VwGH 2012/03/0007

VwGH2012/03/000725.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Ing. H Z in G, vertreten durch Dr. Werner Posch, Rechtsanwalt in 2640 Gloggnitz, Hauptstraße 37, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. Dezember 2012, Zl E1/11000/2011, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 Waffengesetz 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), ein Waffenverbot verhängt.

Dabei ging die belangte Behörde - nach Wiedergabe des Verfahrensverlaufes - davon aus, dass der Beschwerdeführer im Zuge eines Nachbarschaftsstreits am 30. September 2010 zu näher bestimmten Zeitpunkten gegenüber Polizeibeamten und einer Bediensteten der Stadtgemeinde Gloggnitz sinngemäß geäußert habe, er beabsichtige, sich eine automatische Waffe bzw Pistole und einen Waffenpass zu besorgen, um R T zu erschießen bzw um ihn damit "wegzuräumen", bevor dieser ihn erschießen würde.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde im Wesentlichen, für die Verhängung des Waffenverbots sei nicht entscheidend, ob der Beschwerdeführer - wie er behaupte - von R T im Vorfeld des gegenständlichen Vorfalls provoziert worden sei. Entscheidend sei, dass der Beschwerdeführer nach den Streitigkeiten wiederholt gegenüber Polizeibeamten und einer Gemeindebediensteten gedroht habe, sich eine Waffe zu besorgen und R T damit zu erschießen. Überdies habe er tatsächlich einen Waffenhändler telefonisch konsultiert und diesem sein Interesse bezüglich eines Waffenpasses und einer gebrauchten Glock-Pistole bekundet. Die Behörde könne daher beim besten Willen derartige Drohungen nicht mehr als bloße Unmutsäußerungen nach einer Streitigkeit einstufen. Dem Akteninhalt sei auch zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer bei Streitigkeiten offenbar zu einer gewissen Unbeherrschtheit neige und eine gegenüber einem durchschnittlichen Menschen etwas herabgesetzte Hemmschwelle habe. All dies lasse den Schluss zu, dass er im Falle einer Auseinandersetzung auch nicht davor zurückschrecken würde, eine Waffe gegen seinen Kontrahenten zu verwenden. Für die Behörde stehe jedenfalls fest, dass der Beschwerdeführer bei Meinungsverschiedenheiten offenbar seine Emotionen nicht unter Kontrolle habe und bei solchen Auseinandersetzungen offenbar auch dazu bereit sei, die körperliche Integrität einer anderen Person zu verletzen. Die Drohung, einen Menschen zu erschießen, da dieser beabsichtigen würde, einen selbst zu erschießen, könne auch keinesfalls als bloße Absicht interpretiert werden, eine gerechtfertigte Notwehr im Falle eines Angriffs zu üben. Somit seien vom Beschwerdeführer ausgehende Übergriffe unter missbräuchlichem Verwenden einer Waffe in zukünftigen Streitigkeiten durchaus zu befürchten. Dass die Staatsanwaltschaft das wegen des Vorfalls eingeleitete Strafverfahren eingestellt habe, ändere nichts, weil für die Verhängung des Waffenverbots eine strafgerichtliche Verfolgung oder Verurteilung nicht erforderlich sei, sondern allein entscheidend sei, ob die zukünftige Möglichkeit des Missbrauchs einer Waffe zu befürchten sei. Bei einer Bejahung der Frage dürfe sich die Behörde auch nicht von einem untadeligen Vorleben des Betroffenen von der Verhängung des Waffenverbots abhalten lassen. Für die belangte Behörde stehe fest, dass der Beschwerdeführer wiederholt damit gedroht habe, einen anderen Menschen zu erschießen und sich zudem bei einem Waffenhändler schon über den Ankauf einer Pistole informiert habe. Aufgrund dieser Umstände gehe die Behörde unabhängig vom Inhalt der betreffend den Beschwerdeführer erstellten psychologischen Gutachten davon aus, dass sein Verhalten (nämlich seine Gewalt- und Aggressionsbereitschaft) durchaus schon die für die Annahme einer Gefahr nach § 12 Abs 1 WaffG erforderliche Intensität und Kontinuität erreicht habe. Es sei die Möglichkeit eines zukünftigen Missbrauchs einer Waffe aufgrund der beschriebenen Verhaltensweisen jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Die belangte Behörde gehe daher von der begründeten Besorgnis aus, dass der Beschwerdeführer durch die missbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen gefährden könnte, weshalb die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs 1 WaffG zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn "aufzuheben".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 12 Abs 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der im § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck ist ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt lediglich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde nach § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 21. Oktober 2011, Zl 2010/03/0148, mwN).

2. Die Beschwerde macht geltend, die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (BH; erstinstanzliche Behörde) habe ihm zunächst mit einem Mandatsbescheid den Besitz von Munition und Waffen gemäß § 12 Abs 1 WaffG verboten. Über seine Vorstellung habe die BH in der Frist des § 57 Abs 3 AVG zwar ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, das aber kein Waffenverbot gemäß § 12 Abs 1 WaffG, sondern eine "Überprüfung der Verläßlichkeit" nach § 25 WaffG zum Inhalt gehabt habe. Mit dem ihr Verfahren abschließenden Bescheid (vom 24. Mai 2011) habe die BH das ausgesprochene Waffenverbot auf der Rechtsgrundlage von § 12 Abs 1 iVm § 8 Abs 6 WaffG bestätigt. Der dagegen erhobenen Berufung sei von der belangten Behörde keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt worden, dass das Waffenverbot (nur) auf § 12 Abs 1 WaffG gestützt worden sei. Da die BH nach der Vorstellung des Beschwerdeführers keine Ermittlungen zum Tatbestand nach § 12 WaffG eingeleitet habe, sondern ausschließlich die Verlässlichkeitsprüfung nach § 25 iVm § 8 WaffG Gegenstand des weiteren Verfahrens gewesen sei, woran auch die Anführung von "§ 12 iVm § 8/6" WaffG im Vorstellungsbescheid nichts ändere, habe die belangte Behörde durch die Bestätigung des Waffenverbots über eine andere Sache als die erstinstanzliche Behörde entschieden und ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG belastet.

Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugeben, dass die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs 4 AVG nur über jene "Sache" zu entscheiden hat, die den Inhalt des Spruchs der Behörde erster Instanz gebildet hat (vgl dazu etwa Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 111f zu § 66). Dass die belangte Behörde ihren dadurch vorgegebenen Entscheidungsspielraum überschritten hätte, trifft aber nicht zu:

Es braucht nicht näher darauf eingegangen zu werden, ob die erstinstanzliche Behörde durch ihre Ermittlungsschritte die Frist nach § 57 Abs 3 AVG eingehalten hat. Selbst wenn nämlich davon ausgegangen würde, dass der Mandatsbescheid der BH infolge Fristversäumnis außer Kraft getreten wäre (Derartiges wird von der Beschwerde im Übrigen gar nicht explizit behauptet), war die erstinstanzliche Behörde nicht gehindert, in der Angelegenheit des Waffenverbots neuerlich zu entscheiden. Gegenstand des Berufungsverfahrens vor der belangten Behörde war daher der (zulässig ergangene) erstinstanzliche Bescheid vom 24. Mai 2011, mit dem - unstrittig - dem Beschwerdeführer der Besitz von Waffen und Munition (Waffenverbot) "gemäß §§ 12 Abs. 1 iVm 8 Abs. 6" WaffG verboten worden war. Mit dem Spruch dieses erstinstanzlichen Bescheids wurde daher eindeutig ein Waffenverbot erlassen, mag dieses auch - wie die belangte Behörde und der Beschwerdeführer richtig erkannt haben - hinsichtlich § 8 Abs 6 WaffG auf eine falsche Gesetzesstelle gestützt worden sein. "Sache" des Berufungsverfahrens vor der belangten Behörde war somit das gegen den Beschwerdeführer verhängte Waffenverbot, weshalb die belangte Behörde ihre Zuständigkeit mit dem angefochtenen Bescheid nicht überschritten hat.

3. Im Folgenden wendet die Beschwerde ein, der angefochtene Bescheid könne auch "wegen anderer Verfahrenswidrigkeiten und inhaltlicher Mängel nicht aufrecht bleiben". Keine Rolle spiele die Frage, ob der Beschwerdeführer sich - wofür der Akteninhalt spreche - nur zu (sehr undeutlichen) Unmutsäußerungen hinreißen habe lassen, weil der von der Behörde angenommene Sachverhalt selbst dann, wenn er ernst zu nehmen wäre, keinen Tatbestand nach § 12 WaffG verwirkliche. Dem Sachverhalt zufolge habe der Beschwerdeführer R T nicht bedroht, sondern Amtsorganen ein Vorhaben angekündigt, das weder ein Aggressionspotential offenbare noch auf eine missbräuchliche Waffenverwendung gerichtet gewesen sei. Hinzu komme, dass die belangte Behörde nur die Möglichkeit eines zukünftigen Missbrauchs von Waffen feststelle. Die bloße Möglichkeit erreiche aber nicht annähernd jenen Grad hoher Wahrscheinlichkeit, der eine ernsthafte Besorgnis als Voraussetzung für ein Waffenverbot erwecke. Die Unmöglichkeit eines Waffenverbots erkennend, habe die BH auch Ermittlungen zur Überprüfung der Verlässlichkeit des Beschwerdeführers eingeleitet. Die belangte Behörde habe es unterlassen, ein - unter einem vorgelegtes - fachpsychologisches Gutachten zu berücksichtigen, wonach - mit Blick auf den gegenständlichen Vorfall - die Verlässlichkeit nicht weggefallen sei und daher (auch) nichts im Sinne des § 12 WaffG zu befürchten sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine (relevante) Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Bescheids auf:

Die Begründung des angefochtenen Bescheids lässt insgesamt keinen Zweifel daran, dass die belangte Behörde aufgrund der vom Beschwerdeführer mehrfach geäußerten Todesdrohungen gegen eine andere Person (verbunden mit seinen Erkundigungen bei einem Waffenhändler) zu der Annahme gelangte, er könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben und die Gesundheit von Menschen gefährden. Diese Einschätzung ist auf dem Boden der von der Beschwerde im Ergebnis nicht in Zweifel gezogenen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde nicht als unrichtig zu erkennen.

Insbesondere trifft es nicht zu, dass die belangte Behörde die Ermittlungsergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens nicht berücksichtigt hätte. Im Rahmen der Wiedergabe des Verfahrensverlaufes führte die belangte Behörde aus, dass im erstinstanzlichen Verfahren zwei psychologische Gutachten eingeholt worden seien. Im ersten Gutachten (vom 14. Jänner 2011) seien zum Zeitpunkt der Untersuchung überwiegend positive Stressverarbeitungsstrategien und keine aggressiven Verhaltenstendenzen des Beschwerdeführers erfasst worden. In einem Persönlichkeitsverfahren seien jedoch starke Dissimulationstendenzen beschrieben worden, die auf ein Leugnen und Abwehren von Symptomen oder Problemen hinweisen würden. Weiters seien überdurchschnittliche Werte in den Skalen "Straffälligkeit" und "Dominanz in sozialen Situationen" erfasst worden. Deshalb könne beim Beschwerdeführer nicht ausgeschlossen werden, dass er unter psychischer Belastung mit einer Waffe unvorsichtig oder leichtfertig umgehen werde. Das zweite Gutachten (vom 31. März 2011; dieses Gutachten wurde mit der hg Beschwerde vorgelegt) spreche dem Beschwerdeführer die Verlässlichkeit iSd WaffG nicht ab; eine Gefährlichkeit sei offensichtlich nicht gegeben. In einem "überdauernden Verfahren" hätte der Beschwerdeführer allerdings Facetten einer erhöhten Unverträglichkeit mit deutlich cholerischen und dominanten Temperamentszügen gezeigt. Er zeige ein leicht erhöhtes Misstrauen und neige dazu, sich selbst tugendhaft zu präsentieren. Er habe ein mangelndes Interesse an sozialen Verhaltensregeln, sei häufig unnachgiebig und habe mitunter Schwierigkeiten, seine Feindseligkeit in angemessener Weise zum Ausdruck zu bringen. Er stelle sein Verhalten gerne demonstrativ zur Schau (häufiges Auftreten bei der Polizei, lautes Auftreten am Grundstück, zur Rede stellen, demonstrativer Besuch beim Waffenhändler). Er neige zu Überempfindlichkeiten und fühle sich in sozialen Aspekten mitunter benachteiligt (z B Polizei benachteilige ihn). Es habe sich auch gezeigt, dass er bei der Lösung aggressiver Tendenzen eher versuche, einen kognitiven Zugang zu finden. Er suche Erklärungen, grüble und sorge sich. Seine Verhaltensweise finde das Korrelat in einem belastenden und andauernden Nachbarschaftsstreit, wo festgestellte Provokationen anderer Personen vorhanden gewesen seien. Die testpsychologische Untersuchung habe derzeit keine Anzeichen für einen Alkoholmissbrauch, eine aggressive Persönlichkeitsstörung oder krankheitswertige Symptomatik ergeben. Es handle sich eher um Persönlichkeitsakzentuierungen, welche im Geschäftsleben nicht untypisch seien und die nicht den Schluss zuließen, dass eine Verlässlichkeit iSd WaffG für Jagd- und historische Waffen nicht gegeben sei.

Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass die belangte Behörde die Gutachten im angefochtenen Bescheid unrichtig oder in entscheidenden Punkten unvollständig wiedergegeben hätte. In Bezug auf das - für den Beschwerdeführer günstigere - zweite Gutachten decken sie sich auch mit der im hg Beschwerdeverfahren vorgelegten Urkunde. Auf dieser Grundlage ist aber die Prognose der belangten Behörde, sie gehe aufgrund der erwiesenen Tatsachen (insbesondere den massiven Drohungen) ungeachtet einzelner für den Beschwerdeführer sprechender gutachterlicher Ausführungen von der für ein Waffenverbot erforderlichen (qualifizierten) Gefährlichkeit des Beschwerdeführers aus, nicht zu beanstanden. Aus den beiden Gutachten lässt sich nämlich nicht - übereinstimmend - ableiten, dass die Gefahr einer (qualifiziert) missbräuchlichen Verwendung von Waffen durch den Beschwerdeführer nicht gegeben wäre. Es ist auch nicht nachvollziehbar, wenn die festgestellten massiven Drohungen durch den Beschwerdeführer im - für den Beschwerdeführer günstigeren - zweiten Gutachten bloß als Ausfluss einer "Persönlichkeitsakzentuierungen, welche im Geschäftsleben nicht untypisch" seien und die nicht den Schluss zuließen, "dass Verlässlichkeit im Sinne des Waffengesetzes für Jagd- und historische Waffen nicht gegeben" sei, bezeichnet werden.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 25. Jänner 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte