VwGH 2010/15/0137

VwGH2010/15/013723.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über den Antrag der K GmbH in T, vertreten durch die Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 21, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur vollständigen Behebung von Mängeln im mit Beschluss vom 24. Juni 2010, 2010/15/0046, eingestellten Verfahren, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hatte zunächst gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom 19. Februar 2009, RV/0126-F/07, miterledigt RV/0127-F/07, Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 23. Februar 2010, B 403/09-4, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Mit Verfügung vom 23. März 2010 wurde die Beschwerdeführerin zur Behebung von Mängeln binnen drei Wochen aufgefordert. Unter anderem wurde der Beschwerdeführerin darin aufgetragen, zwei weitere Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde für die belangte Behörde und die weitere Partei beizubringen. Die Versäumung der Frist gelte als Zurückziehung der Beschwerde. Die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene zurückgestellte Beschwerde sei auch dann wieder vorzulegen, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht werde.

Mit Ergänzungsschriftsatz vom 16. April 2010 legte die Beschwerdeführerin zwar die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene und mit dem Ergänzungsauftrag zurückgestellte Beschwerde wieder vor, es wurde aber nur eine weitere Ausfertigung dieser (ursprünglichen) Beschwerde vorgelegt.

Mit Beschluss vom 24. Juni 2010, 2010/15/0046, stellte der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren ein, weil die Beschwerdeführerin dem Mängelbehebungsauftrag nicht zur Gänze nachgekommen war. Dieser Beschluss wurde den Beschwerdevertretern am 15. Juli 2010 zugestellt.

Mit am 28. Juli 2010 zur Post gegebenem Schriftsatz beantragt die Antragstellerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln. Die Beschwerdevertreter verfügten über ein lückenloses internes Kanzleikontrollsystem. Eingehende Schriftstücke würden sowohl im Handakt als auch elektronisch mit Fristvermerken versehen und von den jeweiligen Sachbearbeitern in jedem Einzelfall gesondert geprüft. Im Rahmen der Einbringung von ordentlichen und außerordentlichen Rechtsmitteln an die Höchstgerichte erfolge eine weitere Sicherung der ordnungsgemäßen und vollständigen Bearbeitung sowie Abfertigung von Schriftstücken. In derartigen Fällen werde die Kontrolle der Schriftsätze sowie Beilagen durch den sachbearbeitenden Rechtsanwalt und zudem durch einen weiteren Rechtsanwalt, welcher speziell die formellen Voraussetzungen hinsichtlich der Schriftsätze sowie die Vollständigkeit und Richtigkeit der Beilagen kontrolliere, durchgeführt. Im vorliegenden Fall seien die Agenden vom Sachbearbeiter Rechtsanwalt X sowie dem hauptverantwortlichen Rechtsanwalt Y wahrgenommen worden. Nach Abschluss der Bearbeitung und Zusammenstellung der Schriftsätze samt aufgetragenen Beilagen durch Rechtsanwalt X sei der Gesamtakt in einer Klarsichthülle - zur Trennung vom Hauptakt - an Rechtsanwalt Y zur nochmaligen Kontrolle der Vollständigkeit und Richtigkeit der Schriftsätze und Beilagen übergeben und nachfolgend zur Unterfertigung an X retourniert worden. Nach doppelter Kontrolle durch die Rechtsanwälte X und Y seien die Schriftsätze samt Beilagen vollständig, somit auch zwei weitere Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde beiliegend, gewesen. Nach endgültiger Unterfertigung durch Rechtsanwalt X sei der Handakt samt separierter Klarsichthülle mit den vollständigen, zum Versand bestimmten Dokumenten an die langjährige Sekretärin, Frau Z, zur technischen Kuvertierung und Abfertigung (Postaufgabe) übergeben worden. Offenbar sei beim Hinaustragen des Schriftsatzes samt Beilagen in das Sekretariat eine der Ausfertigungen in der Klarsichthülle vorgerutscht. Als die Sekretärin die Klarsichthülle aus dem Handakt genommen habe, habe sie aus dem Vorstehen einer der Ausfertigungen - entgegen der Anweisung zur Abfertigung des vollständigen Konvolutes - den Schluss gezogen, dass es sich dabei um eine Kopie für den Handakt handle. Sie habe daher diese eine Ausfertigung aus dem kontrollierten und abgezählten Konvolut in der Klarsichthülle genommen und habe die weitere Ausfertigung nach der gelben Kopie des Deckblattes, die als Platzhalter für den Schriftsatz selbst und zum Vermerk der Abfertigung samt Aufgabeschein im Akt diene, abgelegt. Nach abschließender Kontrolle (Versandkontrolle) der gelben Schriftsatzkopie samt Aufgabeschein durch Rechtsanwalt X hinsichtlich der tatsächlichen fristgerechten Abfertigung des Schriftsatzes sei der Akt vorerst abgelegt worden. Nach Abfertigung des Konvolutes seien vorerst keine weiteren Rechtshandlungen zu setzen gewesen. Die mangelnde Beibringung der weiteren Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde habe daher erst mit Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes kenntlich werden können.

Die Kanzleikraft Frau Z verfüge über eine Ausbildung als Kanzleiassistentin sowie HAK-Matura und sei für die vorliegenden Tätigkeiten bestens qualifiziert. Sie habe sich als langjährige und verlässliche Rechtsanwaltsassistentin erwiesen, die sowohl im Rahmen klassischer Kanzleiagenden als auch an gesonderten Tagen in der Buchhaltung der Beschwerdevertreter tätig sei und der bislang keinerlei Fehlleistungen zuzurechnen seien. Die zuständigen Rechtsanwälte hätten daher auf eine korrekte Abwicklung der Kuvertierung und Abfertigung (Postaufgabe) vertrauen dürfen. Das (versehentlich) eigenmächtige und unbemerkte Herauslösen einer weiteren Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde durch Frau Z sei für die Beschwerdevertreter nicht voraussehbar gewesen.

Zur Bescheinigung des Vorbringens legte die Antragstellerin drei eidesstättige Erklärungen vor.

Gleichzeitig holte sie die versäumte Verfahrenshandlung durch Vorlage (zumindest) einer weiteren Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde (ansonsten zur Gänze) nach.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Ein dem berufsmäßigen Parteienvertreter widerfahrenes Ereignis ist für die Partei nur dann ein Wiedereinsetzungsgrund, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war. Ein Verschulden des Vertreters, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Der Vertreter muss seine Kanzlei so organisieren, dass die richtige und fristgerechte Erledigung von gerichtlichen Aufträgen sichergestellt ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrolle dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. beispielsweise die hg. Beschlüsse vom 30. März 2006, 2006/15/0109, und vom 20. Oktober 2009, 2009/13/0181, je mwN).

Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist.

Rein mechanische Vorgänge, wie etwa das Kuvertieren oder die Postaufgabe, kann der Vertreter zwar der alleinigen Erledigung der Kanzlei überlassen. Dies setzt aber voraus, dass auf Grund eindeutiger Anordnung (vor allem einem Beilagen- oder Gleichschriftenvermerk) klargestellt ist, welche Schriftstücke zu kuvertieren sind. Erfolgt keine solche Anordnung, wird ausnahmsweise auch eine Kontrollpflicht des Vertreters über einfache Verrichtungen wie die Kuvertierung eines Verbesserungsschriftsatzes ausgelöst (vgl. den bereits zitierten Beschluss vom 20. Oktober 2009, mwN).

Aus dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag geht nicht hervor, dass hinsichtlich der Kuvertierung eine konkrete Anordnung seitens der Beschwerdevertreter dahin erfolgt wäre, dass mit dem Verbesserungsschriftsatz auch zwei weitere Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde beizubringen seien (neben der Wiedervorlage der zurückgestellten Beschwerde). Der Verbesserungsschriftsatz vom 16. April 2010 enthielt hingegen auf seiner ersten Seite folgenden Hinweis: "3-fach, Kopie des angefochtenen Bescheides (2-fach), ursprüngliche Beschwerde 2-fach gemäß Aufforderung vom 23.03.2010, Originalbeleg Überweisung mit Bestätigung der Unwiderruflichkeit, Vollmacht erteilt". Durch einen solchen Beilagenvermerk wird aber - auch für den Fall, dass die vorzulegenden Urkunden dem Mängelbehebungsschriftsatz bei dessen Unterfertigung wie behauptet angeschlossen waren - eine gefahrengeneigte Situation geschaffen, weil diesem Vermerk nicht entnommen werden kann, dass die ursprüngliche Beschwerde entsprechend dem Mängelbehebungsauftrag insgesamt dreifach vorzulegen war (Wiedervorlage der mit dem Ergänzungsauftrag zurückgestellten Beschwerde sowie zwei weitere Ausfertigungen dieser ursprünglichen Beschwerde).

Unter den geschilderten Umständen ist es dem Beschwerdevertreter als eigenes, über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten, dass er bei Unterfertigung des Verbesserungsschriftsatzes nicht darauf gedrungen hat, die Beilagenverfügung richtig zu stellen (vgl. den hg. Beschluss vom 20. Februar 2008, 2007/15/0271). Dieses Verschulden ist dem Verschulden der Antragstellerin selbst gleichzuhalten.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war daher gemäß § 46 VwGG keine Folge zu geben.

Wien, am 23. September 2010

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