Normen
FamLAG 1967 §3 Abs4;
UrlaubsG 1976 §10 Abs1 idF 2000/I/044;
FamLAG 1967 §3 Abs4;
UrlaubsG 1976 §10 Abs1 idF 2000/I/044;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid vom 10. März 2010 forderte das Finanzamt St. Johann Tamsweg Zell am See vom Mitbeteiligten, einem Staatsangehörigen der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zurück, welche der Mitbeteiligte für seine vier Kinder für den Dezember 2009 bezogen hatte. Das Dienstverhältnis des Mitbeteiligten bei der K. KG sei mit 17. November 2009 beendet worden und der Mitbeteiligte beziehe seit 19. Dezember 2009 Arbeitslosengeld.
Mit Schriftsatz vom 16. März 2010 berief der Mitbeteiligte dagegen mit der Begründung, er sei berufstätig "bzw." auf Grund der Beendigung des Dienstverhältnisses bei der K. KG seit 19. Dezember 2009 arbeitslos. Er sei als unselbständig erwerbstätig anzusehen, zumindest solange er Anspruch auf Arbeitslosengeld habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den vor ihr bekämpften Bescheid des Finanzamtes vom 10. März 2010 (ersatzlos) auf. Der Mitbeteiligte und seine Familienmitglieder verfügten über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005. Der Mitbeteiligte sei vom 1. Jänner 2009 bis zum 17. November 2009 als Arbeiter beschäftigt gewesen. Da das Dienstverhältnis vor dem Verbrauch des Urlaubes geendet habe, habe der Mitbeteiligte dafür eine "Ersatzleistung (Urlaubsentschädigung, Urlaubsabfindung)" erhalten.
Der Versicherungsdatenauszug der "Österreichischen Sozialversicherung" betreffend den Mitbeteiligten weise für den Zeitraum vom 1. Jänner bis zum 17. November 2009 den Mitbeteiligten als Arbeiter mit dem Namen des Betriebes, für den Zeitraum vom 18. November bis zum 18. Dezember 2009 "Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung; Name des Betriebes" und ab 19. Dezember 2009 "Arbeitslosengeld; AMS Ort" aus.
Im Beschwerdefall habe das Beschäftigungsverhältnis des Mitbeteiligten am 17. November 2009 geendet. Da der Mitbeteiligte zu diesem Zeitpunkt offensichtlich seinen Urlaub oder einen Großteil seines Urlaubsanspruches noch nicht konsumiert gehabt habe, habe er dafür eine Urlaubsersatzleistung nach § 10 des Urlaubsgesetzes erhalten. Der Entgeltanspruch habe daher im Zeitpunkt des Endes des Bezuges der Urlaubsersatzleistung am 18. Dezember 2009 geendet.
Nach der Rechtsprechung handle es sich bei der Urlaubsentschädigung oder der Urlaubsabfindung um Urlaubsentgelt. Diese Ersatzleistung sei in der Regel wie Arbeitslohn zu versteuern. Daher könne im Zusammenhang mit der Familienbeihilfe auch nicht danach unterschieden werden, ob das Urlaubsentgelt während eines aufrechten Arbeitsverhältnisses zur Auszahlung komme oder auf Grund einer unverschuldeten Kündigung erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hätte der Mitbeteiligte im Beschwerdefall seinen Urlaub vor der Kündigung konsumiert und in dieser Zeit ein Urlaubsentgelt erhalten, hätte sich die Frage nach der Rückforderung der Familienbeihilfe nicht gestellt. Aber auch ein gekündigter Arbeitnehmer unterliege im Zeitraum des Bezuges einer Urlaubsersatzleistung der Steuerpflicht und entrichte Sozialversicherungsbeiträge. Zudem ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld während des Zeitraums, für den Anspruch auf eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt nach dem Urlaubsgesetz bestehe.
Der gekündigte Arbeitnehmer sei im Zeitraum des Bezuges der Urlaubsersatzleistung einem Arbeitnehmer in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis arbeits- und sozialrechtlich gleichgestellt. Eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich des Anspruches auf Familienbeihilfe sei aus diesem Grund nicht argumentierbar und daher sachlich auch nicht gerechtfertigt. Das Erfordernis einer unselbständigen Erwerbstätigkeit sei nach Ansicht der belangten Behörde im Zeitraum des Bezuges einer Urlaubsersatzleistung erfüllt, weil diese Zeiten auf Grund der dargelegten Gründe in arbeitsrechtlicher Hinsicht einer tatsächlichen Beschäftigung gleichzusetzen seien. Nichts deute darauf hin, dass der Gesetzgeber in § 3 Abs. 4 FLAG auf einen steuerrechtlichen Beschäftigungsbegriff habe abstellen wollen, zumal es sich beim FLAG um keine Steuer-, sondern um eine Sozialvorschrift handle. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber, der mit der Bestimmung des § 11 Abs. 2 ASVG die Versicherungszeiten den eigentlichen Beschäftigungszeiten gleichgestellt habe, von dieser Gleichstellung ausgerechnet im Familienlastenausgleichsgesetz abweichen sollte.
Der Mitbeteiligte habe im maßgeblichen Zeitraum nachweislich keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten. Er habe im Jahr 2009 bis zu seiner Kündigung am 17. November durch eigene Erwerbstätigkeit zum Lebensunterhalt seiner Familie beigetragen. Die Urlaubsersatzleistung habe ihren Ursprung in seiner Erwerbstätigkeit und, da der Mitbeteiligte während dieser Zeit keine staatliche Unterstützung in Anspruch genommen habe, habe die Urlaubsentschädigung vom 18. November bis 18. Dezember 2010 wohl ausschließlich dazu gedient, den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten. Folglich habe der Mitbeteiligte die gesetzlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 FLAG erfüllt, zumal das Gesetz keine tatsächliche Beschäftigung verlange.
Die Rechtsansicht, dass jemand auch in einer nach den Sozialvorschriften gleichgestellten Situation als beschäftigt gelte, decke sich z.B. auch mit der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates, die zwar im Beschwerdefall keine Anwendung finde, aber unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes durchaus als Auslegungsbehelf herangezogen werden könne.
Zusammenfassend halte die belangte Behörde fest, dass der Zeitraum vom 18. November bis 18. Dezember 2009, in welchem der Mitbeteiligte eine Urlaubsersatzleistung iSd § 10 Abs. 1 Urlaubsgesetz bezogen habe, der Zeit einer tatsächlichen Beschäftigung gleichzusetzen sei.
Dagegen richtet sich die gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde des Finanzamtes.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, ohne eine Gegenschrift einzureichen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder und unter bestimmten Voraussetzungen für volljährige Kinder.
Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben gemäß § 3 Abs. 1 FLAG nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) rechtmäßig in Österreich aufhalten.
§ 3 Abs. 4 FLAG lautet:
"(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde."
Im Beschwerdefall ist strittig, ob der Mitbeteiligte im Zeitraum vom 17. November 2009 bis zum 18. Dezember 2009 unselbständig erwerbstätig war und damit die Tatbestandsvoraussetzung des § 3 Abs. 4 erster Satz FLAG erfüllte.
Dass das Dienstverhältnis des Mitbeteiligten durch Kündigung mit dem 17. November 2009 geendet hatte, steht außer Streit. Ebenso gehen das beschwerdeführende Finanzamt und die belangte Behörde übereinstimmend davon aus, dass der Mitbeteiligte eine Urlaubsersatzleistung und ab 19. Dezember 2009 Arbeitslosengeld bezogen hatte.
§ 10 Abs. 1 des Urlaubsgesetzes, BGBl. Nr. 390/1976 idF des Arbeitsrechtsänderungsgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 44, (UrlG) samt Überschrift lautet:
"Ansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
§ 10. (1) Dem Arbeitnehmer gebührt für das Urlaubsjahr, in dem das Arbeitsverhältnis endet, zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Ersatzleistung als Abgeltung für den der Dauer der Dienstzeit in diesem Urlaubsjahr im Verhältnis zum gesamten Urlaubsjahr entsprechenden Urlaub. Bereits verbrauchter Jahresurlaub ist auf das aliquote Urlaubsausmaß anzurechnen. Urlaubsentgelt für einen über das aliquote Ausmaß hinaus verbrauchten Jahresurlaub ist nicht rückzuerstatten, außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch
- 1. unberechtigten vorzeitigen Austritt oder
- 2. verschuldete Entlassung.
Der Erstattungsbetrag hat dem für den zu viel verbrauchten Urlaub zum Zeitpunkt des Urlaubsverbrauchs erhaltenen Urlaubsentgelt zu entsprechen."
Dem § 10 Abs. 1 erster Satz UrlG ist zu entnehmen, dass die Urlaubsersatzleistung für offen gebliebenen Urlaub sowohl des aktuellen Urlaubsjahres als auch der vorangegangenen Urlaubsjahre in voller Höhe im Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht. Eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses tritt infolge eines Anspruchs auf Urlaubsersatzleistung nicht ein (vgl. auch Reissner im Neumayr/Reissner, Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht2, Band 1, § 10 UrlG Rz 8). Mangels anderslautender Anordnung in § 10 UrlG wird die Urlaubsersatzleistung auch im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Gänze fällig (Reissner aaO, § 10 Rz 9). Im Fall eines Urlaubsvorgriffs, somit bei überaliquotem Naturalurlaubsverbrauch vor der Beendigung des Dienstverhältnisses besteht im Allgemeinen keine Pflicht zum Rückersatz des erhaltenen Urlaubsentgelts, sondern nur im bestimmten Gesetz aufgezählten Fällen.
Daraus ist ersichtlich, dass es sich bei der Urlaubsersatzleistung (wie auch bei der Rückerstattung von Urlaubsentgelt) um Bezüge handelt, deren Grundlage in der Zeit des bestehenden Dienstverhältnisses liegt. Diese Urlaubsersatzleistung erweist sich als eine Art bereicherungsrechtlicher Ausgleich dafür, dass der Arbeitgeber insoweit Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers im überproportionalen Ausmaß entgegengenommen hat, als bei "regulärer" Abwicklung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitgeber nur um die Anzahl der Urlaubstage verminderte Leistungen erhalten hätte (vgl. die bei Dittrich/Tades, Arbeitsrecht, Band 3, Kapitel 52b. UrlG E 6 zu § 10 angeführte Rechtsprechung des OGH).
Beim Urlaubsersatzanspruch wie auch bei der Rückzahlung erhaltenen Urlaubsentgeltes handelt es sich somit um Geldleistungen, deren Entstehungsgrund seine Wurzel im aufrechten Dienstverhältnis hatte. Dass Ansprüche eines Dienstnehmers (wie beispielsweise Lohnnachzahlungen, Abrechnungen geleisteter Überstunden oder dergleichen oder etwa der Urlaubsersatzanspruch) erst nach dem Ende des Dienstverhältnisses erfüllt werden, bedeutet nicht, dass der Dienstnehmer nach der Beendigung des Dienstverhältnisses wegen noch offener Ansprüche unselbständig erwerbstätig wäre.
Gerade die von der belangten Behörde herangezogenen sozialrechtlichen Bestimmungen haben deshalb mit eigenen Regelungen den Zeitraum nach dem Ende des Dienstverhältnisses, wenn aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses ein Urlaubsersatzanspruch fällig geworden ist, einer besonderen Regelung unterworfen.
So regelt etwa § 11 Abs. 2 zweiter Satz des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), dass die Pflichtversicherung für die Zeit des Bezuges einer Ersatzleistung für Urlaubsentgelt weiterbesteht. Es bedurfte einer ausdrücklichen Regelung über die sonst mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses eintretende Beendigung der Pflichtversicherung.
§ 12 Abs. 1 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG) lautet:
"§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer
1. eine (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) beendet hat,
2. nicht mehr der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung unterliegt oder dieser ausschließlich auf Grund des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für den Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührt oder eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt oder eine Urlaubsabfindung gewährt wird (§ 16 Abs. 1 lit. k und l), unterliegt und
3. keine neue oder weitere (unselbständige oder selbständige) Erwerbstätigkeit (Beschäftigung) ausübt."
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht gemäß § 16 Abs. 1 lit. l AlVG während des Zeitraumes, für den Anspruch auf eine Ersatzleistung für Urlaubsentgelt nach dem Urlaubsgesetz gewährt wird.
Auch hier bedurfte es einer ausdrücklichen Regelung für das Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld, obwohl der Tatbestand des Nichtvorliegens einer unselbständigen Erwerbstätigkeit als Voraussetzung für die Arbeitslosigkeit vorliegt.
Für den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 4 FLAG besteht keine diesbezügliche ausdehnende gesetzliche Anordnung.
Zeiten nach der rechtlichen Beendigung eines Dienstverhältnisses sind somit nicht mehr Zeiten, in denen eine Person unselbständig erwerbstätig im Sinn des § 3 Abs. 4 FLAG ist.
Der Hinweis der belangten Behörde auf die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, in der Fassung der Berichtigung ABlEU Nr. L 200 vom 7. Juni 2004, geht schon deshalb ins Leere, weil diese Verordnung gemäß ihrem Art. 91 ab dem Tag des In-Kraft-Tretens der Durchführungsverordnung gilt und die entsprechende Durchführungsverordnung, die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 , ABlEU Nr. L 284 vom 30. Oktober 2009, gemäß deren Art. 97 mit 1. Mai 2010 in Kraft getreten ist. Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ist demnach für den Streitzeitraum (Dezember 2009) noch nicht anzuwenden.
Die belangte Behörde hat somit den Tatbestand des § 3 Abs. 4 FLAG zu Unrecht als erfüllt angesehen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 29. Mai 2013
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