VwGH 2013/08/0275

VwGH2013/08/027519.2.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Revision der M S in Wien, vertreten durch Dr. Thomas König, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tuchlauben 15/9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 9. Oktober 2013, Zl. BMASK-123563/0002-II/A/3/2012, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens in einer Angelegenheit nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4 Abs2;
AVG §69 Abs1 Z2;
ASVG §4 Abs2;
AVG §69 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG einem Antrag der Revisionswerberin auf Wiederaufnahme eines mit Bescheid vom 21. Februar 2006 abgeschlossenen Verfahrens betreffend die Feststellung der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG (vgl. dazu das - diesen Bescheid bestätigende - hg. Erkenntnis vom 2. April 2008, Zl. 2006/08/0160) nicht stattgegeben.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe in ihrem Wiederaufnahmeantrag vom 28. Oktober 2008 vorgebracht, dass sie einen Zeugen hätte, den sie erst jetzt zufällig hätte eruieren können und der beweisen könnte, dass sie ausschließlich weisungsgebunden gearbeitet hätte; der damalige Chef hätte sie über einen Steuerberater bei der Wiener Gebietskrankenkasse angemeldet und es wären auch Beiträge geleistet worden. Über Aufforderung der belangten Behörde, die fehlenden Angaben (Name des Zeugen sowie genaue Angaben, wann sie von dessen Beobachtungen bezüglich der Ausübung ihrer Tätigkeit Kenntnis erlangt habe) nachzureichen, habe die Revisionswerberin nach mehreren Anträgen auf Fristerstreckung neun näher bezeichnete Zeugen genannt. Über Vorhalt der belangten Behörde, dass alle genannten Zeugen bereits im Verfahren bekannt gewesen seien, habe sie einen neuen Zeugen, nämlich Herrn Sch., ihren nunmehrigen Ehemann, genannt; vom Wiederaufnahmegrund hätte sie am 16. Oktober 2008 Kenntnis erlangt. Als weiteren Zeugen habe sie Herrn Dr. D. zum Beweis dafür angeführt, dass sie weisungsgebunden gewesen sei und nicht selbständig hätte entscheiden dürfen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde dazu aus, dass die Revisionswerberin ihren Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens auf das Hervorkommen neuer Beweise, nämlich einer Zeugenaussage stütze. Sie mache geltend, einen neuen Zeugen gefunden zu haben, der beweisen könne, dass sie weisungsgebunden gearbeitet habe. Diesen Zeugen habe sie jedoch im Antrag nicht namentlich genannt.

Im Bescheid der belangten Behörde vom 21. Februar 2006 sei der Sachverhalt wesentlich auf Ergebnisse eines umfangreichen und ausführlichen Beweisverfahrens des Arbeits- und Sozialgerichtes gestützt worden, dessen Urteil nach Berufung der Revisionswerberin an das Oberlandesgericht und Revision an den Obersten Gerichtshof rechtskräftig geworden sei. Dieser Bescheid und die ihm zugrunde liegende Beweisführung seien durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. April 2008, Zl. 2006/08/0160, bestätigt worden. Sowohl diesem Beweisverfahren als auch der Einvernahme des Herrn S. (des Geschäftsführers der Dienstgeberin) vor dem Landeshauptmann von Wien (der Einspruchsbehörde) sei klar und eindeutig zu entnehmen gewesen, dass Herr S. auf Grund zeitlicher und persönlicher Einschränkungen keine Dienstgeberfunktion ausgeübt habe. Die Tatsache, dass über einen Zeitraum von 1 1/2 Jahren keinerlei Gehalt an die Revisionswerberin ausbezahlt worden sei, bestärke diese Ansicht. Diese für die belangte Behörde schwerwiegenden Argumente gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses könnten auch durch die Aussagen eines Zeugen, der lediglich gelegentlich Beobachtungen aus der Position eines Betriebsfremden gemacht haben könne, kaum zu einer gravierenden Änderung der Feststellungen zum Sachverhalt und somit auch zu keiner anderen Entscheidung führen. Auch habe der Rechtsbehelf der Wiederaufnahme nicht den Sinn, Versäumnisse aus anderen Verfahren durch die auch in diesem Verfahren mögliche, aber nicht zweckmäßige Einvernahme einer bestimmten Person nachzuholen.

Schließlich sei auch ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wegen des Hervorkommens neuer Beweismittel ohne konkrete Nennung des Zeugen mit Namen und ohne Hinweis, wie weit dieser durch seine Aussage voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte, zu wenig konkret, um die Voraussetzung für die Antragstattgebung zu erfüllen. Es gebe im Antrag keinen Hinweis darauf, dass die Einvernahme des Zeugen voraussichtlich ein anderes Beweisergebnis gebracht hätte.

Umso weniger sei eine Änderung des durch zahlreiche bisherige Einvernahmen und durchgeführte Beweisverfahren festgestellten Sachverhaltes wahrscheinlich. Die nunmehr nach Aufforderung genannten Zeugen seien allesamt im Verfahren bereits bekannt gewesen, und es sei der Revisionswerberin schon im damals noch laufenden Verfahren möglich gewesen, deren Einvernahme zu beantragen.

Weiters leide die Glaubwürdigkeit der Revisionswerberin, wenn sie in ihrem Antrag erwähne, dass sie einen Zeugen habe, den sie jetzt erst zufällig habe eruieren können, jedoch nach Aufforderung, diesen zu nennen, eine Liste von rund zehn Personen einreiche.

Ebenso wenig sei die Nennung des Zeugen Sch. (ihres nunmehrigen Ehemannes) nach dem Vorhalt, dass alle genannten Zeugen im Verfahren bereits bekannt gewesen seien, glaubwürdig. Vielmehr entstehe der Eindruck, dass sich die Revisionswerberin mit dem Ausgang der bisherigen Verfahren (sowohl betreffend Feststellung der Pflichtversicherung als auch Rückforderung des Krankengeldes und Anspruch auf Insolvenzausfallgeld) nicht abfinden könne und mit dem Rechtsbehelf der Wiederaufnahme in diesem Verfahren sämtliche Verfahren unbedingt wieder aufrollen wolle. Angesichts der bisherigen umfangreichen Feststellungsverfahren, die fast alle höchstgerichtlich bestätigt worden seien, könne die durch die Revisionswerberin erfolgte dürftige Nennung von Zeugen, ohne Auseinandersetzung damit, wie diese so entscheidende Beobachtungen machen hätten können, dass sie sämtliche bisherigen Feststellungen entkräften könnten, sowie den (vor allem auch zeitlichen) Umständen, wie sie an diese Zeugen gelangt sei, die belangte Behörde nicht davon überzeugen, dass deren Aussagen voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, die gemäß § 4 Abs. 1 letzter Satz Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) als Revision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG gilt, hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass für die Behandlung der Revision gemäß § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden sind und - da der angefochtene Bescheid nicht von einer unabhängigen Verwaltungsbehörde oder einer Behörde gemäß Art. 20 Abs. 2 Z 2 oder 3 B-VG stammt - auch die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht gelten.

Weiters ist vorauszuschicken, dass sich die Revision - ungeachtet des nicht differenzierenden Aufhebungsantrags - im Hinblick auf den geltend gemachten Beschwerdepunkt ausschließlich gegen die Nichtstattgebung des Wiederaufnahmeantrages und nicht auch gegen die ebenfalls mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Zurückweisung eines Verfahrenshilfeantrages richtet.

2. Nach dem im vorliegenden Fall maßgeblichen § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Der Wiederaufnahmewerber muss den Grund, auf den sich das Wiederaufnahmebegehren stützt, in seinem Antrag aus eigenem Antrieb konkretisiert und schlüssig darlegen. Sein Antrag kann nur dann zur Wiederaufnahme führen, wenn er Tatsachen vorbringt, auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrifft, dass sie im wiederaufzunehmenden Verfahren zu einem anderen Bescheid geführt hätten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2013, Zl. 2011/11/0051, mwN).

3. Die Revisionswerberin hat ihren Antrag ausschließlich damit begründet, dass die beiden namhaft gemachten Zeugen ihre Weisungsgebundenheit und das Fehlen selbständiger Entscheidungsbefugnisse bestätigen hätten können. Auch in der Revision macht sie nur geltend, dass die Zeugen ihre Weisungsgebundenheit hätten belegen können.

Sie legt aber nicht dar, auf welche Wahrnehmungen der Zeugen sich diese Angaben gestützt hätten, sodass sie geeignet wären, die auf einer umfangreichen Beweisaufnahme beruhenden Feststellungen der belangten Behörde im den Gegenstand des Wiederaufnahmeantrags bildenden Bescheid in Frage zu stellen. Dazu kommt, dass die persönliche Abhängigkeit der Revisionswerberin schon wegen des Fehlens persönlicher Arbeitspflicht zu verneinen war (vgl. das Erkenntnis vom 2. April 2008, Zl. 2006/08/0160, Punkt 2. der Entscheidungsgründe). Selbst eine allfällige Weisungsgebundenheit der Revisionswerberin vermöchte daran nichts zu ändern. Die Beurteilung der Weisungsgebundenheit war somit nicht tragend für das Ergebnis des den Gegenstand des Wiederaufnahmeantrags bildenden Bescheides.

Die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, dass die nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG für eine Wiederaufnahme erforderliche Wahrscheinlichkeit für einen anderslautenden Bescheid nicht vorgelegen ist, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Da somit bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. Februar 2014

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