VwGH 2013/13/0081

VwGH2013/13/008124.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, über die Beschwerde des S in A, vertreten durch die Knirsch Gschaider & Cerha Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Wipplingerstraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 29. Mai 2013, Zl. RV/3769- W/08, miterledigt RV/3768-W/08, betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2002 bis 2004, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §19 Abs1;
EStG 1988 §19 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Beschwerdeführer war im Streitzeitraum Alleingesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH.

2 Beim Beschwerdeführer fand für die Jahre 2001 bis 2004 eine Außenprüfung statt, die mit Bericht vom 6. Februar 2007 abgeschlossen wurde. Darin hielt die Prüferin u.a. fest, der Beschwerdeführer und die X-GmbH hätten mit Werkvertrag vom 1. Juli 1999 vereinbart, dass der Beschwerdeführer die Leitung und Führung der operativen Geschäfte der X-GmbH übernehmen und dafür 700,00 ATS pro geleisteter Arbeitsstunde zuzüglich Mehrwertsteuer erhalten solle. Für das Jahr 2001 habe der Beschwerdeführer

2.435 Arbeitsstunden a 800,00 ATS in Rechnung gestellt. Für die Monate Jänner bis September 2002 seien 1.490 Arbeitsstunden a 80 EUR, für die Monate Jänner bis Juni 2003 979 Arbeitsstunden a 80 EUR und für die Monate Jänner bis Dezember 2004

1.300 Arbeitsstunden a 80 EUR verrechnet und bezahlt worden. Für die Zeiträume Oktober bis Dezember 2002 und Juli bis Dezember 2003 habe der Beschwerdeführer die von ihm erbrachten Leistungen nicht an die X-GmbH fakturiert. Dies hätten der Beschwerdeführer und sein steuerlicher Vertreter in der Besprechung vom 18. Oktober 2006 damit begründet, dass die kreditgebende Bank für die Erhöhung des Kreditrahmens der X-GmbH trotz der wirtschaftlich schwierigen Situation eine "positive Bilanz" verlangt habe.

3 Als Nachweis dafür sei vom Beschwerdeführer am 24. November 2006 ein interner Bericht der Bank der X-GmbH an deren dezentrale Kreditabteilung vom 25. Juni 2002 mit folgendem Inhalt vorgelegt worden: "Die Erhöhung des Kontokorrentrahmens für die (X-GmbH) wird unter folgenden Bedingungen in Aussicht gestellt: 1. positive Bilanzierung über mind. 2 Jahre,

2. unentgeltliche Ausübung der Geschäftsführerfunktion in wirtschaftlich angespannten Zeiträumen und 3. keine Nachverrechnung für die unentgeltlichen Leistungen in späteren Jahren, damit eine wirtschaftliche Erholung der (X-GmbH) nachhaltig abgesichert ist."

4 Dieser Bericht stehe in einem "absoluten" Widerspruch zu den Angaben des Beschwerdeführers in der Besprechung vom 18. Oktober 2006, habe er dort doch noch angegeben, dass eine Nachverrechnung der Honorare bei Verbesserung der wirtschaftlichen Situation geplant gewesen sei. "Faktum" sei, dass der Werkvertrag vom 1. Juli 1999 in Folge der Vereinbarung mit der Bank keine Abänderung erfahren habe, sodass dieser vollinhaltlich gültig sei. Auch liege kein abweichender Gesellschaftsbeschluss vor. Diese Vorgangsweise erscheine unter Fremden nicht denkbar. Der Beschwerdeführer habe nach den von ihm zum Nachweis der erbrachten Leistungen vorgelegten Kalenderaufzeichnungen im Jahr 2002 740 Arbeitsstunden a 80 EUR, im Jahr 2003 820 Arbeitsstunden a 80 EUR und im Jahr 2004 500 Arbeitsstunden a 80 EUR nicht an die X-GmbH fakturiert und nicht als Einnahmen erfasst. Diese Beträge seien dem Beschwerdeführer jedoch zugeflossen, da er als Alleingesellschafter bereits mit dem Entstehen der Forderungen die Verfügungsmacht darüber erlangt habe. Da die Leistungserbringung nicht unentgeltlich erfolgt sei, sei auch für die nicht verrechneten Leistungen die Umsatzsteuer abzuführen.

5 Das Finanzamt folgte der Ansicht der Prüferin und erließ am 6. Februar 2007 entsprechende Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2004.

6 In der dagegen erhobenen Berufung vom 7. März 2007 brachte der Beschwerdeführer u.a. vor, die Bank sei zu einer Erhöhung des Kontokorrentrahmens der X-GmbH nur unter der Bedingung bereit gewesen, dass er sich verpflichtet habe, in wirtschaftlich angespannten Zeiträumen die Geschäftsführerfunktion unentgeltlich auszuüben. Er habe diese Zusage in seiner Funktion als Vertreter der X-GmbH und in seiner Funktion als Werkvertragsnehmer der X-GmbH getätigt. Der Werkvertrag zwischen ihm und der X-GmbH sei insofern einvernehmlich abgeändert worden. Aufgrund dieser einvernehmlichen Abänderung des Werkvertrags und seiner Zusage an die Bank habe er in den Zeiträumen Oktober bis Dezember 2002 und Juli bis Dezember 2003 seine Geschäftsführerfunktion unentgeltlich ausgeübt. Auch habe er entgegen der Annahme der Betriebsprüfung im Jahr 2002 lediglich 300 Arbeitsstunden und im Jahr 2003 470 Arbeitsstunden unentgeltlich erbracht. Im Jahr 2004 seien keine Leistungen unentgeltlich erbracht worden. Er habe nicht auf eine bereits entstandene Forderung aus seiner Geschäftsführertätigkeit verzichtet, sondern es sei von Beginn an klar gewesen, dass er für die fraglichen Zeiträume die Geschäftsführerfunktion unentgeltlich ausüben werde. Eine Forderung sei daher nicht entstanden, sodass auch die Fiktion des Zufließens denkunmöglich sei. Dementsprechend sei auch bei der X-GmbH keine Verbindlichkeit bzw. Rückstellung angesetzt worden. Die unentgeltliche Ausübung der Geschäftsführerfunktion stelle eine Nutzungseinlage dar, die ertragsteuerlich unbeachtlich sei. Mangels entgeltlicher Leistungserbringung liege auch kein steuerbarer Umsatz iSd UStG vor.

7 Die belangte Behörde gab der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und führte zusammengefasst aus, eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer und der X-GmbH über die Nichtverrechnung von Geschäftsführerhonoraren bestehe nicht. Ebensowenig liege ein diesbezüglicher Gesellschaftsbeschluss vor. Damit sei aber keine Änderung des Geschäftsführervertrags - der im Übrigen nach Punkt VIII für Änderungen und Ergänzungen die Schriftlichkeit fordere - erfolgt. Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, sich gegenüber der Bank der X-GmbH zur unentgeltlichen Geschäftsführung verpflichtet zu haben, werde keine Abänderung des Werkvertrags vom 1. Juli 1999 aufgezeigt, "da weder - wie im Vertrag vorgesehen - eine schriftliche Abänderung, die Publizität, ein eindeutiger klarer Inhalt der Änderungsvereinbarung - für welchen Zeitraum soll die angeblich unentgeltliche Geschäftsführung gelten und sollen Geschäftsführerhonorare nachbezahlt werden - noch eine Fremdüblichkeit - ein allfälliger Verzicht auf das Honorar wäre nur im Interesse der Gesellschaft -" vorlägen. Ein "fremder" Geschäftsführer hätte einen Verzicht auf einen wesentlichen Teil seiner Entlohnung ohne Vorliegen erkennbarer Gründe für diese Maßnahme und ohne Bezugnahme auf einen bestimmten Zeitraum oder den Eintritt eines bestimmten Ereignisses nicht akzeptiert. Abgesehen von den Behauptungen des Beschwerdeführers gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Werkvertrag nachvollziehbar (fremdüblich) abgeändert worden wäre.

8 Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen habe, sei für den Fall, dass der Abgabepflichtige gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter jener Kapitalgesellschaft sei, die sein Schuldner sei, der Zufluss grundsätzlich mit dem Zeitpunkt anzunehmen, zu dem die Forderung fällig sei, vorausgesetzt, die GmbH sei nicht zahlungsunfähig. Diese Sicht gebiete der beherrschende Einfluss des Mehrheitsgesellschafters der GmbH, könne dieser doch sonst den Gewinn der Gesellschaft kürzen, ohne die entsprechenden Beträge selbst versteuern zu müssen (Hinweis auf die Erkenntnisse vom 30. November 1993, 93/14/0155, vom 25. Juni 2007, 2007/14/0002, und vom 23. März 2010, 2007/13/0037).

9 Dem Beschwerdeführer stehe aufgrund des unzweifelhaft fremdüblichen Werkvertrags, der von der X-GmbH bis auf die Zeiträume Oktober bis Dezember 2002, Juli bis Dezember 2003 und 2004 selbst in den Streitjahren eingehalten worden sei, ein rechtlicher Anspruch auf die Geschäftsführerhonorare der strittigen Zeiträume zu. Dafür spreche insbesondere, dass keine "eindeutig vertraglich festgelegte zeitlich definierte Aussetzung der Abrechnung" der vom Revisionswerber erbrachten Leistungen vorliege. Vielmehr sei lediglich die Abrechnung der Leistungen für bestimmte Zeiträume der Streitjahre nicht erfolgt. Da der Beschwerdeführer in der Berufung vorgebracht habe, nie behauptet zu haben, dass die X-GmbH zahlungsunfähig gewesen sei, werde von deren Zahlungsfähigkeit in den Streitjahren ausgegangen.

10 Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine unentgeltliche Ausübung der Geschäftsführung eine steuerneutrale Nutzungseinlage darstelle, erübrige sich, sei doch von einem Zufluss des Geschäftsführungsentgelts auszugehen.

11 Da der Zufluss des Leistungsentgelts -wie bereits erwähnt - zu fingieren sei, liege weiters eine entgeltliche Tätigkeit und somit auch ein steuerbarer Umsatz iSd § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 vor.

12 Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

13 Einnahmen sind nach § 19 Abs. 1 EStG 1988 - von im Beschwerdefall nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - in jenem Kalenderjahr bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.

14 Ein Betrag ist gemäß § 19 Abs. 1 EStG 1988 dann als zugeflossen anzusehen, wenn der Empfänger über ihn tatsächlich und rechtlich verfügen kann. Ist der Abgabepflichtige gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter jener GmbH, die sein Schuldner ist, ist der Zufluss grundsätzlich anzunehmen, sobald die Forderung fällig ist, vorausgesetzt, dass die GmbH nicht zahlungsunfähig ist. Diese Sicht gebietet der beherrschende Einfluss des Mehrheitsgesellschafters der GmbH (vgl. zuletzt etwa die Erkenntnisse vom 30. Oktober 2014, 2012/15/0143, und vom 23. Dezember 2015, 2012/13/0048, jeweils mwN).

15 Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid - gestützt auf diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - den Zufluss der strittigen Geschäftsführungsbezüge in den Streitjahren 2002 bis 2004 bejaht. Dem angefochtenen Bescheid sind jedoch keine Feststellungen zur Fälligkeit der streitgegenständlichen Forderungen (im Übrigen auch nicht zu einer Gewinnminderung bei der X-GmbH) zu entnehmen. Sofern die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auf einen "fingierten Zufluss des Leistungsentgelts" gestützt hat, findet dies damit in der angeführten Judikatur keine Deckung.

16 Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden konnte.

17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

18 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

19 Wien, am 24. November 2016

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