Spruch:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Beschluss vom 7. Juli 2011, 2011/15/0030 und 0031, hat der Verwaltungsgerichtshof die mit 31. Jänner 2011 datierten und am selben Tag zur Post gegebenen Beschwerden gegen die oben genannten Bescheide wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückgewiesen. In der Begründung dieses Beschlusses wird ausgeführt, dass die Beschwerden nach dem darin angeführten Zustelldatum der angefochtenen Bescheide (20. Dezember 2010) rechtzeitig erhoben erschienen. Nach Einleitung der Vorverfahren habe die belangte Behörde aber unter Vorlage der Rückscheine in ihren Gegenschriften darauf hingewiesen, dass die Zustellung der angefochtenen Bescheide bereits am 17. Dezember 2010 erfolgt sei.
Im vorliegenden - am 29. August 2011 zur Post gegebenen - Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefristen wird ausgeführt, Nachforschungen hätten ergeben, dass die anzufechtenden Bescheide, die an eine WirtschaftsprüfungsGmbH als Vertreterin der Antragstellerin adressiert waren, am 17. Dezember 2010, einem Freitag, von der Kanzleileiterin Frau KP entgegen genommen worden seien. Die an sich mit der Bearbeitung der Post befasste Kanzleimitarbeiterin Frau CP habe sich an diesem Tag auf Urlaub befunden. Frau KP habe die Post an diesem Tag nicht mehr geöffnet, weil sie plötzlich Unterleibsschmerzen verspürt und daraufhin umgehend ihre Gynäkologin aufgesucht habe. Da ihr die Ärztin sofortige Bettruhe empfohlen habe, sei Frau KP in der Folge nicht mehr in die Kanzlei zurückgekehrt. Am Montag, dem 20. Dezember 2010, habe Frau CP die Post, die am 17. Dezember 2010 zugestellt worden war, gemeinsam mit der am 20. Dezember 2010 zugestellten Post bearbeitet. Frau CP habe nicht erkannt, dass ein Teil der von ihr bearbeiteten Post bereits am Freitag zugestellt worden war und auch diese Poststücke mit der Einlaufstampiglie vom 20. Dezember 2010 versehen.
Der Geschäftsführer der WirtschaftsprüfungsGmbH Dr. FK habe sich am 17. Dezember 2010 wegen eines auswärtigen Geschäftstermins zur Zeit der Postzustellung nicht mehr in der Kanzlei befunden und infolgedessen am 17. Dezember 2010 keine Postsitzung abgehalten. Die Dr. FK am Montag vorgelegte Postmappe habe bereits die irrtümlich mit den unrichtigen Daten versehenen anzufechtenden Bescheide enthalten. Der vor dem Verwaltungsgerichtshof einschreitende Vertreter der Antragstellerin habe die Beschwerdefristen schließlich ausgehend von der Eingangsstampiglie 20. Dezember 2010 berechnet. Die Verkettung der dargestellten Umstände begründe einen minderen Grad des Versehens.
Zur Frage der Rechtzeitigkeit der Antragstellung enthält der Antrag folgende Ausführungen:
"Der Wiedereinsetzungsantrag ist rechtzeitig. Der Umstand, dass die Zustellung der bekämpften Bescheide am 17.12.2010 und nicht am 20.12.2010 erfolgte, wurde für die Beschwerdeführerin bzw deren Vertreter erst durch die Zustellung der Entscheidung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshof vom 07.07.2011 und dessen Begründung sowie der erfolgten Akteneinsicht am 24.08.2011 erkennbar. Es ist zwar ein diesbezügliches Vorbringen in den Gegenschriften der belangten Behörde enthalten, auf diese Gegenschrift hat die Beschwerdeführerin durch ihre Vertreter reagiert. Zunächst hat Dr. (FK) beim (Sachbearbeiter des UFS) angerufen, um die Rückscheine zu erhalten. Dieser musste erklären, dass die Akten bereits dem VwGH vorgelegt wurden. Bei diesem hat mit Schriftsatz vom 15.07.2011 (der Beschwerdevertreter) die Übersendung von Kopien der Rückscheine beantragt, dieser Anträge wurde nicht erledigt und erfuhr (der Beschwerdevertreter) erst durch Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses am 16.08.2011 davon, dass über die Beschwerde bereits am 07.07.2011 entschieden wurde und diese zurückgewiesen wurde.
Eine Kopie der Zustellscheine konnte Dr. (FK) erst durch Akteneinsicht seiner Kanzlei am Mittwoch, dem 24.08.2011 erlangen. Erst danach konnte der Sachverhalt in der Kanzlei Dris. (K) aufgeklärt werden."
Über Berichterverfügung vom 9. September 2011 gab der Vertreter der Antragstellerin bekannt, dass die Gegenschrift der belangten Behörde am 21. Juni 2011 zugestellt worden sei, ihm zu diesem Zeitpunkt aber nicht klar gewesen sei, wie die Zustellvorgänge in der Kanzlei des steuerlichen Vertreters tatsächlich stattgefunden hätten.
Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Gemäß § 46 Abs. 3 leg. cit. ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
Im gegenständlichen Fall kann dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin durch ein Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG ohne Verschulden verhindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten. Keinesfalls kann nämlich davon ausgegangen werden, dass die zweiwöchige Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages gewahrt wurde. Diese Frist beginnt laut Gesetz mit dem Aufhören des Hindernisses. Als Hindernis im Sinne des § 46 Abs. 3 leg. cit. ist jenes Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 leg. cit. zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Besteht dieses Ereignis in einem Tatsachenirrtum über den Ablauf der Frist zur Erhebung der Beschwerde, so hört das Hindernis im Sinne des § 46 Abs. 3 VwGG auf, sobald der Beschwerdeführer (Beschwerdevertreter) den Tatsachenirrtum als solchen erkennen konnte und musste, nicht erst in dem Zeitpunkt, in dem der Beschluss über die Zurückweisung der Beschwerde als verspätet zugestellt worden ist (vgl. den hg. Beschluss vom 17. Dezember 2002, 2002/14/0127 und 0128).
Die Antragstellerin räumt ein, dass der unabhängige Finanzsenat in seinen Gegenschriften auf die Verfristung der Beschwerden hingewiesen hat. Konkret führte der unabhängige Finanzsenat in seinen Gegenschriften aus, dass die angefochtenen Bescheide "nicht - wie von ihr ausgeführt - am 20. Dezember 2010 der steuerlichen Vertreterin der Bf., sondern am 17. Dezember 2010 nachweislich zugestellt (Hinweis auf die entsprechenden Ordnungszahlen der vorgelegten Akten)" worden seien. Bereits mit Zustellung dieser Gegenschriften an den Vertreter der nunmehrigen Antragstellerin konnte der Irrtum hinsichtlich des Zustellzeitpunktes bemerkt werden und musste der Tatsachenirrtum als beseitigt gelten (vgl. auch den hg. Beschluss vom 9. Februar 2005, 2004/13/0094, 0149).
Die Gegenschriften wurden dem Vertreter der Antragstellerin am 21. Juni 2011 zugestellt. Bei allfälligen Zweifeln an der Richtigkeit des in den Gegenschriften angeführten Zustellzeitpunktes hätte spätestens zu diesem Zeitpunkt die Verpflichtung bestanden, die in den Gegenschriften angesprochenen Zustellnachweise in geeigneter Weise zu prüfen. Dass die Zustellnachweise dem Verwaltungsgerichtshof mit den Verwaltungsakten vorgelegt worden waren, konnte den Gegenschriften zweifelsfrei entnommen werden. Das erst mit Schreiben vom 15. Juli 2011 an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Ersuchen "auf Übersendung von Kopien" erfolgte bereits außerhalb der Frist des § 46 Abs. 3 VwGG.
Ausgehend vom 21. Juni 2011 als dem Zeitpunkt, zu welchem der Tatsachenirrtum hinsichtlich des Zustelldatums der angefochtenen Bescheide erkannt werden konnte und musste, erweist sich der am 29. August 2011 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefristen als verspätet.
Der Antrag war daher zurückzuweisen.
Wien, am 25. Oktober 2011
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