VwGH 2013/12/0163

VwGH2013/12/016313.11.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, in der Beschwerdesache der B S in W, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Justiz vom 15. Juli 2013, Zl. BMJ-V573.30/0001-III 2/2013, betreffend Feststellung der besoldungsrechtlichen Stellung nach Verbesserung des Vorrückungsstichtages, den Beschluss gefasst:

Normen

12010E267 AEUV Art267;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art21;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art52 Abs1;
32000L0078 Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Beruf Art2 Abs1;
32000L0078 Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Beruf Art2 Abs2 lita;
32000L0078 Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Beruf Art6;
AVG §38;
GehG 1956 §113;
GehG 1956 §12;
GehG 1956 §8;
RStDG §190 Abs3;
VwGG §38b;
VwGG §62 Abs1;
12010E267 AEUV Art267;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art21;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art52 Abs1;
32000L0078 Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Beruf Art2 Abs1;
32000L0078 Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Beruf Art2 Abs2 lita;
32000L0078 Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Beruf Art6;
AVG §38;
GehG 1956 §113;
GehG 1956 §12;
GehG 1956 §8;
RStDG §190 Abs3;
VwGG §38b;
VwGG §62 Abs1;

 

Spruch:

Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über die mit Beschluss vom 16. September 2013, Zl. EU 2013/0005 (vormals Zl. 2013/12/00076), vorgelegten Fragen ausgesetzt.

Begründung

Die am 29. August 1980 geborene Beschwerdeführerin steht als Staatsanwältin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; sie war mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2004 auf die Planstelle einer Richteramtsanwärterin, mit Wirksamkeit vom 1. Dezember 2006 auf eine solche einer Richterin des Landesgerichtes St. Pölten und mit Wirksamkeit vom 1. September 2007 auf eine solche einer Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ernannt worden. Mit Bescheid vom 21. März 2005 war ihr Vorrückungsstichtag gemäß § 12 GehG mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2004 mit 21. August 2002 festgesetzt worden.

Aufgrund eines Antrages der Beschwerdeführerin auf Verbesserung ihres Vorrückungsstichtages vom 22. Oktober 2012 setzte die Oberstaatsanwaltschaft Wien mit Bescheid vom 23. Jänner 2013 den Vorrückungsstichtag gemäß § 12 iVm § 113 GehG mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2004 mit dem 21. August 1999 fest.

Die im Wege eines Devolutionsantrages angerufene belangte Behörde sprach mit dem angefochtenen Bescheid aus, dass durch die mit Bescheid vom 23. Jänner 2013 verfügte Verbesserung des Vorrückungsstichtages in der besoldungsrechtlichen Stellung der Beschwerdeführerin gemäß § 8 GehG iVm § 190 Abs. 3 RStDG keine Änderung eintrete. Es gebühre ihr daher unverändert seit 1. Juli 2010 das Gehalt der Gehaltsgruppe St 1, Gehaltsstufe 2 mit nächster Vorrückung am 1. Juli 2014.

Mit dem im Spruch zitierten Beschluss vom 16. September 2013, auf den im Übrigen gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß § 276 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1./ Stellt es - vorerst unbeschadet des Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) und Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden: RL) - eine (unmittelbare) Ungleichbehandlung auf Grund des Alters im Verständnis des Art. 21 GRC bzw. des Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a) RL dar, wenn aus Anlass der Einführung eines diskriminierungsfreien Systems der Gehaltsvorrückung für Neubeamte ein nach der Altrechtslage (durch Ausschluss der Anrechenbarkeit von vor der Vollendung des 18. Lebensjahres gelegener Zeiten für die Vorrückung) diskriminierter Altbeamter zwar durch Antragstellung in das neue System optieren und hiedurch einen diskriminierungsfrei errechneten Vorrückungsstichtag erlangen kann, die Bewilligung eines solchen Antrages aber nach innerstaatlichem Recht bewirkt, dass sich auf Grund der im Neusystem vorgesehenen langsameren Vorrückung seine besoldungsrechtliche Stellung (und damit letztlich das ihm gebührende Gehalt) trotz Verbesserung des Vorrückungsstichtages nicht in dem Ausmaß verbessert, dass er die gleiche besoldungsrechtliche Stellung erlangt wie ein nach der Altrechtslage in diskriminierender Weise begünstigter Altbeamter (der vergleichbare Zeiten zwar nicht vor, wohl aber nach dem 18. Lebensjahr aufzuweisen hat, welche ihm nach der Altrechtslage bereits angerechnet wurden), welcher sich nicht veranlasst sieht in das Neusystem zu optieren?

2./ Bejahendenfalls, kann sich ein Beamter - bei Fehlen einer Rechtfertigung im Verständnis des Art. 52 Abs. 1 GRC bzw. des Art. 6 RL (siehe dazu insbesondere die folgende Frage 3./) - auf eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 21 GRC bzw. des Art. 2 RL in einem Verfahren zur Feststellung der besoldungsrechtlichen Stellung auch dann berufen, wenn er zuvor schon durch entsprechende Antragstellung eine Verbesserung des Vorrückungsstichtages im Neusystem erlangt hat?

3./ Bei Bejahung der Frage 1./, ist eine anlässlich der Einführung eines diskriminierungsfreien Systems für Neubeamte weiterhin aufrechterhaltene Unterscheidung bezüglich ihrer besoldungsrechtlichen Stellung zwischen nicht optierenden begünstigten Altbeamten einerseits und trotz Option weiterhin benachteiligten Altbeamten andererseits im Verständnis des Art. 52 Abs. 1 GRC bzw. des Art. 6 RL als Übergangsphänomen aus den Gründen der Verwaltungsökonomie und der Besitzstandwahrung bzw. des Vertrauensschutzes gerechtfertigt, auch wenn

a./ der innerstaatliche Gesetzgeber bei der Regelung des Vorrückungssystems nicht an die Zustimmung von Tarifvertragspartnern gebunden ist und sich lediglich innerhalb der grundrechtlichen Grenzen des Vertrauensschutzes bewegen muss, welcher eine vollständige Besitzstandwahrung im Sinne der gänzlichen Beibehaltung des Altsystems für nicht optierende begünstigte Altbeamte nicht erfordert;

b./ es dem innerstaatlichen Gesetzgeber in diesem Zusammenhang auch freigestanden wäre, die Gleichheit unter den Altbeamten durch Anrechnung von Zeiten auch vor dem 18. Lebensjahr unter Beibehaltung der alten Vorrückungsregeln für bisher diskriminierte Altbeamte herzustellen;

c./ der damit verbundene Verwaltungsaufwand auf Grund der zu erwartenden großen Zahl der Anträge zwar beträchtlich wäre, aber von seinen Kosten her die Gesamthöhe der den benachteiligten Beamten im Vergleich mit den begünstigten Beamten entgangenen und in Zukunft entgehenden Bezüge nicht annähernd erreicht;

d./ die Übergangsperiode des Fortbestandes der Ungleichbehandlung zwischen Altbeamten viele Jahrzehnte dauern und auch für sehr lange Zeit (infolge des grundsätzlichen "Aufnahmestopps" für Neubeamte im öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis) die weit überwiegende Mehrheit aller Beamten betreffen wird;

e./ eine rückwirkende Einführung des Systems erfolgte, welche zu Lasten des Beamten in die unter Berücksichtigung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechtes jedenfalls zwischen 1. Jänner 2004 und 30. August 2010 zu vollziehende für den Beamten günstigere Rechtslage, deren Anwendung der Beamte auf seinen Fall auch schon vor Herausgabe der Novelle beantragt hatte, eingriff?

Für den Fall der Verneinung der Fragen 1./ oder 2./, oder der Bejahung der Frage 3./:

4./ a./ Stellt eine gesetzliche Regelung, die für Beschäftigungszeiten am Beginn der Karriere einen längeren Vorrückungszeitraum vorsieht und die Vorrückung in die nächste Gehaltsstufe daher erschwert eine mittelbare Ungleichbehandlung aus Gründen des Alters dar?

b./ Bejahendenfalls, ist sie mit Rücksicht auf die geringe Berufserfahrung am Beginn der Karriere angemessen und erforderlich?

Für den Fall der Bejahung der Frage 3./:

5./ a./ Stellt eine gesetzliche Regelung, die ‚sonstige Zeiten', auch wenn sie weder der schulischen Ausbildung noch der Sammlung von Berufserfahrung dienten, bis zu 3 Jahren zur Gänze und bis zu weiteren 3 Jahren zur Hälfte anrechnet, eine Diskriminierung nach dem Alter dar?

b./ Bejahendenfalls, ist sie gerechtfertigt, um eine Verschlechterung der besoldungsrechtlichen Stellung für jene Beamte (offenbar gemeint: auch für Neubeamte), die nicht über entsprechende anrechenbare Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr verfügen, zu vermeiden, obwohl sich die Anrechenbarkeit auch auf sonstige Zeiten nach dem vollendeten 18. Lebensjahr bezieht?

6./ Bei Bejahung der Fragen 4./a./ und Verneinung von 4./b./ und gleichzeitiger Bejahung der Frage 3./ oder bei Bejahung der Frage 5./a./ und Verneinung von 5./b./:

Haben die dann vorliegenden diskriminierenden Merkmale der Neuregelung zur Folge, dass die Ungleichbehandlung in Bezug auf Altbeamte als Übergangsphänomen nicht mehr gerechtfertigt ist?"

Der Beantwortung dieser Frage durch den Gerichtshof der Europäischen Union kommt auch zur Behandlung der vorliegenden Beschwerde Bedeutung zu. Es liegen daher die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, weshalb mit einer Aussetzung des Beschwerdeverfahrens vorzugehen ist.

Wien, am 13. November 2013

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