VwGH 2011/15/0080

VwGH2011/15/008026.6.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Klagenfurt in 9020 Klagenfurt, Kempfstraße 2 und 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 10. März 2011, Zl. RV/0492-K/09, betreffend Rückerstattung von Kapitalertragsteuer gemäß § 94a EStG 1988 (mitbeteiligte Partei: R Trading Limited in L, vertreten durch die PKF Österreicher - Staribacher Wirtschaftsprüfungs GmbH & Co KG in 1010 Wien, Hegelgasse 8), zu Recht erkannt:

Normen

31990L0435 Mutter/Tochter-RL;
BAO §22;
EStG §94a Abs2 Z2;
EStG 1988 §94a Kapitalertrag Mutter/Tochter-RL 1995 §1;
EStG 1988 §94a Kapitalertrag Mutter/Tochter-RL 1995 §2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:2011150080.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligte ist eine company limited by shares (Ltd 1) mit Sitz in L, Zypern. Sie wurde am 23. November 2006 mit einem Grundkapital von 1.000 EUR gegründet.

Ihre Aktien wurden im April 2007 von einer anderen, gleichfalls auf Zypern situierten Ltd 2 erworben, zugleich wurde das Grundkapital der Mitbeteiligten auf 11.100 EUR erhöht und eine Gesellschaftereinlage von 351.239.900 EUR geleistet.

Gesellschafter der Ltd 2 sind zwei auf den Channel Islands (Ltd 3) bzw. den British Virgin Islands (Ltd 4) situierte Gesellschaften sowie ein russischer Großinvestor.

Die Mitbeteiligte erwarb im Jahr 2007 (neben Aktien an der deutschen H AG) 28.500.001 Stück Aktien der SE, einer europäischen Gesellschaft mit Sitz in Österreich um insgesamt 1.275.000.040 EUR. Der Aktienerwerb durch die mitbeteiligte Partei war der Kommission der Europäischen Gemeinschaft nach der EG-Fusionskontrollverordnung zu melden, die dagegen keinen Einwand erhob.

Im Juni 2008 schüttete die SE an die Mitbeteiligte Dividenden in Höhe von 15.675.000,55 EUR aus, wobei sie gemäß § 93 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 iVm § 95 Abs. 4 EStG 1988 Kapitalertragsteuer einbehielt und dem zuständigen Finanzamt abführte. Die Überweisung des Nettobetrages erfolgte auf ein Londoner Bankkonto der Mitbeteiligten.

Am 20. Oktober 2008 stellte die Mitbeteiligte einen Antrag auf Erstattung der österreichischen Kapitalertragsteuer nach § 94a EStG 1988. Begründend wurde ausgeführt, dass es sich bei der mitbeteiligten Partei um eine Holdinggesellschaft handle, weshalb eine Entlastung an der Quelle nach der Verordnung BGBl. Nr. 65/1995 zu § 94a Abs. 2 Z 2 EStG 1988 unzulässig gewesen wäre. Liege kein Missbrauch vor, sei die abgeführte Kapitalertragsteuer zu erstatten. Das Vorliegen von Missbrauch sei im Beschwerdefall auszuschließen, weil die Mitbeteiligte als Holdinggesellschaft zu einer Konzerngruppe gehöre, die ihren Sitz in Russland habe. Die mitbeteiligte Partei sei eine Subholding Gesellschaft für den internationalen Bausektor. Wirtschaftlicher Zweck sei es, die unterschiedlichen Vermögensgegenstände nach Sektoren, Regionen und Geschäftsfeldern zu gliedern, wodurch eine professionelle Verwaltung gewährleistet sei, was zu einer Optimierung der Verwaltungs- und Organisationstätigkeit führe. Zypern habe aus russischer Sicht als Holdingstandort den Vorteil der englischen Sprache und des praxisfreundlichen Rechtssystems.

Das Finanzamt wies den Antrag nach Vornahme internationaler Wirtschaftsdatenabfragen ab. Die mitbeteiligte Partei habe nicht die finanziellen Mittel, Geschäfte der vorliegenden Art abzuschließen, wohl aber der hinter der Mitbeteiligten und ihrer Mutter- und Großmuttergesellschaft stehende russische Großinvestor. Alle fachlichen Aufgaben (Kauf- und Kreditverhandlungen, Vertretung der Eigentümerinteressen) seien von fachlich qualifizierten Mitarbeitern aus dem russischen Bereich des Konzerns wahrgenommen worden. Die Geschäftsführerin der Mitbeteiligten habe diese Funktion bereits zu einem Zeitpunkt bekleidet, zu dem die mitbeteiligte Gesellschaft noch nicht zum russischen Konzern gehört habe. Der Firmensitz befinde sich offensichtlich an der Privatadresse der Geschäftsführerin ohne eigenes Telefon und Fax. Die mitbeteiligte Gesellschaft sei als Mantel für den Konzernbereich erworben worden und werde nach wie vor von jener Rechtsanwaltskanzlei verwaltet, welche sie seinerzeit auf Vorrat gegründet habe. Die Mitbeteiligte entfalte keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit. Sie verfüge weder finanziell noch fachlich über die erforderlichen Rahmenbedingungen.

In ihrer Berufung gegen den Abweisungsbescheid trat die Mitbeteiligte dieser Beurteilung entgegen. Die vorliegende Struktur sei weder unüblich noch ungewöhnlich. Die Mitbeteiligte verfüge über eine, ihrer Holdingfunktion entsprechende Substanz. Eine Anrechnung der österreichischen Kapitalertragsteuer in Zypern sei wegen des eingetretenen Verlustes (aus dem Verkauf der Beteiligung an der H AG und aus der Abwertung der streitgegenständlichen Aktien der SE) nicht möglich.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und sprach aus, dass die von der SE abgeführte Kapitalertragsteuer gemäß § 94a EStG 1988 erstattet werde.

Die mitbeteiligte Ltd 1 habe als Muttergesellschaft der SE eine Entlastung von der Kapitalertragsteuer in unmittelbarer Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie Nr. 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 (ABl. EG Nr. L 225 S. 6), in der Folge Mutter- /Tochter-Richtlinie oder kurz MTR, beantragt.

Die in Umsetzung der MTR in § 94a EStG 1988 grundsätzlich geforderten Voraussetzungen lägen im Beschwerdefall unstrittig vor (unmittelbare Beteiligung im erforderlichen Ausmaß, Ausschüttung von Dividenden, Rechtsform der Muttergesellschaft, Behaltedauer). Die MTR verbiete jedoch in Art. 1 Abs. 2 eine Steuerrückerstattung zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Missbräuchen in Anwendung vertraglicher oder einzelstaatlicher Bestimmungen. Das von Österreich und der Republik Zypern abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen, BGBl. Nr. 709/1990, enthalte diesbezüglich keine Vorschriften. Es sei daher am Boden des innerstaatlichen Rechts zu prüfen, ob Missbrauch im Sinne des § 22 BAO vorliege.

Das Finanzamt habe den Antrag der Mitbeteiligten mit der Begründung abgewiesen, dass die Mitbeteiligte Teil eines Steueroasenmodells sei, bei welchem in erhöhtem Maße Missbrauchsverdacht bestünde. Dies ergebe sich insbesondere aus der Stellung der Mitbeteiligten im Gesamtkonzern, den fehlenden finanziellen Mitteln der Ltd 1, dem Fehlen eigener handelnder Personen, eigener Arbeitskräfte und Betriebsräumlichkeiten, sowie nicht zuletzt daraus, dass die SE selbst nicht die Ltd 1, sondern den namentlich bekannten russischen Geldgeber als "wahren Aktionär" (u.a. gegenüber europäischen Institutionen) offen gelegt habe.

Für die belangte Behörde sei es nicht zu beanstanden, dass ein Großinvestor geschäftliche und wirtschaftliche Aktivitäten in Konzerngesellschaften auslagere, sofern derartige Aktivitäten den EU-Raum beträfen. Dies sei beim Erwerb von österreichischen Aktien der Fall. Im Wirtschaftsleben seien Konzernstrukturen durchaus üblich und werde jeder Konzern letztlich durch eine oder mehrere natürliche Personen kontrolliert oder beherrscht. Daher sei gegen den unstrittigen Umstand der Letztkontrolle durch den russischen Investor nichts einzuwenden. Der Mitbeteiligten komme entgegen der Ansicht des Finanzamtes durchaus auch eine sinnvolle Funktion zu, weil in der Mitbeteiligten die Verwaltung der Beteiligungen an Gesellschaften des Baugewerbes in Mitteleuropa konzentriert worden sei (neben der streitgegenständlichen Beteiligung an der SE habe die Mitbeteiligte seinerzeit auch 9,99 % der Anteile an der deutschen H AG gehalten).

Die belangte Behörde könne sich auch dem Vorbringen der Mitbeteiligten, dass "hiedurch" eine Haftungseinschränkung eingetreten sei, nicht verschließen. Nach Ansicht des Finanzamtes spreche dagegen zwar der Umstand der mangelnden Kapitalausstattung der Mitbeteiligten und dass die Verluste der SE letztlich im Konzern aufgefangen worden seien. Doch habe die Mitbeteiligte zumindest über ein durch Gesellschaftereinlagen aufgebrachtes Eigenkapital von 351.239.900 EUR verfügt. Zudem seien die Aktien der SE im Zeitpunkt ihres Erwerbes durchaus werthaltig gewesen. Erst wegen des durch die Wirtschaftskrise und die Rezession im Baugewerbe eingetretenen Kursverfalls der Aktien der SE hätten sich Liquiditätsengpässe ergeben. Das Auffangen derselben mit finanziellen Mitteln des Konzerns beruhe auf einer freiwilligen Entscheidung.

Letztlich greife auch der Einwand des Finanzamtes nicht, dass für die mitbeteiligte Ltd handelnde Personen auch für andere Konzerngesellschaften tätig geworden seien. Im Wirtschaftsleben sei der Einsatz von Spezialisten durchaus üblich. Ebenso wenig ungewöhnlich sei die Zustellung von Schriftstücken an "die Kanzlei eines Rechtsanwaltes auf Zypern".

Auch so genannte "Change of Ownership" Klauseln (wie im 2009 geschlossenen Optionsvertrag enthalten) seien nicht ungewöhnlich. Der Optionsvertrag verlange lediglich die Beibringung einer Erklärung, dass der russische Investor die Mitbeteiligte kontrolliere, was im gegenständlichen Verfahren ohnedies unstrittig und nicht zu beanstanden sei. Die Europäische Kommission habe den beabsichtigten Erwerb von Aktien durch die Mitbeteiligte genehmigt, damit sei der Ansicht des Finanzamtes, der russische Investor sei Aktionär der SE der Boden entzogen. Die Mitbeteiligte habe Namensschuldverschreibungen ausgegeben, es gebe einen aufrechten Syndikatsvertrag mit der Mitbeteiligten und Bestrebungen der Mitbeteiligten, einen Teil des (zwischenzeitig verkauften) Aktienpaketes wieder zu erwerben. Zudem weise auch der Jahresabschluss der SE die Mitbeteiligte und nicht den russischen Investor als ihren Beteiligten aus und seien die Dividenden auf ein Konto der Mitbeteiligten überwiesen worden.

Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass auch in Österreich die Konzentration mehrerer Beteiligungen in einer Holding durchaus gängig und ohne Hinzutreten weiterer Aspekte weder unangemessen noch unüblich sei. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Dezember 2004, 2002/14/0074, habe einen Zeitraum vor dem Betritt Österreichs zur EU und die Auslagerung von Geschäften durch eine Gesellschaft mit Sitz in Österreich in eine in Irland ansässige Gesellschaft betroffen. Zudem sei die Konzernstruktur im Beschwerdefall zumindest im Großen offen gelegt. Es sei kein Zweifel daran gelassen worden, dass es sich beim russischen Investor um den "Ultimate Shareholder" dieses Konzerns handle und es sei auch eingeräumt worden, dass die Mitbeteiligte bloß eine konzernstrukturell sinnvolle Holdingfunktion wahrnehme.

Ohne Belang sei das Fehlen eigener Betriebsräumlichkeiten und angestellter Arbeitnehmer. Dem Umstand, dass die Mitbeteiligte bereits vor Eingliederung in den Konzern auf Vorrat gegründet worden sei, komme ebenfalls keine entscheidende Bedeutung zu. Solche Vorratsgründungen dienten der Beschleunigung der Abläufe. Darüber hinaus sei von einem langfristigen Engagement der Mitbeteiligten in Bezug auf ihre Beteiligung an der SE auszugehen und habe nach den Ausführungen in der Berufungsverhandlung keine Weiterleitung der Dividenden im Rahmen des Konzerns stattgefunden. Daher liege kein Missbrauch vor. Die Beteiligungserträge seien der Mitbeteiligten zuzurechnen und dem auf § 94a EStG 1988 gestützten Begehren auf Rückerstattung der Kapitalertragsteuer zu entsprechen.

Dagegen wendet sich die vom Finanzamt erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und die Mitbeteiligte erwogen hat:

Gemäß § 94a Abs. 1 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 180/2004 hat der zum Abzug Verpflichtete insoweit keine Kapitalertragsteuer abzuziehen, als folgende Voraussetzungen vorliegen:

"1. Der zum Abzug Verpflichtete ist eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft (Tochtergesellschaft), an deren Grund- oder Stammkapital eine unter Z 3 fallende Muttergesellschaft nachweislich in Form von Gesellschaftsanteilen unmittelbar zu mindestens einem Zehntel beteiligt ist.

2. Bei den Kapitalerträgen handelt es sich um Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

3. Die Muttergesellschaft ist eine ausländische Gesellschaft, die die in der Anlage 2 zu diesem Bundesgesetz vorgesehenen Voraussetzungen des Artikels 2 der Richtlinie Nr. 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 (ABl. EG Nr. L 225 S. 6) in der jeweils geltenden Fassung erfüllt.

4. Die in Z 1 genannte Beteiligung muß während eines ununterbrochenen Zeitraumes von mindestens einem Jahr bestehen."

Nach § 94a Abs. 2 Z 2 leg. cit. hat der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalertragsteuer jedoch u.a. dann einzubehalten, wenn Gründe vorliegen, wegen derer der Bundesminister für Finanzen dies zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Missbräuchen (§ 22 BAO) durch Verordnung anordnet. § 1 der zu § 94a Abs. 2 EStG 1988 ergangenen Verordnung BGBl. Nr. 56/1995 führt dazu aus, dass eine Unterlassung des Steuerabzugs iSd § 94a Abs. 1 EStG 1988 u.a. dann unzulässig ist, wenn Umstände vorliegen, die für die Annahme eines Missbrauches iSd § 22 der Bundesabgabenordnung sprechen und ein Missbrauch von dem zum Abzug Verpflichteten zu vertreten wäre. Ein Missbrauch iSd § 22 BAO wäre von dem zum Abzug Verpflichteten gemäß § 2 der zitierten Verordnung nur dann nicht zu vertreten, wenn er über eine schriftliche Erklärung der die Kapitalerträge empfangenden Gesellschaft verfügt, aus der hervorgeht, dass

1. die Gesellschaft eine Betätigung entfaltet, die über die bloße Vermögensverwaltung hinausgeht,

  1. 2. die Gesellschaft eigene Arbeitskräfte beschäftigt und
  2. 3. über eigene Betriebsräumlichkeiten verfügt.

    Liegt eine solche Erklärung nicht vor oder sind dem zum Abzug Verpflichteten Umstände erkennbar, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Erklärung auslösen, ist eine der Mutter-/Tochter-Richtlinie vom 23. Juli 1990, Nr. 90/435/EWG, entsprechende Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf Antrag der Muttergesellschaft durch ein Steuerrückerstattungsverfahren herbeizuführen.

    Sinn und Zweck der Einschränkung nach § 94a Abs. 2 Z 2 leg. cit. ist die Verhinderung des "Directive Shopping", d.h. der Inanspruchnahme der Mutter-/Tochter-Richtlinie durch Steuerpflichtige, denen die Vorteile dieser Richtlinie sonst nicht zustehen würden. EU-"Briefkastengesellschaften", deren man sich für internationale Steuerumgehungsstrategien bedient, sollen damit von den Begünstigungen des § 94a ausgeschlossen werden (vgl. Doralt/Kirchmayr, EStG8, § 94a Tz 37, unter Hinweis auf Loukota/Quantschnigg, SWI 1995, 51).

    Die Ansässigkeit des letztlich Berechtigten ("ultimate shareholder") ist für sich genommen kein Grund, Richtlinienvorteile zu versagen. Wäre hingegen die zwischengeschaltete EU-Gesellschaft lediglich ein Briefkasten, kann aus der Mutter/Tochter-Richtlinie keine Verpflichtung zur Erstattung der Quellensteuer abgeleitet werden (vgl. Kofler, Mutter-Tochter-Richtlinie, Kommentar, Artikel 1 Tz 83).

    Beim so genannten "Directive Shopping" geht es um Gestaltungen, bei denen sich ein in einem Drittstaat ansässiger Gesellschafter der Zwischenschaltung einer Gesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat bedient, um beispielsweise in den Genuss der Quellensteuerbefreiung nach der Mutter-/Tochter-Richtlinie zu gelangen.

    Im Urteil vom 17. Oktober 1996, C-283/94 , Denkavit, hat der EuGH den im § 94a Abs. 2 EStG 1988 vorgesehenen Quellensteuerabzug mit Erstattungsanspruch ausdrücklich als richtlinienkonform bezeichnet.

    Die MTR stellt die Gewährung von Vergünstigungen - wie gegenständlich die Entlastung von der Quellensteuer - unter einen ausdrücklichen Missbrauchsvorbehalt, indem Art. 1 Abs. 2 bestimmt:

    "Die vorliegende Richtlinie steht der Anwendung einzelstaatlicher oder vertraglicher Bestimmungen zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Missbräuchen nicht entgegen."

    Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird als Missbrauch im Sinn des § 22 BAO eine rechtliche Gestaltung angesehen, die im Hinblick auf die wirtschaftliche Zielsetzung ungewöhnlich und unangemessen ist und nur aufgrund der damit verbundenen Steuerersparnis verständlich wird. Dabei bildet im Allgemeinen nicht ein einziger Rechtsschritt, sondern eine Kette von Rechtshandlungen den Sachverhalt, mit dem die Folge des § 22 Abs. 2 BAO verbunden ist. Ein Missbrauch kann also in der dem tatsächlichen Geschehen nicht angemessenen Hintereinanderschaltung mehrerer rechtlicher Schritte bestehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Dezember 2004, 2002/14/0074, sowie mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Stoll, BAO-Kommentar, 248).

    Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid das Vorliegen eines Missbrauches iSd § 22 BAO schon deshalb ausgeschlossen hat, weil gegenständlich lediglich ein einziger Rechtsschritt, nämlich der Erwerb von Aktien durch die Mitbeteiligte, gesetzt worden sei, verkennt sie, dass der von ihr isoliert betrachtete Aktienerwerb lediglich der letzte Schritt in einer Kette von Rechtshandlungen war.

    Im Beschwerdefall steht außer Streit, dass die Mitbeteiligte von in Russland ansässigen (physischen und juristischen) Personen beherrscht wird (vgl. die aktenkundigen Stellungnahmen der Übernahmekommission sowie Veröffentlichungen im Amtsblatt der Europäischen Union COMP/M.nn).

    Diese haben die streitgegenständlichen Aktien nicht selbst erworben, sondern im Wege einer EU-Gesellschaft als Subholding (der mitbeteiligten Ltd 1), deren Muttergesellschaft (die Ltd 2) wie die Mitbeteiligte gleichfalls mit dem Sitz in Zypern als Holdinggesellschaft fungiert. Gesellschafter der Muttergesellschaft sind weitere Gesellschaften (Ltd 3 und 4), die in bekannten Steueroasen angesiedelt sind. Die Angemessenheit dieses Weges ist Gegenstand der vorzunehmenden Missbrauchsprüfung.

    Anders als für bloße Kapitalanlagegesellschaften typisch, denen lediglich Finanzierungs- und Verwaltungsaufgaben zukommen, für welche in der Regel keine besondere sachliche und personelle Ausstattung benötigt wird, hat die mitbeteiligte Ltd 1 anlässlich ihres Einstiegs bei der SE im Syndikatsvertrag vom 23. April 2007 weitere Aufgaben übernommen. Zweck ihrer Beteiligung sollte die Entwicklung der Russischen Föderation und der Staaten der früheren Sowjetunion als Kernmarkt der SE sein. Auch wurden der mitbeteiligten Ltd 1 u.a. Nominierungsrechte von Aufsichtsratsmitgliedern der SE eingeräumt. Weiters fällt auf, dass die Mitbeteiligte im angeführten Syndikatsvertag als Tochtergesellschaft der BE bezeichnet wird. Bei der BE handelt es sich nach Veröffentlichungen der EU Kommission um ein Unternehmen, das überwiegend im Gebiet Russlands tätig und vom russischen Großinvestor beherrscht wird.

    Das Vorliegen von Bezügen nach Zypern ist an Hand der - den österreichischen Behörden und den europäischen Institutionen gegenüber - offen gelegten tatsächlichen und rechtlichen Umständen nicht zu erkennen. Die von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegte Aktenlage bietet keine Anhaltspunkte dafür, die Zwischenschaltung einer auf Zypern situierten Gesellschaft als wirtschaftlich sinnvoll erscheinen zu lassen. Wirtschaftliche Aktivitäten der Mitbeteiligten in Zypern wurden nicht behauptet. Über welche Einrichtungen die Mitbeteiligte verfügte, um die mit dem Syndikatsvertrag verbundenen Aufgaben zu erfüllen, zeigt der angefochtene Bescheid nicht auf. In der Gegenschrift der Mitbeteiligten wird zu diesem Punkt eingeräumt, es liege auf der Hand und "wurde natürlich auch so praktiziert, dass bei einschlägigen Aufgaben natürlich die Spezialisten des Konzerns eingesetzt wurden". Aus diesem Grund hätten - so die Mitbeteiligte weiter - "russische Mitglieder des (BE-Konzerns) den Optionsvertrag ausverhandelt". Dieser Umstand sei darauf zurückzuführen, dass "hier einfach Spezialisten notwendig waren, um den Vertrag entsprechend zum Vorteil bzw. im Sinne der mitbeteiligten Partei abzuschließen".

    Welche Rolle der BE im Beschwerdefall zukommt, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Diese offenbar in Russland ansässige Gesellschaft wird in aktenkundigen Stellungnahmen der Übernahmekommission als Muttergesellschaft der Ltd 1 (bzw. die Ltd 1 als Tochtergesellschaft der BE) bezeichnet. Nach dem von der Mitbeteiligten vorgelegten Schaubild ist Muttergesellschaft der Mitbeteiligten hingegen die in Zypern situierte Ltd 2.

    Die Beherrschung der mitbeteiligten Ltd 1 durch Personen (gegenständlich von in Russland ansässigen Personen), denen die Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, spricht entgegen der Annahme der belangten Behörde für das Vorliegen missbräuchlicher Rechtsgestaltung, wenn für die Zwischenschaltung einer EU-Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet.

    Die Mitbeteiligte hat die gewählte Form des Anteilserwerbs mit Gründen der Konzernstrukturierung nach Sektoren, Regionen und Geschäftsfeldern erklärt. Der internationale Bausektor sei in der Mitbeteiligten konzentriert. Diese Gliederung gewährleiste eine professionelle Verwaltung, was zu einer Optimierung der Verwaltungs- und Organisationstätigkeit führe und diene der Haftungsbegrenzung.

    Dass die Zwischenschaltung von in Steueroasenländern situierten Holding- und Subholdinggesellschafen der Professionalisierung und Optimierung der Organisation diene, steht im Widerspruch zu dem unstrittigen Umstand, dass "Professionalisten des Konzerns" (wohl der BE) zu all jenen Aufgaben herangezogen werden mussten, die über das bloße Halten von Beteiligungen hinausgingen. Welche Haftungen es im Zusammenhang mit dem Besitz von Aktien zu begrenzen galt, wurde von der Mitbeteiligten nicht dargelegt. Sollte mit der "Haftungsbegrenzung" das Einstehen-Müssen für eigene Schulden (der Erwerb der Aktien war zu einem großen Teil fremdfinanziert) gemeint sein, hat schon das Finanzamt diesen Einwand zu Recht als nicht überzeugend angesehen, weil es wenig wahrscheinlich ist, dass eine (von den zu erwerbenden Aktien abgesehen) vermögenslose Ltd ohne zusätzliche Besicherung (durch die sie beherrschenden Personen) einen Kredit der vorliegenden Größenordnung erhält.

    Die im Verwaltungsverfahren eingewandten außersteuerlichen Gründe für die Zwischenschaltung der Mitbeteiligten (der Vorteil der englischen Sprache, die kulturelle Nähe Zyperns zu Russland) sind nicht nachvollziehbar.

    Im Beschwerdefall gibt es keine Hinweise, dass die Mitbeteiligte über das bloße Halten der Beteiligungen hinaus die ihr durch den Syndikatsvertrag zusätzlich eingeräumten Aufgaben ausgeübt hätte. Unstrittig verfügte die Mitbeteiligte weder über eigene Büroräume noch über das entsprechend qualifizierte Personal. Wenn die belangte Behörde dessen ungeachtet zur Beurteilung gelangt ist, dass es sich bei der Zwischenschaltung der Mitbeteiligten nicht um eine "rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltung" (so EuGH-Urteil vom 12. September 2006, C-196/04 , Cadbury Schweppes,Rn. 68), also um keine Gestaltung handelt, die einer missbräuchlichen Rechtsanwendung dient, konnte sie dafür eine schlüssige Begründung nicht geben.

    Sollte das (nunmehr zuständige) Bundesfinanzgericht im fortzusetzenden Verfahren zur Ansicht gelangen, dass relevante außersteuerliche Gründe für die Zwischenschaltung der mitbeteiligten Ltd nicht vorliegen und die iSd § 22 Abs. 2 BAO angemessene rechtliche Gestaltung in einer direkten Beteiligung der BE (oder einer anderen Person) läge, wird weiters zu prüfen sein, ob im Falle einer direkten Beteiligung die Voraussetzungen für eine (teilweise) Entlastung auf Grund völkerrechtlicher Verträge (Doppelbesteuerungsabkommen) gegeben gewesen wären.

    Die mitbeteiligte Ltd hat mit Eingabe vom 5. Juni 2014, beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt am 11. Juni 2014, ein "TAX RESIDENCE CERTIFICATE", ausgestellt vom Ministry of Finance der Republik Zypern, vorgelegt. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer Ansässigkeitsbescheinigung der Prüfung einer missbräuchlichen Gestaltung iSd § 22 BAO nicht entgegensteht.

    Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

    Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

    Wien, am 26. Juni 2014

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