Normen
BAO §20;
B-VG Art140 Abs7;
B-VG Art140;
EStG §82;
BAO §20;
B-VG Art140 Abs7;
B-VG Art140;
EStG §82;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Mitbeteiligte beschäftigte in den Jahren 2006 und 2007 Dienstnehmer, die mit der Errichtung von Anlagen im Ausland durch das deutsche Mutterunternehmern der mitbeteiligten Partei befasst waren. Die Bezüge wurden gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 steuerfrei ausbezahlt.
Mit Bescheiden vom 28. Juni 2008 zog das beschwerdeführende Finanzamt die Mitbeteiligte zur Haftung für Lohnsteuer mit der Begründung heran, dass die Steuerbegünstigung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 gegenständlich nicht anwendbar sei, weil eine Personalgestellung an einen ausländischen Betrieb vorliege. Aus demselben Grund wurden für den Zeitraum der Jahre 2006 und 2007 auch Dienstgeberbeiträge samt Zuschlägen durch das Finanzamt festgesetzt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung der Mitbeteiligten Folge und hob die Bescheide des Finanzamtes auf. Die Mitbeteiligte habe durch die Lieferung von mechanischen Teilen und deren Montage durch dazu ins Ausland entsendete Dienstnehmer an der Errichtung einer Anlage im Ausland in der Art eines Subunternehmers mitgewirkt und damit unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 erfüllt.
Dagegen wendet sich die vorliegende vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde.
Indem die belangte Behörde auf den von ihr festgestellten Sachverhalt die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 angewendet hat, erwies sich die Bestimmung auch für den Verwaltungsgerichtshof im gegenständlichen Verfahren als präjudiziell.
Mit Beschluss vom 29. April 2010, A 2010/0018, stellte der Verwaltungsgerichtshof den Antrag an den Verfassungsgerichtshof, die genannte Bestimmung als verfassungswidrig aufzuheben. Der Verwaltungsgerichtshof hegte Bedenken gegen die Sachlichkeit der genannten Befreiungsbestimmung, insbesondere im Lichte deren Ausweitung auf Fälle, die ihre sachliche Rechtfertigung auch nicht mehr in Gründen der Exportförderung zu finden vermögen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung des zitierten Beschlusses verwiesen.
In Entsprechung des vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Gesetzesprüfungsantrages hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 30. September 2010, G 51/10 u.a., § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 u.a. in der (im Beschwerdefall einschlägigen) Fassung BGBl. I Nr. 161/2005 als verfassungswidrig auf. Hiebei sprach er aus, dass frühere Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:
Der Beschwerdefall bildete einen der Anlassfälle für die Aufhebung des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 161/2005.
Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1993, 93/17/0401).
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Haftungs- und Abgabenbescheide des Finanzamtes aus dem Rechtsbestand beseitigt und dabei den vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 angewendet. Sie hat den angefochtenen Bescheid damit auf eine Gesetzesbestimmung gestützt, die nach dem Gesagten im Beschwerdefall nicht (mehr) anzuwenden ist.
Ungeachtet der Gesetzesaufhebung durch den Verfassungsgerichtshof beantragt die Mitbeteiligte in ihrer Gegenschrift vom 25. Jänner 2011 die Beschwerde des Finanzamtes als unbegründet abzuweisen. Sie bringt dazu vor, dass das angeführte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs "ungerecht und unverständlich" sei. Der Verwaltungsgerichtshof werde daher nicht umhin kommen, den Verfassungsgerichtshof neuerlich anzurufen.
Dieses Vorbringen verkennt, dass eine für verfassungswidrig befundene Bestimmung ab Rechtskraft des Erkenntnisses einer neuerlichen Prüfung - gleichgültig aus welcher Verfahrenskonstellation heraus - entzogen ist. Die Einleitung eines neuerlichen Prüfungsverfahrens scheidet daher aus, nach Fällung des Erkenntnisses gestellte neuerliche Normprüfungsanträge sind mangels Vorliegen eines zulässigen Prüfungsgegenstandes vom Verfassungsgerichtshof zurückzuweisen (vgl. Rohregger, in: Korinek/Holoubek, B-VG, Art. 140 B-VG, Rz. 312).
Mit ihren weiteren Ausführungen zur "Diskriminierung" des Haftungsschuldners spricht die Mitbeteiligte Fragen der Geltendmachung der Lohnsteuerhaftung an. Die Inanspruchnahme der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 2002, 2001/15/0152, VwSlg. Nr. 7.713 F). Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde vor dem Hintergrund der durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bereinigten Rechtslage auch darüber abzusprechen haben, ob die von der Mitbeteiligten aufgezeigten Umstände dazu führen, im Rahmen der (vom Verwaltungsgerichtshof lediglich auf das Vorliegen erheblicher Ermessensfehler zu prüfenden) Ermessenentscheidung von einer Inanspruchnahme der Haftung der mitbeteiligten Partei abzusehen.
Da die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auf eine Gesetzesbestimmung gestützt hat, die - wie ausgeführt - im Beschwerdefall nicht (mehr) anzuwenden ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 28. April 2011
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