VwGH 2013/15/0290

VwGH2013/15/029021.4.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des Finanzamts Innsbruck in 6021 Innsbruck, Innrain 32, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Innsbruck, vom 16. Oktober 2013, Zl. RV/0402-I/08, betreffend Haftungsbescheide gemäß § 99 EStG für 2002 bis 2004 (mitbeteiligte Partei: I GmbH in V), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §198;
BAO §224 Abs1;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §289 Abs2;
BAO §93 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;
BAO §198;
BAO §224 Abs1;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §289 Abs2;
BAO §93 Abs2;
BAO §93 Abs3 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte, eine italienische GmbH, hat im Jahr 2002 gemeinsam mit einer inländischen GmbH eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht gegründet. Der Ort der Geschäftsleitung dieser Gesellschaft befand sich laut den Angaben der Gesellschaft im Formular Verf 26 am Sitz der inländischen GmbH. Die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht wurde zur Abwicklung der statischkonstruktiven Bearbeitung eines Bauvorhabens gegründet, welche den Konstruktionsentwurf, die Aufstellung der prüffähigen detaillierten statischen Berechnung der tragenden Bauteile sowie die Herstellung der Konstruktionspläne und die Koordinierungsmithilfe für die Abstimmung mit der Planung samt beratender Teilnahme an diesbezüglichen Besprechungen umfasst hat. Für diese Gesellschaft wurden in weiterer Folge erklärungsgemäße Bescheide betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 2002 bis 2004 erlassen. Diese Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

2 Nach einer die Mitbeteiligte betreffenden Außenprüfung wurden vom Finanzamt mit Ausfertigungsdatum 21. Jänner 2008 "Haftungs- und Abgabebescheide" für die Jahre 2002 bis 2004 an sie erlassen, mit welchen jeweils "Abzugsteuer gem. § 99 EStG 1988" vorgeschrieben wurde. In der Begründung zu diesen Bescheiden wurde jeweils auf den beiliegenden Bericht vom 21. Jänner 2008 verwiesen.

3 In einem Anhang zum Prüfungsbericht vom 21. Jänner 2008 - einem Schreiben vom 14. November 2007 mit der Überschrift "Prüfungsfeststellungen" - wurde unter Punkt 1 "Körperschaftsteuer" ausgeführt, dass zur Abwicklung der statischkonstruktiven Bearbeitung eines Büro- und Verwaltungsgebäudes die Mitbeteiligte gemeinsam mit einer österreichischen Ziviltechniker-GmbH im März 2002 eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht mit Sitz in Innsbruck gegründet habe und die erzielten Einkünfte dieser Mitunternehmerschaft gemäß § 188 BAO festgestellt worden seien. Auf Grund der zwölf Monate überschreitenden Mitwirkung an der Bauausführung sei nach Art. 5 DBA-Italien die Begründung einer österreichischen "Betriebsstätte" für die Mitbeteiligte ausgelöst worden. Die Einkünfte der in Österreich beschränkt steuerpflichtigen italienischen GmbH seien daher in Österreich steuerpflichtig und der Körperschaftsteuer zu unterwerfen. Unter Punkt 2 "Abzugsteuer gem. § 99 EStG" dieses Anhanges zum Bericht wurde festgehalten, dass die im Rahmen der statisch-konstruktiven Bearbeitung des Büro- und Verwaltungsgebäudes durch die italienische abgabepflichtige GmbH an die in Österreich beschränkt steuerpflichtigen Mitarbeiter ausbezahlten Vergütungen einschließlich aller Spesenersätze, Kilometergelder und Tagesgelder gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 bzw. § 70 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 der Abzugsteuer unterlägen. Dieser gesetzlichen Verpflichtung sei bisher nicht nachgekommen worden. Es sei weder eine Berechnung noch eine Abfuhr erfolgt. Die Bezüge (Bruttobezüge) der Arbeitnehmer seien bis 21. November 2007 schriftlich oder per Fax zu übermitteln. Bei Nichtbekanntgabe müssten diese im Schätzungswege angesetzt werden.

4 Im Prüfungsbericht selbst wurde schließlich unter Tz 2 "Abzugsteuer gem. § 99 EStG" ausgeführt, dass die Schätzung der Arbeitnehmerbezüge mangels Datenbekanntgabe von Seite des Unternehmens nur auf Grund der dem Finanzamt vorliegenden äußerst spärlichen Informationen, insbesondere über Beschäftigungsdauer, Beschäftigungsausmaß und Gehaltshöhe habe erfolgen können. Zudem wurden die Schätzungsbeträge für die Bruttobezüge sowie die Spesen zahlenmäßig für die einzelnen Jahre dargestellt.

5 Gegen diese "Haftungs- und Abgabenbescheide" erhob die Mitbeteiligte Berufung. Begründend führte sie aus, dass in Österreich keine Betriebstätte begründet worden sei und darüber hinaus für die bezahlten Vergütungen an die Mitarbeiter der Mitbeteiligten keine Abzugsteuer in Österreich abzuführen sei, weil gemäß Art. 15 Abs. 2 DBA-Italien das Besteuerungsrecht Italien zufalle, nachdem sich kein Empfänger mehr als 183 Tage pro Jahr in Österreich aufgehalten habe, die Mitbeteiligte nicht in Österreich ansässig sei und in Österreich auch keine Betriebstätte unterhalte, von der aus die Vergütungen geleistet worden seien. Darüber hinaus wurde eingewendet, dass auch die Berechnung der Abzugssteuer gemäß § 70 Abs. 2 Z 2 bzw. § 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 unrichtig gewesen sei, weil es sich bei den Vergütungen nicht um solche des § 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 gehandelt habe.

6 In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt demgegenüber aus, dass die Tätigkeit der in Innsbruck eingesetzten Mitarbeiter der Mitbeteiligten als solche des § 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 einzustufen sei und es bei ausländischen Architekten ausreiche, wenn ihr Berufsbild dem eines österreichischen Architekten weitgehend entspreche und eine freiberufliche Tätigkeit mit abgeschlossener Berufsausbildung vorliege. Aufgrund der Ähnlichkeit des Berufsbildes der Mitbeteiligten mit dem eines Architekten bzw. der teilweisen Überschneidung der Aufgabenbereiche liege ein Anwendungsbereich des § 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 vor.

7 Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde - nach einem Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz - der Berufung Folge und hob die bekämpften Bescheide ersatzlos auf. Begründend führte sie aus, gemäß § 1 Abs. 3 EStG 1988 seien Steuerpflichtige, die im Inland weder über einen Wohnsitz noch über einen gewöhnlichen Aufenthalt verfügten, beschränkt steuerpflichtig, wenn sie Inlandseinkünfte gemäß § 98 EStG 1988 erzielten. Dabei unterlägen sowohl Einkünfte aus selbständiger Arbeit (gemäß § 98 Z 2 erster Satz EStG 1988) als auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (gemäß § 98 Z 4 EStG 1988) der beschränkten Einkommensteuerpflicht, wenn diese jeweils im Inland ausgeübt oder verwertet werde oder worden sei. Bei Einkünften aus im Inland ausgeübter oder verwerteter selbständiger Tätigkeit als Schriftsteller, Vortragender, Künstler, Architekt, Sportler, Artist oder Mitwirkender an Unterhaltungsdarbietungen werde die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 durch Steuerabzug (Abzugsteuer) erhoben, wobei es gleichgültig sei, an wen die Vergütungen für die genannten Tätigkeiten geleistet werden. Gemäß § 100 Abs. 2 bzw. Abs. 4 EStG 1988 hafte der Schuldner dieser Einkünfte für die Einbehaltung und Abfuhr der Steuerabsetzbeträge im Sinne des § 99 EStG 1988. § 70 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 normiere, dass die Lohnsteuer bei Bezügen als (beschränkt steuerpflichtiger) Arbeitnehmer aus einer Tätigkeit im Sinne des § 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 mit 20 % des vollen Betrages dieser Bezüge berechnet werde.

8 Gemäß § 82 erster Satz EStG 1988 hafte der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Das Vorliegen einer inländischen Betriebstätte sei dabei Voraussetzung für eine Lohnsteuerabzugsverpflichtung. Andernfalls wären die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Veranlagungsweg zu erfassen. Gemäß § 81 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 sei Betriebsstätte für Zwecke des Steuerabzuges vom Arbeitslohn der Betrieb oder Teil des Betriebes des Arbeitgebers, in dem die Berechnung des Arbeitslohnes und der Lohnsteuer vorgenommen werde. Sei nicht bereits auf Grund des Abs. 1 eine Betriebsstätte im Inland gegeben, so gelte jede vom Arbeitgeber im Inland für die Dauer von mehr als einem Monat unterhaltene feste örtliche Anlage oder Einrichtung als Betriebsstätte, wenn sie der Ausübung der durch den Arbeitnehmer ausgeführten Tätigkeit diene; § 29 Abs. 2 BAO gelte gemäß § 81 Abs. 2 erster Satz EStG 1988 entsprechend. Durch den Verweis auf § 29 Abs. 2 BAO gälten als weitere Betriebsstätten insbesondere auch Bauausführungen, deren Dauer sechs Monate überstiegen hätten oder voraussichtlich übersteigen würden (vgl. § 29 Abs. 2 lit c BAO).

9 Sowohl bei der Haftung nach § 82 (für Lohnsteuer eines Arbeitnehmers) als auch jener nach § 100 Abs. 2 EStG 1988 (für Abzugsteuer) handle es sich um persönliche Haftungen. Gemäß § 224 Abs. 1 BAO sei in Haftungsbescheiden auf die maßgebende Haftungsvorschrift hinzuweisen. Aus einem solchen Hinweis ergebe sich in Bezug auf den Haftungstatbestand auch die Festlegung der "Sache" des Verfahrens.

10 Gemäß § 289 Abs. 2 BAO (idF vor dem FVwGG 2012) sei die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen. Die Änderungsbefugnis der Abgabenbehörde zweiter Instanz dürfe aber nicht zu einer Entscheidung führen, die nicht "Sache" (also Gegenstand des Verfahrens) vor der Abgabenbehörde erster Instanz gewesen sei. Bei einem Bescheid, mit dem eine persönliche Haftung geltend gemacht werde, werde die Identität der Sache, über die abgesprochen worden sei, insbesondere durch den Tatbestand begrenzt, der für die geltend gemachte Haftung maßgebend sei (Hinweis auf VwGH vom 24. Mai 2012, 2009/15/0182).

11 Im vorliegenden Fall sei mit dem Spruch der angefochtenen Bescheide "Abzugsteuer gem. § 99 EStG 1988" vorgeschrieben worden. Insoweit bestünden keine Zweifel über den Inhalt des Spruches der Bescheide. Wenngleich den Ausführungen in der Bescheidbegründung (unter Verweis auf den beiliegenden Prüfungsbericht) zu entnehmen sei, dass der Mitbeteiligten mit den angefochtenen Bescheiden offenkundig die Lohnsteuer für die beschäftigten Arbeitnehmer im Haftungswege hätte vorgeschrieben werden sollen (vgl. Tz 2 des Prüfberichtes: "Die Schätzung der Arbeitnehmerbezüge..."), ändere dies nichts an der jeden Zweifel ausschließenden Klarheit des Spruches der angefochtenen Bescheide des Finanzamtes. Aus der Bescheidbegründung (unter Verweis auf den beiliegenden Prüfungsbericht) könne zwar allenfalls auf die Unrichtigkeit des Bescheidspruches geschlossen werden; die Abänderung eines fehlerhaften Bescheidspruches unter Heranziehung der Bescheidbegründung übersteige aber die Grenzen der zulässigen Bescheidauslegung. Daher bestehe auch keine Berechtigung der Rechtsmittelbehörde, die Bescheide als solche zu interpretieren, mit welchen Lohnsteuer im Haftungswege gemäß § 82 EStG hätte vorgeschrieben werden sollen.

12 Da mit dem Spruch der Bescheide "Abzugsteuer gem. § 99 EStG 1988" vorgeschrieben worden sei und sohin durch die konkrete Nennung der Haftungsbestimmung im Spruch des Bescheides die "Sache" des streitgegenständlichen Verfahrens festgelegt worden sei, sei es der belangten Behörde versagt, die angefochtenen Bescheide nunmehr in Haftungsbescheide betreffend Lohnsteuer gemäß § 70 Abs. 2 Z 2 iVm § 82 EStG 1988 umzudeuten und in weiterer Folge auf die Rechtmäßigkeit hin zu prüfen. Nur für den Fall, dass im Spruch eines Bescheides eine konkrete Norm, auf die die Haftung gestützt werde, nicht angeführt worden sei, aber nach dem Gesamtbild der Umstände des Einzelfalles kein Zweifel darüber bestehe, welche Haftungsbestimmung zur Anwendung gebracht worden sei und sich die konkrete Haftungsnorm auf diese Weise erschließe, wäre ein solcher Mangel im Rechtsmittelverfahren durch die Benennung der Gesetzesstelle sanierbar.

13 Gegen diesen Bescheid wendet sich die Amtsbeschwerde des Finanzamts.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Gemäß § 289 Abs. 2 BAO idF vor dem FVwGG 2012 ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen. Die Änderungsbefugnis der Abgabenbehörde zweiter Instanz darf dabei jedoch nicht zu einer Entscheidung führen, die nicht "Sache" (also Gegenstand des Verfahrens) vor der Abgabenbehörde erster Instanz war (vgl. zB VwGH vom 9. Februar 2005, 2004/13/0126).

16 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits mehrfach ausgeführt hat, wird bei einem Bescheid, mit dem eine persönliche Haftung geltend gemacht wird, die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, insbesondere durch den Tatbestand begrenzt, der für die geltend gemachte Haftung maßgebend ist (vgl. VwGH vom 9. Februar 2005, 2004/13/0126 und vom 24. Mai 2012, 2009/15/0182).

17 In Haftungsbescheiden ist gemäß § 224 Abs. 1 BAO auf die maßgebende Haftungsvorschrift hinzuweisen. Aus einem solchen Hinweis ergibt sich in Bezug auf den Haftungstatbestand auch die Festlegung der "Sache" des Verfahrens. Zur Festlegung der Sache bedarf es allerdings nicht zwingend der Anführung einer Gesetzesstelle; es reicht vielmehr hin, wenn nach dem Gesamtbild der Umstände des Einzelfalles kein Zweifel darüber besteht, welche Haftungsbestimmung zur Anwendung gebracht worden ist. Erschließt sich die konkrete Haftungsnorm bloß auf diese Weise, ist ein solcher Mangel im Rechtsmittelverfahren durch die exakte Benennung der Gesetzesstelle zu sanieren (vgl. VwGH vom 24. Mai 2012, 2009/15/0182).

18 Der Spruch eines Bescheides ist im Zweifel im Sinne des angewendeten Gesetzes auszulegen. Bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruches, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen (vgl. nochmals VwGH vom 24. Mai 2012, 2009/15/0182).

19 Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid in dem Umstand, dass das Finanzamt der Mitbeteiligten unter der Überschrift "Haftungs- und Abgabenbescheide" im Spruch "Abzugsteuer gem. § 99 EStG 1988" vorgeschrieben hat, eine Begrenzung des Verfahrensgegenstands dahingehend gesehen, dass es ihr damit verwehrt sei, eine Haftungsinanspruchnahme der Mitbeteiligten gemäß § 82 EStG 1988 für die von ihr beschäftigten Arbeitnehmer betreffend Lohnsteuer gemäß § 70 Abs. 2 Z 2 iVm § 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 zu prüfen.

20 Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. 21 Wie der Verwaltungsgerichthof bereits ausgesprochen hat,

ist zum Einen der Umstand, dass das Finanzamt seine Bescheide als "Abgaben- und Haftungsbescheid(e)" bezeichnet hat, eine Bescheidgestaltung, die zu Unklarheiten führt. Ein solcher Umstand kann jedoch in der Begründung der Berufungsentscheidung saniert werden, indem klar zum Ausdruck gebracht wird, dass Haftungsbescheide vorliegen (vgl. VwGH vom 24. Mai 2012, 2009/15/0182). Gleiches gilt zum Anderen - wie oben unter Rz 17 bereits ausgeführt - für das Fehlen der Angabe der konkreten Haftungsnorm im Spruch des Bescheides, wenn sich die Haftungsbestimmung nach dem Gesamtbild der Umstände des Einzelfalles, insbesondere aus der Begründung des Bescheides, zweifelfrei erschließt.

22 Vor diesem Hintergrund gab auch im Beschwerdefall die spruchmäßige Vorschreibung von "Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988" zunächst zu Zweifeln hinsichtlich des Verfahrensgegenstandes Anlass, weil mit dieser Norm die Angabe einer konkreten Haftungsbestimmung im Spruch fehlte. § 99 EStG 1988 selbst ist keine Haftungsbestimmung, sondern regelt vielmehr die Steuererhebung im Steuerabzugsweg bei bestimmten beschränkt Steuerpflichtigen. Wie sich aus der Begründung des Abgabenbescheides des Finanzamtes aber ergeben hat, beruht die Heranziehung der Mitbeteiligten im Beschwerdefall auf deren Lohnsteuerhaftung hinsichtlich der von ihr beschäftigten Arbeitnehmer. Da deren Tätigkeit nach Ansicht des Finanzamtes den in § 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 beschriebenen Tätigkeiten entsprochen hat, ging das Finanzamt von einer Lohnsteuerpflicht gemäß § 70 Abs. 2 Z 2 iVm § 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 aus, bei der Sonderregelungen hinsichtlich einer möglichen Bruttobesteuerung zur Anwendung kommen. Vor diesem Hintergrund war die Fehlbezeichnung "Abzugsteuer gemäß § 99 EStG 1988" für den Bescheidadressaten im Zusammenhang mit der Bescheidbegründung als lediglich unvollständige Angabe der im Beschwerdefall anwendbaren Rechtsgrundlagen interpretierbar. Nach dem Gesamtbild der Umstände des Einzelfalles bestand letztlich kein Zweifel, dass mit dem Bescheid des Finanzamtes die Haftung der Mitbeteiligten gemäß § 82 EStG 1988 betreffend Lohnsteuer gemäß § 70 Abs. 2 Z 2 iVm § 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 in Bezug auf die von ihr beschäftigten Arbeitnehmer geltend gemacht worden ist ("Bezüge der Arbeitnehmer").

23 Da der Bescheid des Finanzamtes somit im Beschwerdefall noch dahingehend zu interpretieren war, dass er sich auf § 82 EStG 1988 stützt, führt die inhaltliche Prüfung der Voraussetzungen der Haftungsinanspruchnahme der Mitbeteiligten - entgegen der Annahme der belangten Behörde - nicht zum Austausch der "Sache" des gegenständlichen Abgabeverfahrens. Damit oblag der belangten Behörde jedoch die diesbezügliche Sachentscheidungspflicht im Sinne des § 289 BAO idF vor dem FVwGG 2012.

24 Der angefochtene Bescheid beruht somit auf einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

25 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 21. April 2016

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