VwGH 2011/21/0196

VwGH2011/21/01965.7.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, in der Beschwerdesache des M in W, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 25, gegen die als Ladungsbescheid bezeichnete Erledigung der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. Juli 2011, Zl. III- 1292550/FrB/11, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §19 Abs3;
AVG §19;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z4;
VwGG §34 Abs1;
AVG §19 Abs3;
AVG §19;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z2 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

Mit der als "Ladungsbescheid" titulierten Erledigung der Bundespolizeidirektion Wien (der belangten Behörde) vom 7. Juli 2011 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Guinea, aufgefordert, am 31. August 2011 zu einem näher angeführten Zeitpunkt zur belangten Behörde zu kommen, um in der Angelegenheit "Überprüfung der Aufenthaltsgrundlage bzw. Regelung der Ausreise" als Partei mitzuwirken. Wenn er diesen "Ladungsbescheid" ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht befolge, müsse er damit rechnen, dass ein Festnahmeauftrag gemäß § 74 Abs. 2 Z 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG erlassen werde. Als weitere Rechtsgrundlagen wurden § 19 AVG und § 77 Abs. 4 FPG angeführt.

Die gegen diese Erledigung erhobene Beschwerde erweist sich aus folgenden Gründen als unzulässig:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Ladung grundsätzlich nur eine das Verfahren betreffende Anordnung, der aber unter gewissen Voraussetzungen kraft ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes der Charakter eines Bescheides eingeräumt ist. Voraussetzung dafür ist, dass im Fall des ungerechtfertigten Ausbleibens des Vorgeladenen an die Ladung kraft Gesetzes unmittelbar Rechtsfolgen geknüpft sind, etwa dass diese einen rechtskräftigen Vollstreckungstitel - nämlich den Titel für die Vollstreckung einer Zwangsstrafe oder der zwangsweisen Vorführung -

bildet. Die Vollstreckung der zwangsweisen Vorführung oder einer Zwangsstrafe ist gemäß § 19 Abs. 3 AVG u.a. nur zulässig, wenn sie in der Vorladung angedroht war.

In der gegenständlichen Ladung wurde keine der in § 19 Abs. 3 AVG genannten Rechtsfolgen, sondern ausschließlich die Erlassung eines Festnahmeauftrages gemäß § 74 Abs. 2 Z 1 und 2 FPG angedroht.

Nach § 74 Abs. 2 Z 1 FPG (in der hier maßgeblichen Fassung des FrÄG 2011) kann gegen einen Fremden ein Festnahmeauftrag erlassen werden, "wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde erfolgt". Nach § 74 Abs. 2 Z 2 FPG in der genannten Fassung kann gegen einen Fremden ein Festnahmeauftrag erlassen werden, "wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 1 und 70 Abs. 1, § 10 AsylG 2005) nicht nachgekommen ist".

Die Festnahmeaufträge nach § 74 Abs. 2 Z 1 und 2 FPG knüpfen demnach, anders als etwa jener nach § 74 Abs. 2 Z 4 FPG, nicht unmittelbar an die Nichtbefolgung der Ladung an; ein ungerechtfertigtes Ausbleiben vom Termin zöge mit Blick auf § 74 Abs. 2 Z 1 und 2 FPG keine unmittelbar aus der Ladung resultierende gesetzliche Rechtsfolge nach sich, für deren Vollstreckung schon diese Ladung einen rechtskräftigen Titel bilden würde. Die hier angefochtene Ladung kann daher nur als einfache Ladung angesehen werden, der Bescheidcharakter nicht zukommt (vgl. dazu etwa Hengstschläger/Leeb, AVG § 19 Rz 5 und 22 mwN, sowie den hg. Beschluss vom 19. Mai 2011, Zl. 2010/21/0001). Daran vermag weder die Überschrift "Ladungsbescheid" noch die in der Erledigung enthaltene Androhung von Zwangsfolgen nach § 74 Abs. 2 Z 1 und 2 FPG, deren Eintritt erst die Prüfung des Vorliegens der dort normierten Voraussetzungen erforderte, noch der Hinweis auf die Möglichkeit, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, etwas zu ändern.

Voraussetzung der Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist aber die Existenz eines anfechtbaren Bescheides. Da ein solcher nach dem Gesagten nicht vorliegt, war es auch nicht möglich, dagegen zulässigerweise Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zu führen (vgl. zum Ganzen weiters etwa die hg. Beschlüsse vom 5. Juli 2011, Zl. 2010/21/0415 und Zl. 2010/21/0428, sowie vom 20. Oktober 2011, Zl. 2010/21/0486).

Die dennoch erhobene Beschwerde war somit, ohne dass es auf die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift angesprochene Klaglosstellung durch neuerliche Ladung des Beschwerdeführers zu einem späteren Termin (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 20. März 2012, Zl. 2012/21/0016) ankäme, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Trotz Zurückweisung der Beschwerde war der belangten Behörde in einem Fall wie dem vorliegenden Aufwandersatz nicht zuzusprechen (vgl. auch dazu den schon erwähnten hg. Beschluss vom 19. Mai 2011).

Wien, am 5. Juli 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte