VwGH 2013/06/0254

VwGH2013/06/025421.3.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag. Merl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, in der Beschwerdesache der R H in Graz, vertreten durch Dr. Anton Mikosch, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Waaggasse 18/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 28. Oktober 2013, Zl. KUVS- 188/7/2013, betreffend eine Verwaltungsstrafe nach der Kärntner Bauordnung und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Gleichzeitig wird die Beschwerde gegen den angeführten Bescheid zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 28. Oktober 2013 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Villach insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen und das Straferkenntnis bestätigt.

Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2013, eingelangt beim Verwaltungsgerichtshof am 31. Dezember 2013 (laut Postaufgabeschein wurde der Schriftsatz am 30. Dezember 2013 der Post zur Beförderung übergeben), brachte die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den obgenannten Bescheid ein.

Nach Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes teilte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 22. Jänner 2014 mit, der angefochtene Bescheid sei am 14. November 2013 zugestellt worden.

Mit Verfügung vom 3. Februar 2013 hielt der Verwaltungsgerichtshof dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin die Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (Fristende 27. Dezember 2013) vor.

Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2014 brachte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin unter anderem einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde ein. Diesen begründete er damit, dass auf Grund eines für ihn völlig überraschenden und nicht vorhersehbaren einmaligen Versehens der bisher absolut verlässlichen Kanzleikraft Frau W. die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vom 19. Dezember 2013 nicht am 20. Dezember 2013, sondern erst am 30. Dezember 2013 zur Post gegeben worden sei. Frau W. habe am 20. Dezember 2013 - wie gewohnt - unter anderem die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zum Postamt gebracht. Dort sei ihr auf Grund des allgemein herrschenden Weihnachtsstresses der Fehler unterlaufen, die Beschwerde zu übersehen und in ihrer Tasche wieder mit nach Hause zu nehmen. Da es sich um eine Tasche handle, die von der Kanzleikraft ausschließlich für die Arbeit verwendet werde, sei ihr erst am 30. Dezember 2013, somit 10 Tage nach der vermeintlichen Aufgabe der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, aufgefallen, dass sie diese irrtümlich in ihrer Tasche vergessen und nicht aufgegeben hätte. Die Kanzleikraft sei ab Kanzleischluss am Freitag, den 20. Dezember 2013, bis einschließlich 1. Jänner 2014 auf Urlaub gewesen. Am Montag, den 30. Dezember 2013, habe sie jedoch ihre Arbeitstasche für die kommende Arbeitswoche geordnet und dabei mit Entsetzen festgestellt, dass sich die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde noch in der Tasche befunden habe. Daraufhin habe sie diese unverzüglich zur Post gebracht.

Frau W. sei seit vier Jahren als Kanzleikraft tätig und habe sich bisher nichts zuschulden kommen lassen. Da es sich um ein einmaliges Versehen handle, das angesichts der bisherigen Verlässlichkeit der Kanzleikraft nicht zu erwarten gewesen sei, könne dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin nicht die Verletzung der von ihm zu erwartenden Sorgfalts-, Organisations- und Kontrollpflichten vorgeworfen werden.

Diesem Antrag liegt eine eidesstattliche Erklärung der Kanzleikraft mit folgendem Wortlaut bei:

"Ich, Sabrina W(…), bin seit vier Jahren als Rechtsanwaltssekretärin tätig und habe im Rahmen meiner Tätigkeit auch die Fristen überprüft und in die Fristenliste eingetragen.

Ich habe den Schriftsatz vom 19.12.2013 erst am 30.12.2013 zur Post gebracht, dies aufgrund der Tatsache, dass ich zwar am 20.12.2013 in der Absicht die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zur Post zu bringen, diese irrtümlich in meiner Arbeitstasche vergessen habe und erst nach 10 Tagen meinen Fehler entdeckt habe.

Dies ist aus einen für mich unerklärlichen und nicht nachvollziehbaren Versehen geschehen.

(Ort, Datum und Unterschrift)"

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG (in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung; vgl. § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG) ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumnis zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Ein "Hindernis" fällt als solches weg, wenn das relevante Ereignis erkannt werden konnte bzw. musste (vgl. die bei Mayer, Bundes-Verfassungsrecht, 4. Auflage, VI.1. zu § 46 VwGG, sowie bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, 2. Auflage, E 305 ff zu § 71 AVG zitierte hg. Judikatur).

Ein Verschulden des Vertreters ist einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Ein einem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt somit einen Wiedereinsetzungsgrund für den Antragsteller nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hierbei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Vertreters, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.

Wenn einem Angestellten des Vertreters iZm der Einhaltung einer Frist ein Fehler unterläuft, hat das die Partei selbst nur dann nicht zu vertreten, wenn ihr bevollmächtigter Vertreter (hier ein Rechtsanwalt) der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Angestellten nachgekommen ist, den Vertreter (Rechtsanwalt) selbst an der Versäumung keinerlei Verschulden, insbesondere auch nicht in der Form der "culpa in custodiendo" trifft (vgl. den hg. Beschluss vom 25. August 1994, Zl. 94/19/0019).

Das Verschulden von Kanzleikräften stellt daher für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist (vgl. den hg. Beschluss vom 30. Juni 2010, Zl. 2010/08/0135). Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. beispielsweise den hg. Beschluss vom 26. Februar 2004, Zl. 2003/15/0145, u.a.).

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Antragstellers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgegeben wird (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 30. Oktober 2003, 2003/15/0042, 0071).

Im Antrag auf Wiedereinsetzung wurde nur vorgebracht, dass der Kanzleikraft am 30. Dezember 2013 ihr Fehler aufgefallen und die Rechtsanwaltskanzlei bis 1. Jänner 2014 urlaubsbedingt nicht besetzt gewesen sei. Zur Frage der Kontrolle der Postaufgabe der Beschwerde enthält der Wiedereinsetzungsantrag keine konkreten Angaben. Die Vornahme von Kontrollen in der Rechtsanwaltskanzlei, hier insbesondere ob zur Postaufgabe vorgesehene Sendungen tatsächlich zur Post gegeben und versendet werden (etwa an Hand der Postaufgabescheine rekommandierte Sendungen), wird in keiner Weise dargelegt. Gerade in Fällen besonderer Dringlichkeit ist aber das Fehlen eines diesbezüglichen Kontrollsystems nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten (vgl. die hg. Beschlüsse vom 26. Februar 2004, Zl. 2003/15/0145, vom 30. März 2006, Zl. 2006/15/0109, u.a.).

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher ein Erfolg zu versagen.

Somit war auch die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist des § 26 Abs. 1 Z 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 21. März 2014

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte