Normen
FamLAG 1967 §2 Abs8;
FamLAG 1967 §3 Abs5;
FamLAG 1967 §5 Abs3;
NAG 2005 §8;
NAG 2005 §9;
FamLAG 1967 §2 Abs8;
FamLAG 1967 §3 Abs5;
FamLAG 1967 §5 Abs3;
NAG 2005 §8;
NAG 2005 §9;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 24. Juli 1974 in Wien geborene Beschwerdeführer, ein kroatischer Staatsangehöriger, stellte jeweils unter Verwendung eines Formblattes "Beih 1" am 14. April 2009 die Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Jänner 2007 für seinen am 23. September 2005 geborenen Sohn Antonio und für seinen am 27. Dezember 2006 geborenen Sohn Dario. Beide Kinder waren ebenfalls kroatische Staatsangehörige.
Mit Bescheid vom 20. Mai 2009 wies das Finanzamt diese Anträge für den Zeitraum vom Jänner 2007 bis zum Februar 2009 ab. Die Kinder hätten sich nicht nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufgehalten.
Mit Schriftsatz berief der Beschwerdeführer dagegen. Er halte sich seit mehreren Jahren rechtmäßig in Österreich auf und sei in Österreich entsprechend den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtmäßig unselbständig beschäftigt. Seine minderjährigen Kinder lebten seit Jänner 2007 in Österreich. Am 27. Oktober 2007 habe er für sie Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen gestellt, worüber erst im März 2009 positiv entschieden worden sei.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 19. Oktober 2009 ab. Da "vor Gültigkeitsbeginn" der Niederlassungsbewilligung kein ständiger Aufenthalt mit entsprechendem Nahebezug zu Österreich begründet worden sei, sei eine rückwirkende Gewährung der Familienbeihilfe gemäß § 3 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes nicht zulässig.
Mit Schriftsatz vom 20. November 2009 brachte der Beschwerdeführer dagegen einen Vorlageantrag ein. Seine Ehefrau und seine Kinder würden seit Jänner 2007 in Österreich leben und er habe am 27. Oktober 2007 für diese Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen gestellt. Sein Mittelpunkt der Lebensinteressen liege in Österreich, weil er seit seiner Geburt und seine Familie seit 2007 hier im gemeinsamen Haushalt lebten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer habe vom 10. Oktober 2005 bis 28. August 2007 einen Hauptwohnsitz in 1010 Wien und anschließend einen in 1110 Wien gehabt, seine Kinder seien seit Jänner 2007 mit demselben Hauptwohnsitz gemeldet wie der Beschwerdeführer. Die Ehefrau des Beschwerdeführers, eine Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina, und die Kinder hätten jeweils ein "('Touristen')Visum" gehabt, mit welchem sie nach Österreich eingereist seien und welches bis 10. Oktober 2007 gültig gewesen sei.
Auf Grund von Anträgen vom 4. Oktober 2007 seien der Ehefrau des Beschwerdeführers und seinen Kindern am 25. März 2009 Niederlassungsbewilligungen (beschränkt - gültig bis 28. Jänner 2010) erteilt worden.
Nach Wiedergabe des § 3 Abs. 1 bis 3 FLAG folgerte die belangte Behörde rechtlich, dass der rechtmäßige Aufenthalt der Kinder des Beschwerdeführers (in Österreich) erst ab dem 25. März 2009 gegeben gewesen sei und die Familienbeihilfe erst ab März 2009 zustehe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer im Recht auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Jänner 2007 bis Februar 2009 verletzt erachtet.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.
§ 3 FLAG lautet:
"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.
(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.
(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl …. gewährt wurde, …..
(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten ….. zuerkannt wurde, …..
(5) In den Fällen des Abs. 2, Abs. 3 letzter Satz und Abs. 4 letzter Satz wird für nachgeborene Kinder die Familienbeihilfe rückwirkend gewährt. Gleiches gilt für Adoptiv- und Pflegekinder, rückwirkend bis zur Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8) durch den Elternteil und das Kind. Als nachgeborene Kinder gelten jene Kinder, die nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels oder der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten an den zusammenführenden Fremden geboren werden."
Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
Der Beschwerdeführer trägt vor, er selbst habe im Jahr 2005 zunächst über einen Aufenthaltstitel Daueraufenthalt verfügt, derzeit habe er eine Niederlassungsbewilligung unbeschränkt. Er erfülle daher die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 FLAG.
Seine Kinder hätten sich im Streitzeitraum gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz rechtmäßig in Österreich aufgehalten, weil für sie Reisepässe ausgestellt und Touristenvisa erteilt worden seien. Vor Ablauf der Visa seien Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt worden. Dieses Verfahren sei nach einer Dauer von 18 Monaten positiv abgeschlossen worden. Die Familienbeihilfe werde gemäß § 3 Abs. 5 FLAG für nachgeborene Kinder rückwirkend gewährt.
Die belangte Behörde hat zutreffend den Tatbestand des § 3 Abs. 2 FLAG für den Streitzeitraum als nicht erfüllt angesehen, weil die Aufenthaltstitel für die Kinder des Beschwerdeführers erst im März 2009 erteilt worden sind und (mit Wirkung ex nunc - vgl. etwa das von der belangten Behörde zutreffend zitierte hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, 2008/18/0094, oder das hg. Erkenntnis vom 26. November 2009, 2009/18/0061) erst ab diesem Zeitpunkt nach §§ 8 und 9 NAG ein rechtmäßiger Aufenthalt der Kinder in Österreich gegeben ist. Auf die Rechtmäßigkeit eines davor gelegenen Aufenthaltes nach dem Fremdenpolizeigesetz kommt es dabei nicht an.
Allerdings normiert § 3 Abs. 5 FLAG für einen solchen Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels für das Kind, dass die Familienbeihilfe für nachgeborene Kinder rückwirkend, somit auch für Zeiträume vor der Erteilung des Aufenthaltstitels, gewährt wird. Als nachgeboren gelten nach dieser Bestimmung Kinder, die nach der Erteilung des Aufenthaltstitels an den zusammenführenden Fremden geboren wurden. Eine Einschränkung dergestalt, dass das Kind in Österreich geboren sein müsste, enthält § 3 Abs. 5 FLAG nicht.
Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, er halte sich seit mehreren Jahren rechtmäßig in Österreich auf und sei in Österreich entsprechend den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtmäßig unselbständig beschäftigt, ergab sich die Notwendigkeit, den Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt des § 3 Abs. 5 FLAG zu prüfen.
Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie keine Feststellungen getroffen, ab wann der Beschwerdeführer selbst über einen Aufenthaltstitel verfügte. Sollte er im Zeitpunkt der Geburt des jeweiligen Kindes bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt haben, wäre das jeweilige Kind ein nachgeborenes iSd § 3 Abs. 5 FLAG mit der Rechtsfolge der rückwirkenden Gewährung von Familienbeihilfe. Die Grenze der Rückwirkung wäre dadurch abgesteckt, dass alle übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe für den jeweiligen Monat des Streitzeitraums erfüllt sein müssen, einerseits beim Beschwerdeführer selbst (zB nach § 2 Abs. 8 FLAG), andererseits beim Kind (zB § 5 Abs. 3 FLAG).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 29. Mai 2013
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)