VwGH 2013/15/0281

VwGH2013/15/028129.6.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Beschwerde des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 10. Oktober 2013, Zlen. RV/0740-L/10 und RV/0742-L/10, betreffend Einkommensteuer 2004 bis 2007 (mitbeteiligte Partei: B H in G, vertreten durch die Schwarz Kallinger Zwettler Wirtschaftsprüfung Steuerberatung GmbH in 4020 Linz, Volksgartenstraße 32), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §167 Abs2;
EStG 1988 §23 Z1;
EStG 1988 §47 Abs2;
EStG 1988 §82;
VwGG §41 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:2013150281.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Im Zuge einer bei der B GmbH durchgeführten GPLA-Prüfung wurde festgestellt, dass die mitbeteiligte Partei in den Jahren 2004 bis 2007 im Fitnessstudio der B GmbH als (nebenberufliche) Trainerin tätig war und für diese Tätigkeit eine Entlohnung erhalten hat, die bisher nicht der Einkommensteuer (Lohnsteuer) unterworfen wurde.

2 Das Finanzamt schloss sich der rechtlichen Beurteilung des Prüfers zum Vorliegen eines Dienstverhältnisses an, nahm die Arbeitnehmerveranlagungen der angeführten Jahre wieder auf und erließ neue Einkommensteuerbescheide, in denen die Vergütungen für die Trainertätigkeit als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfasst wurden.

3 In ihren gegen die Einkommensteuerbescheide 2004 bis 2007 erhobenen Berufungen brachte die Mitbeteiligte im Wesentlichen vor, dass sie Vereinsmitglied des P Vereins (im Folgenden: Verein) sei, für den sie ehrenamtlich als Aerobic-Trainerin tätig werde. Es liege kein Dienstvertrag, sondern ein Werkvertrag (mit dem Verein) vor, nach dem der Leistungserfolg vergütet werde. Die Gebietskrankenkasse habe sich mit der Behauptung des Finanzamtes zum Vorliegen einer Scheingründung und einer Umgehungstätigkeit des Vereins nicht auseinandergesetzt. Im gesamten Verfahren habe der Verein keine Möglichkeit gehabt, den Sachverhalt darzustellen. Lediglich die subjektiven Darstellungen einzelner Trainerinnen seien für die Gebietskrankenkasse die Bestätigung dafür gewesen, vom Vorliegen eines Schwindels und eines Dienstverhältnisses zur B GmbH auszugehen. Alle Beträge, die die Mitbeteiligte erhalten habe, stellten (nicht steuerpflichtige) Spesenersätze im Sinne der Vereinsrichtlinien dar.

4 Nach Vorlage der Berufungen an die Abgabenbehörde zweiter Instanz forderte diese die Mitbeteiligte auf, für den Fall, dass eine gewerbliche Tätigkeit vorliegen sollte, Betriebsausgaben geltend zu machen.

5 Die Mitbeteiligte kam dieser Aufforderung nach und bezifferte ihre Aufwendungen für Aus- und Fortbildung (einschließlich Übernachtung, Diäten und Fahrtkosten), für Fahrten zwischen Wohn- und Tätigkeitsort sowie für Fachliteratur, CD, DVD, Bekleidung und Telefon der einzelnen Jahre. Über weiteren Vorhalt der belangten Behörde erläuterte die Mitbeteiligte die betriebliche Veranlassung einzelner Aufwandsposten. Das neue Vorbringen wurde dem Finanzamt mit der Aufforderung übermittelt, dazu und zur Frage des Vorliegens eines Dienstverhältnisses Stellung zu nehmen und sachdienliche Unterlagen vorzulegen.

6 Mit Antwortschreiben vom April 2012 wies das Finanzamt u. a. darauf hin, dass die Gebietskrankenkasse und die Landesregierung im Berufungsverfahren betreffend Versicherungspflicht sowie das Finanzamt die im Fitnessstudio tätigen Trainerinnen einvernommen hätten. Die entsprechenden Niederschriften würden angeschlossen übermittelt und zusammenfassend beispielsweise auf die Niederschrift mit Sonja E verwiesen, die angegeben habe, dass sie seit 1996 im Fitnessstudio als Aerobic-Trainerin gearbeitet habe. Die Aerobic-Stunden seien fix eingeteilt gewesen, sowohl was die Zeit als auch was die Räumlichkeiten betreffe. Es gebe einen Stundenplan, in dem alle Trainerinnen eingetragen seien und der für die Kunden ersichtlich ausgehängt und auch im Internet veröffentlicht werde. Auf einer Tafel würden sämtliche Trainerinnen mit Foto und Namen vorgestellt. Die Sportgeräte befänden sich im Gymnastik- oder Geräteraum des Studios. Eine Musikanlage sei in jedem Gymnastikraum vorhanden. Könne die Trainerin eine vereinbarte Stunde nicht abhalten, habe sie sich selbst um Ersatz umsehen müssen. Dies habe jedoch nur eine andere vom Verein beschäftigte Kollegin sein können. Die Trainerin habe Aufzeichnungs- und Abrechnungsblätter sowie Statistiklisten zu führen. In das Aufzeichnungsblatt seien der Tag, der Beginn der Trainingsstunde, die Anzahl der Einheiten und das Taggeld sowie die Bezeichnung der Tätigkeit einzutragen gewesen (inklusive jener Einsätze, die sie im Vertretungsfall für Kolleginnen übernommen habe). Ein Arbeitseinsatz habe inklusive An- und Abreise mindestens vier Stunden gedauert. Abgerechnet werde nicht pro Unterrichtseinheit, sondern pro Einsatztag. In das Abrechnungsblatt seien die Anzahl der Einsatztage sowie der Fahrtkostenersatz einzutragen. Das Abrechnungsblatt sei monatlich im Fitnessstudio abzugeben. Außerdem habe jede Trainerin eine Statistikliste zu führen, in welche im Anschluss an eine Trainingseinheit der Name der Trainerin, die Anzahl der Teilnehmer, wie viele Frauen, wie viele Männer, wie viele Neue und "gesonderte Bemerkungen" einzutragen seien. Die Liste komme in ein spezielles Statistikfach. Werde eine Stunde nicht "angenommen", so werde diese entweder gestrichen oder verlegt. Seit der Vereinsgründung im Jahr 1998 seien einige Änderungen im Ablauf erfolgt: So hätten die Trainer nunmehr die erforderlichen Geräte zu warten und zu reparieren, die Stereoanlage zu reinigen und den Kunden die "gesamte Anlage" vorzuführen. Die Trainerinnen hätten auch vermehrt anwesend sein müssen, um den Kunden das Gefühl zu geben, laufend betreut zu werden. Es habe Schulungen im Haus (Ernährungsseminare, Wirbelsäulen-Workshop) gegeben, die vom Fitnessstudio organisiert worden seien und kostenlos hätten besucht werden können. Diese Seminare seien auch für die Arbeit als Trainerin wichtig gewesen. Zudem habe sich die Abrechnung im Laufe der Zeit geändert. Früher habe die Trainerin eine Honorarnote gelegt und selbst versteuert, durch "den Aufwandersatz sei dies aber nicht mehr notwendig gewesen". Dazu erläuterte das Finanzamt im Einzelnen, warum sich aus den vorgelegten Beweismitteln ein Gesamtbild ergebe, das auf das Vorliegen nichtselbständiger Einkünfte der Mitbeteiligten schließen lasse.

7 Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde die Einkommensteuerfestsetzungen der Jahre 2004 bis 2007 ab.

8 Begründend wird ausgeführt, zwischen dem Verein und der B GmbH, als Besitzerin der Fitnessstudios bestünde ein Geschäftsbesorgungsvertrag, der auszugsweise folgenden Inhalt habe:

"Im Freizeitzentrum (...) erfolgt eine Trennung zwischen Besitz und Betrieb. Der (Verein) wird das Fitness- und Aerobictraining innerhalb der Freizeitanlagen (...) durchführen.

Der Betrieb soll wie folgt geregelt werden:

Wir haben davon auszugehen, dass das (Freizeitzentrum) Mitglieder hat, die Leistungen des Vereines in Anspruch nehmen werden. Für seine Tätigkeit erhält der Verein eine pauschale Vergütung. Anzahl und Art der Vereinsleistungen werden im Einvernehmen mit dem (Freizeitzentrum) festgelegt (Anzahl der Stunden, Inhalt der Stunden usw.).

Vereinsleistungen:

Die Abwicklung der Stunden organisiert der Verein.

Der Verein teilt die Trainer ein.

Der Verein sorgt dafür, dass die Trainer fortlaufend ausgebildet werden.

Der Verein sorgt dafür, dass höchste Qualität in den Stunden

angeboten wird.

Der Verein überwacht (Supervision) die Trainer.

Der Verein wird die Trainer fortlaufend schulen und ausbilden. Die Vergütung der Trainer erfolgt ausschließlich nach den Vereinsrichtlinien mit Taggeld, Kilometergeld, Sponsorbeitrag und dem vorgesehenen Pauschalbetrag.

Der Verein verpflichtet sich, im Vereinsnamen (Freizeitzentrum) aufzunehmen und auch die Trainer werden Unterrichtskleidung mit (Freizeitzentrum)-Beflockung tragen. Für diese Werbetätigkeit erhält der Verein einen jährlichen Beitrag (Sponsorbeitrag). Für die Nutzung der Räumlichkeiten (...) bezahlt der (Verein) eine monatliche Miete in Höhe von ATS 2000,-- + USt,....

Der Vereinsname mit dem Zusatz (Freizeitzentrum) ist nur solange gestattet, als die Tätigkeit des Vereines in der (Straße) ausgeführt wird."

9 Die Mitbeteiligte sei auf Grund einer mit dem Verein geschlossenen Vereinbarung nebenberuflich als Aerobic-Trainerin tätig. Diese Vereinbarung laute auszugsweise:

"(Die Mitbeteiligte) ist Aerobic Trainerin im (Verein).

1. Aufgaben der Aerobic Trainerin in Alleinverantwortung:

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