäßigen Erfassungen zu den verfahrensgegenständlichen Abfertigungen "berichtigt" und ein Differenzbetrag an Zoll sowie eine Abgabenerhöhung zur Entrichtung vorgeschrieben worden.
In den dagegen erhobenen Berufungen habe der Mitbeteiligte ausgeführt, zum Zeitpunkt der jeweils erfolgten Abfertigungen wäre die beantragte Zolltarifnummer im Hinblick auf die Erläuterungen zur KN richtig angewendet worden.
Mit den Berufungsvorentscheidungen vom 12. Oktober 2012 und vom 6. November 2012 sei eine Abgabenerhöhung dem Mitbeteiligten zur Gänze gutgeschrieben, im Übrigen das Rechtsmittel mit Hinweis auf die allgemeinen Tarifierungsvorschriften und den Untersuchungsbefund der TUA als unbegründet abgewiesen worden.
In den dagegen gerichteten (Administrativ‑)Beschwerden habe der Mitbeteiligte geltend gemacht, die Einreihung des in Rede stehenden Aprikosenpüreekonzentrats in die Warennummer 2007 9950 90 sei erst ab dem 2. Juni 2012 zulässig, weil zu diesem Zeitpunkt ein irreführender Absatz bei Code 2007 der von der Europäischen Kommission erlassenen Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Union (im Folgenden: Erläuterungen) gestrichen worden sei, der bezüglich Fruchtpürees auf den Code 2008 verwiesen habe. Darüber hinaus habe der Mitbeteiligte ein Absehen von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung wegen eines Irrtums der Zollbehörde begehrt.
Rechtlich führte die belangte Behörde aus, der Wortlaut der Position 2007 der Kombinierten Nomenklatur (KN) nenne in der Überschrift u.a. durch Kochen hergestellte Fruchtmuse, was Anmerkung 5 zu Kapitel 20 leg. cit. dahingehend definiere, dass die Viskosität des Erzeugnisses durch Verringern des Wassergehalts mittels Hitzebehandlung unter atmosphärischem oder vermindertem Druck oder mittels anderer Verfahren erhöht werde. Demgegenüber ordne Abs. 3 der Erläuterungen zur Warennummer 2007 an, dass durch Siebpressung des Fruchtfleisches gewonnene und unter Vakuum auf den Siedepunkt gebrachte Fruchtpürees, deren geschmackliche und chemische Eigenschaften durch die thermische Behandlung nicht geändert worden seien, nicht hierher, sondern zur Position 2008 gehörten. Wegen dieses Widerspruchs seien die Erläuterungen nicht zu berücksichtigen und das vom Mitbeteiligten angemeldete Aprikosenpüreekonzentrat sei daher unter die Warennummer 2007 9950 90 einzureihen gewesen.
Einer nachträglichen buchmäßigen Erfassung stehe Art. 220 Abs. 2 lit. b ZK entgegen, weil die zu geringe Zollfestsetzung im Rahmen der Warenabfertigungen zu den verfahrensgegenständlichen Warenanmeldungen auf einen Irrtum des beschwerdeführenden Zollamtes zurückzuführen sei, hätten doch die Warenanmeldungen die unrichtige Tarifnummer enthalten und werde auch die Warenbezeichnung (Aprikosenpüree) in Form eines Überbegriffs (Fruchtmus) in der Überschrift zur zutreffenden Tarifposition genannt. Zudem habe in vier Fällen nachweislich eine Dokumentenkontrolle stattgefunden und entspreche die Abfertigung des Aprikosenpüreekonzentrats unter der Warennummer 2008 5092 20 beim beschwerdeführenden Zollamt einer langjährigen Verwaltungspraxis. Die genannte Behörde sei daher in einem aktiven Irrtum verfangen gewesen. Da sich der Mitbeteiligte an die von ihm eingeholten Auskünfte bei der Wirtschaftskammer Wien und auch beim Zollamt Wien bezüglich der tarifarischen Einreihung der in Rede stehenden Ware gehalten habe und diese der scheinbar europaweiten Verwaltungspraxis entspreche, sei er außer Stande gewesen, den Irrtum der zuständigen Behörde zu erkennen und habe somit gutgläubig gehandelt. Aus dem Verwaltungsakt gehe schließlich nicht hervor, dass der Mitbeteiligte sonstige, die Zollanmeldung betreffende Vorschriften missachtet hätte. Die "Berichtigung" der buchmäßigen Erfassungen gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK sei somit dem Grunde nach zu Recht erfolgt, der Nachforderung stehe jedoch die Vertrauensschutzregelung des Art. 220 Abs. 2 lit. b Unterabsatz 1 leg. cit. entgegen.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Amtsbeschwerden mit dem Antrag, sie wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:
Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
Der unklare Spruch der angefochtenen Bescheide ist im Zusammenhalt mit deren Begründung dahin zu verstehen, dass die belangte Behörde die bekämpften Berufungsvorentscheidungen dahin geändert hat, dass die Bescheide des Zollamtes vom 4. Juli und 11. September 2012 aufgehoben werden.
Die Kombinierte Nomenklatur (KN) beruht auf dem am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossenen Internationalen Übereinkommen, mit dem das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (HS) eingeführt wurde. Sie übernimmt die Positionen und sechsstelligen Unterpositionen des HS, nur die siebente und die achte Stelle bilden spezielle Unterteilungen der KN.
Nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates in der durch die Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom 31. Januar 2000 geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2658/87 ) veröffentlicht die Europäische Kommission jährlich in Form einer Verordnung die vollständige Fassung der KN zusammen mit den Zollsätzen, wie sie sich aus den vom Rat der Europäischen Union oder von der Kommission beschlossenen Maßnahmen ergeben. Diese Verordnung gilt jeweils ab 1. Januar des folgenden Jahres (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2011, 2008/16/0001).
Im Beschwerdefall sind die verfahrensgegenständlichen Einfuhren in den Jahren 2010 und 2011 erfolgt. Es sind daher die Verordnungen (EU) Nr. 948/2009 der Kommission vom 30. September 2009 und Nr. 861/2010 der Kommission vom 5. Oktober 2010 zur Änderung von Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. L 287/1 vom 31. Oktober 2009, und ABl. L 284/1 vom 29. Oktober 2010, anzuwenden, die in den hier maßgeblichen Bestimmungen gleichlautend sind.
Die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN sind in deren Teil I Titel I Buchstabe A enthalten. Nach deren Nr. 1 sind die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln.
Teil II ‑ Zolltarif der KN enthält den Abschnitt IV, der das Kapitel 20 (Zubereitungen von Gemüse, Früchten, Nüssen oder anderen Pflanzenteilen) enthält.
Anmerkung 5 zu Kapitel 20 lautet:
"Für die Anwendung der Position 2007 bedeutet der Begriff'durch Kochen hergestellt', dass die Viskosität des Erzeugnisses durch Verringern des Wassergehalts mittels Hitzebehandlung unter atmosphärischem oder vermindertem Druck oder mittels anderer Verfahren erhöht wurde."
Das Kapitel 20 umfasst u.a. folgende Positionen:
"...
2007 | Konfitüren, Fruchtgelees, Marmeladen, Fruchtmuse und Fruchtpasten, durch Kochen hergestellt, auch mit Zusatz von Zucker oder anderen Süßmitteln: |
2007 10 | – homogenisierte Zubereitungen: |
... |
|
| – andere |
2007 91 | – – von Zitrusfrüchten: |
... |
|
2007 99 | – – andere: |
| ... |
2007 99 50 | – – – mit einem Zuckergehalt von mehr als 13 bis 30 GHT |
... |
|
2008 | Früchte, Nüsse und andere genießbare Pflanzenteile, in anderer Weise zubereitet oder haltbar gemacht, auch mit Zusatz von Zucker, anderen Süßmitteln oder Alkohol, anderweit weder genannt noch inbegriffen: |
... |
|
2008 50 | – Aprikosen/Marillen: |
... |
|
| – – ohne Zusatz von Alkohol: |
... |
|
| – – – ohne Zusatz von Zucker, in unmittelbaren Umschließungen mit einem Gewicht des Inhalts von: |
|
|
2008 50 92 | – – – – 5 kg oder mehr |
..." |
|
Der auf der Grundlage des Art. 2 der Verordnung Nr. 2658/87 in Form einer Online‑Zolltarifdatenbank geführte "Taric" enthält u.a. die Taric‑Codenummer 2008 50 92 20 mit der Bezeichnung "Aprikosenpülpe/Marillenpülpe".
Die auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2658/87 der Kommission veröffentlichten Erläuterungen zu Kapitel 20 der KN (ABl. C 133 vom 30. Mai 2008, S 1 und C 137 vom 6. Mai 2011, S. 1) lauten auszugsweise und in den hier maßgeblichen Bereichen übereinstimmend:
"2007 Konfitüren, Fruchtgelees, Marmeladen, Fruchtmuse und Fruchtpasten, durch Kochen hergestellt, auch mit Zusatz von Zucker oder anderen Süßmitteln
Wegen des Begriffs "durch Kochen hergestellt" siehe die Anmerkung 5 zu Kapitel 20.
...
Nicht hierher gehören durch Siebpressung des Fruchtfleisches gewonnene und unter Vakuum auf den Siedepunkt gebrachte Fruchtpürees, deren geschmackliche und chemische Eigenschaften durch die thermische Behandlung nicht geändert worden sind (Position 2008).
..."
Das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren ist allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Tarifpositionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der KN festgelegt sind. (vgl. in ständiger Rechtsprechung das Urteil des EuGH vom 10. Dezember 2015 in der Rs. C‑183/15 [TSI GmbH], Rn 24 und das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2011, mwN).
Die Erläuterungen sind, soweit sie nicht in der Form von Verordnungen ergehen, für die Wirtschaftsbeteiligten und die Gerichte unverbindlich, stellen aber ein maßgebliches Erkenntnismittel für die Auslegung der KN dar (vgl. das erwähnte Urteil des EuGH vom 10. Dezember 2015, Rn 25). Widersprechen sie der KN, sind sie unbeachtlich (vgl. Alexander in Witte, Zollkodex6, Rz. 32 zu Art. 20, mwN).
Die vom beschwerdeführenden Zollamt auf der Grundlage des Untersuchungsergebnisses der TUA vorgenommene Einreihung des Aprikosenpüreekonzentrats in die Warennummer 2007 9950 90 wurde von der belangten Behörde bestätigt; dem trat der Mitbeteiligte nicht entgegen. Die im vorgelegten Verwaltungsakt enthaltenen Unterlagen betreffend den Befund der TUA stehen diesem Ergebnis nicht entgegen.
Die belangte Behörde ging nun davon aus, eine nachträgliche buchmäßige Erfassung des bei der Überführung der Ware in den freien Verkehr unter der Warennummer 2008 5092 20 zu gering buchmäßig erfassten Zolls sei wegen Irrtums der Zollbehörde auf Grund des Art. 220 Abs. 2 lit. b ZK nicht zulässig.
Ist der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Art. 218 und 219 ZK buchmäßig erfasst oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, so hat nach Art. 220 Abs. 1 ZK die nachträgliche buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrags oder des nachzuerhebenden Restbetrags zu erfolgen.
Nach Art. 220 Abs. 2 lit. b ZK erfolgt außer in den Fällen gemäß Art. 217 Abs. 1 Unterabsätze 2 und 3 ZK keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag auf Grund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.
Nach dieser Bestimmung haben die zuständigen Zollbehörden von einer Nacherhebung von Eingangsabgaben abzusehen, wenn drei Voraussetzungen nebeneinander erfüllt sind. Die ursprüngliche Nichterhebung der Abgaben muss auf einen Irrtum der zuständigen Behörden zurückzuführen sein, der Abgabenschuldner muss gutgläubig gehandelt haben, das heißt bei vernünftiger Betrachtungsweise außerstande gewesen sein, den Irrtum der zuständigen Behörden zu erkennen, und er muss alle geltenden Bestimmungen betreffend die Zollerklärung beachtet haben (vgl. etwa in ständiger Rechtsprechung das Urteil des EuGH vom 26. März 2015 in der Rs. C‑7/14 P [Wünsche Handelsgesellschaft mbH & Co KG], Rn 55). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, hat der Abgabenschuldner einen Anspruch darauf, dass von einer Nacherhebung abgesehen wird. Dagegen ist der Antrag auf Absehen von einer Nacherhebung bereits dann nicht begründet, wenn eine der drei Voraussetzungen fehlt (vgl. zu all dem das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 2001, 2000/16/0590, mwN).
Für den Irrtum der Zollbehörden verlangt der EuGH ein Handeln der zuständigen Behörden und die Ursächlichkeit dieses Handelns für ihren Irrtum, sog. aktiver Irrtum (vgl. die Urteile des EuGH vom 18. Oktober 2007 in der Rs. C‑173/06 [Agrover Srl], Rn 31, und vom 15. Dezember 2011 in der Rs. C‑409/10 [Afasia Knits Deutschland GmbH], Rn 54). Ein solcher Irrtum ist jeder Irrtum bei der Auslegung oder Anwendung der Vorschriften über Eingangs- oder Ausgangsabgaben, falls er auf ein Handeln der zuständigen Behörden zurückzuführen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2002, 99/16/0179). Ein Irrtum ist auch schon in der langjährigen unrichtigen Abfertigungspraxis bei widerspruchsloser Entgegenahme der Zollanmeldung zu sehen, wenn diese alle notwendigen und zutreffenden Angaben enthält. Ohne dass es auf die Zahl und die Bedeutung der vom Zollschuldner getätigten Einfuhren ankommt, wird ein Irrtum der Zollbehörden angenommen, wenn die Unrichtigkeit der Anmeldung für eine vollständig angemeldete Ware bei einem Vergleich zwischen der angemeldeten Tarifposition und der ausdrücklichen Warenbezeichnung entsprechend dem Tarifschema erkennbar war und sie auf Grund der unrichtig angemeldeten Tatsachen tatsächliche Feststellungen der Abgabenfestsetzung zu Grunde legte (vgl. das Urteil des EuGH vom 1. April 1993 in der Rs. C‑250/91 [Hewlett Packard France], Rn 21 und Alexander aaO, Rz. 13ff zu Art 220 ZK, mwN).
Wenn nun die belangte Behörde vermeint, ein aktiver Irrtum des beschwerdeführenden Zollamtes liege vor, weil die Warenanmeldungen des Mitbeteiligten für die Warenbezeichnung Aprikosenpüree, die im Überbegriff (Fruchtmus) in der Überschrift der zutreffenden Tarifposition (2007) genannt sei, eine unrichtige Tarifnummer (2008) enthielten, könnte dem zwar unter Bedachtnahme auf das Untersuchungsergebnis der TUA gefolgt werden, doch lag dieses im Zeitpunkt der hier in Rede stehenden Warenanmeldungen noch nicht vor. Es ist aus den getroffenen Feststellungen nicht ersichtlich, dass ein Fruchtpüree ausschließlich ein im Sinn der Position 2007 iVm Anmerkung 5 zu Kapitel 20 KN durch Kochen hergestelltes Fruchtmus sein kann, bei dem die Viskosität des Erzeugnisses durch Verringern des Wassergehalts mittels Hitzebehandlung unter atmosphärischem oder vermindertem Druck oder mittels anderer Verfahren erhöht wurde. Immerhin entspricht die vom Mitbeteiligten angemeldete Warennummer der Taric‑Codenummer 2008 50 92 20 mit der Bezeichnung "Aprikosenpülpe/Marillenpülpe".
Da auf Grund des vorgelegten Akteninhalts nicht davon ausgegangen werden kann, dass das beschwerdeführende Zollamt die Zubereitungsart und die Zusammensetzung des vom Mitbeteiligten angemeldeten Aprikosenpürees kannte, wäre eine Einreihung dieser Ware als in anderer Weise zubereitete oder haltbar gemachte Früchte in die Position 2008 denkbar, sodass dieser Behörde ‑ selbst in den Fällen einer Dokumentenprüfung ‑ eine Unrichtigkeit beim Vergleich zwischen der angemeldeten Tarifposition und der ausdrücklichen Warenbezeichnung entsprechend dem Tarifschema nicht erkennbar sein musste. Es kann daher von einem die nachträgliche buchmäßige Erfassung nach Art. 220 Abs. 2 lit. b ZK ausschließenden Irrtum des beschwerdeführenden Zollamtes nicht ausgegangen werden.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 14. Dezember 2015
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
