VwGH 2011/03/0015

VwGH2011/03/001526.4.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Samm und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Österreichischen Rundfunks (ORF) in Wien, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20, gegen den Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom 26. März 2007, Zl 611.009/0007-BKS/2007, betreffend Feststellung einer Verletzung des ORF-Gesetzes (weitere Partei: Bundeskanzler), den Beschluss gefasst:

Normen

12010E267 AEUV Art267;
31989L0552 Fernsehtätigkeit-RL Ausübung Art1 litd idF 31997L0036;
31989L0552 Fernsehtätigkeit-RL Ausübung Art1 litd;
31997L0036 Nov-31989L0552;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
62003CJ0495 Intermodal Transports VORAB;
AVG §38;
ORF-G 2001 §14 Abs2;
VwGG §38b;
VwGG §62 Abs1;
12010E267 AEUV Art267;
31989L0552 Fernsehtätigkeit-RL Ausübung Art1 litd idF 31997L0036;
31989L0552 Fernsehtätigkeit-RL Ausübung Art1 litd;
31997L0036 Nov-31989L0552;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
62003CJ0495 Intermodal Transports VORAB;
AVG §38;
ORF-G 2001 §14 Abs2;
VwGG §38b;
VwGG §62 Abs1;

 

Spruch:

Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen des Symvoulio tis Epikrateias (Griechenland), eingereicht am 1. Februar 2010 - Eleftheri Tileorasi A.E. "ALTER CHANNEL" und Konstantinos Giannikos/Ypourgos Typou kai Meson Mazikis Enimerosis und Ethniko Symvoulio Radiotileorasis, Rechtssache C-52/10 , ausgesetzt.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde (ua) fest, dass die beschwerdeführende Partei am 7. Mai 2006 um ca 11.16 Uhr und 11.49 Uhr im Hörfunkprogramm Radio Tirol durch die Ausstrahlung des Interviews mit dem Geschäftsführer der P-Gletscherbahnen in der Sendung "Frühschoppen-Live aus dem Bergrestaurant P-Gletscher" die Bestimmung des § 14 Abs 2 ORF-G (Verbot der Schleichwerbung) verletzt habe.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die beschwerdeführende Partei habe in der genannten Sendung Werbung für eine Schiregion gemacht und die Allgemeinheit durch die - näher umschriebene - Gestaltung und Integration der beabsichtigten Werbung in die Sendung über den Werbezweck irregeführt. Die Werbeabsicht der beschwerdeführenden Partei ergebe sich daraus, dass sie aufgrund eines Kooperationsvertrags mit der "T" (T) für die Produktion der gegenständlichen Sendung einen Pauschalbetrag von EUR 3.900,-- erhalten habe, der von der belangten Behörde als Entgelt für die Werbung verstanden werde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die sich ausdrücklich und vorwiegend gegen die Annahme der belangten Behörde wendet, dass die inkriminierten (werblichen) Äußerungen in der Sendung gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung gesendet worden seien und daher gemäß § 14 Abs 2 letzter Satz ORF-G jedenfalls die Absicht, einen Werbezweck zu erreichen, vorgelegen habe. Sie bringt (ua) vor, dass der Finanzierungsbeitrag der T als Gegenleistung für einen einmaligen Patronanzhinweis in der Sendung und die Erwähnung der T im Zusammenhang mit Sendungsankündigungen bezahlt worden sei, es sich aber um kein Entgelt für werbliche Äußerungen gehandelt habe.

Gemäß § 14 Abs 2 ORF-Gesetz, BGBl Nr 379/1984 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I Nr 83/2001, ist Schleichwerbung unzulässig. Schleichwerbung ist die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Programmen, wenn sie vom ORF absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt.

Die gesetzliche Bestimmung entspricht in ihrem Wortlaut den unionsrechtlichen Vorgaben in Art 1 lit d der (hier noch maßgeblichen) Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl 1989, L 298, S 23) idF der Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 (ABl 1997, L 202, S 60; im Folgenden: RL).

Zu dieser unionsrechtlichen Regelung ist beim Gerichtshof der Europäischen Union das im Spruch angeführte Vorabentscheidungsersuchen anhängig, in dem das vorlegende Gericht Zweifel an der Auslegung der Norm hegt und anfragt, ob Art 1 lit d RL dahin auszulegen ist, dass die Entrichtung eines Entgelts oder einer Zahlung oder Gegenleistung anderer Art im Rahmen der "Schleichwerbung" einen unerlässlichen begrifflichen Bestandteil des Werbezwecks darstellt.

Im Zuge der Beratung über den vorliegenden Fall hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt, dass diese Frage auch im Beschwerdefall eine Vorfrage darstellt, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in Angelegenheiten des (primären und sekundären) Unionsrechtes von diesem zu entscheiden ist. Von einer Vorabentscheidung durch den EuGH könnte nur dann abgesehen werden, wenn die richtige Anwendung der Vorschrift des Unionsrechtes derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel daran, wie die vorgelegte Frage zu beantworten ist, keinerlei Raum bleibt. Davon kann nach der Rechtsprechung des EuGH aber nur dann ausgegangen werden, wenn sich das nationale Gericht davon überzeugt hat, dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den EuGH die gleiche Gewissheit besteht (vgl etwa die Urteile des EuGH vom 6. Oktober 1982, Rs 283/81 (C.I.L.F.I.T.), und vom 15. September 2005, Rs C-495/03 (Intermodal), Rz 39). Im gegenständlichen Fall steht aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des griechischen Gerichtes fest, dass zumindest ein Gericht der Mitgliedstaaten Zweifel an der Auslegung der gegenständlichen unionsrechtlichen Vorschrift hegt. Deshalb kann von einem "acte clair" nicht ausgegangen werden.

Da das Verfahren zur Klärung der unionsrechtlichen Frage bereits beim EuGH anhängig ist, liegen die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor.

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war daher bis zur Entscheidung über das erwähnte Vorabentscheidungsersuchen auszusetzen.

Wien, am 26. April 2011

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