VwGH 2010/22/0187

VwGH2010/22/018714.12.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, der A, der J und des M, alle in I, vertreten durch Mag. Laszlo Szabo, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 23. September 2010, Zl. E1/19248/2010, betreffend Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §10 Abs5 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
AsylG 2005 §10 Abs5 idF 2009/I/029;
FrPolG 2005 §53 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 23. September 2010 wies die belangte Behörde die Beschwerdeführer, eine Familie armenischer Staatsangehörigkeit, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus.

Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführer am 26. Jänner 2005 als "Dublinrücknahme aus Finnland" eingereist seien und am selben Tag Asylanträge gestellt hätten. Die Asylverfahren seien mit 2. Dezember 2009 "rechtskräftig negativ, ohne Ausweisung" abgeschlossen worden. Erst- und Zweitbeschwerdeführer hätten von Oktober 2005 bis 30. Juni 2007 als Zeitungskolporteure gearbeitet.

Durch die Ausweisung erfolge ein relevanter Eingriff in das Privat- oder Familienleben der Beschwerdeführer. Es bestehe aber ein großes öffentliches Interesse daran, dass sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten. Der Aufenthalt der Beschwerdeführer als Asylwerber sei "von vornherein nicht auf Dauer angelegt" gewesen.

In ihr Familienleben werde insofern nicht eingegriffen, als die gesamte Familie gemeinsam aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werde. Die Beschwerdeführer seien der Art und Dauer des Aufenthalts entsprechend gut integriert. Sie seien aber nicht mehr selbsterhaltungsfähig und auf Unterstützung durch die öffentliche Hand angewiesen. Der Viertbeschwerdeführer besuche die zweite Klasse einer Hauptschule, die Drittbeschwerdeführerin unterliege nicht mehr der Schulpflicht. Alle Familienmitglieder seien in Armenien sozialisiert worden und es könne daher davon ausgegangen werden, dass sie sich mit den dortigen Gegebenheiten wieder zurechtfinden könnten. Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung würden die privaten Interessen der Beschwerdeführer überwiegen. Von einer besonders langen Dauer des Asylverfahrens könne keine Rede sein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass ihre Asylverfahren rechtskräftig beendet sind. Sie bringen vor, dass die asylrechtliche Ausweisungsentscheidung hinsichtlich der Eltern mit der Begründung ersatzlos behoben worden sei, dass über die Zulässigkeit der Ausweisung der Eltern nicht entschieden werden könne, solange nicht über die Zulässigkeit der Ausweisung der Kinder entschieden worden sei. Der Asylgerichtshof habe hinsichtlich der Kinder keine Ausweisungsentscheidung getroffen. Somit sei die belangte Behörde zur Erlassung der (fremdenrechtlichen) Ausweisungen unzuständig.

Weiters hätten die Beschwerdeführer Anträge auf Erteilung von humanitären Niederlassungsbewilligungen gestellt.

Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.

Vorweg ist anzumerken, dass sich weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde ableiten lässt, wann der (erstinstanzliche) Bescheid des Bundesasylamtes über die Asylanträge der Beschwerdeführer erlassen wurde. Somit bleibt offen, ob gemäß der Übergangsvorschrift des § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) idF BGBl. I Nr. 29/2009 auf die Verfahren über die am 26. Jänner 2005 gestellten Anträge § 10 leg. cit. anzuwenden war oder ob diese Verfahren zur Gänze nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen waren.

Jedenfalls ordnet § 10 Asylgesetz 2005 - wie schon zuvor § 6 Asylgesetz 1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 - an, dass die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz mit einer Ausweisung zu verbinden ist.

(§ 10 Abs. 5 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 29/2009 lautet auszugsweise:

"Über die Zulässigkeit der Ausweisung ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. …")

Dem FPG ist keine Einschränkung dahin zu entnehmen, dass die Ausweisungsbestimmung des § 53 Abs. 1 FPG nach Abschluss des Asylverfahrens nicht auf Fremde angewendet werden dürfte, gegen die mit der asylrechtlichen Entscheidung eine Ausweisung zu verbinden (gewesen) wäre, dies aber - nicht aus Gründen des § 10 Abs. 5 AsylG 2005 - unterblieben ist. Demnach kann auch nicht davon ausgegangen werden, der Fremdenpolizeibehörde sei hier keine Zuständigkeit zur Erlassung von Ausweisungen zugekommen.

Darüber hinaus stellt sich die Frage einer rechtskräftig entschiedenen Sache im Sinn des § 68 AVG nicht, sind doch unbestritten keine rechtskräftigen asylrechtlichen Entscheidungen nach § 10 Abs. 5 AsylG 2005 (selbst unter der Annahme der Anwendbarkeit dieser Bestimmung im vorliegenden Fall) ergangen.

Soweit die Beschwerdeführer vorbringen, dass eine vergleichbare Familie nicht ausgewiesen worden sei, kann dies für sich allein nicht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides begründen.

Es ist auch das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung

nach § 66 FPG nicht zu beanstanden.

§ 66 FPG lautet auszugsweise:

"§ 66. (1) Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Ausweisung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

  1. 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
  2. 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
  3. 4. der Grad der Integration;
  4. 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
  5. 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
  6. 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

    8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

    (3)…"

    Zu berücksichtigen ist zwar, dass sich die Familie seit ca. fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält und die Kinder hier zur Schule gehen bzw. gegangen sind. Die Eltern sind jedoch beruflich nicht integriert und es ist - worauf schon die belangte Behörde hingewiesen hat - die Familie nicht so lang vom Heimatstaat abwesend, dass eine maßgebliche Entfremdung eingetreten wäre. Auch hinsichtlich der Kinder fällt der inländische Aufenthalt von fünf Jahren (noch) nicht so ins Gewicht, dass die Rückkehr in ihr Heimatland unzumutbar wäre. Da die gesamte Familie ausgewiesen wird und keine Anhaltspunkte gegen eine Fortsetzung des Familienlebens im Heimatland vorgebracht wurden, ist der mit der Ausweisung verbundene Eingriff gemindert. Somit überwiegen im vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen an der Einhaltung eines geordneten Fremdenwesens, denen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt, die gegenläufigen Interessen der Beschwerdeführer.

    Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

    Wien, am 14. Dezember 2010

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