VwGH 2010/11/0035

VwGH2010/11/003520.4.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, 1. über den Antrag der A.ö. Krankenhaus B GmbH in V, vertreten durch Dr. Eckhard Pitzl und Dr. Gerhard W. Huber, Anwaltspartnerschaft in 4040 Linz, Rudolfstraße 4, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist (Zl. 2010/11/0049) und 2. in den Beschwerdesachen der genannten Partei gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 18. Dezember 2009, Zl. SanRW-720.138/11 2009- Wö, betreffend Genehmigung des Rechnungsabschlusses nach dem Oö. Krankenanstaltengesetz (Zlen. 2010/11/0035, 0050), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §2 Z4;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §2 Z4;

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine Kapitalgesellschaft und betreibt das allgemeine öffentliche Krankenhaus in B. Mit dem oben bezeichneten Bescheid vom 18. Dezember 2009 genehmigte die belangte Behörde den Rechnungsabschluss der Beschwerdeführerin gemäß § 31 Abs. 2 bis 5 Oö. Krankenanstaltengesetz (lediglich) hinsichtlich näher bezeichneter Einnahmen und Ausgaben.

Dagegen richtete die Beschwerdeführerin ihre (zur hg. Zl. 2010/11/0035 protokollierte) Beschwerde, in der sie als Zustellzeitpunkt des angefochtenen Bescheides den 12. Jänner 2010 angibt.

Mit Schriftsatz vom 11. März 2010 (protokolliert zur hg. Zl. 2010/11/0049) beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und brachte dazu vor:

"Am 2.3.2010 wurde die Geschäftsführung der Beschwerdeführerin im Wege eines Mitarbeiters darüber informiert, dass dieser am 2.3.2010 vom Amt der Oö. Landesregierung die Information erhalten hat, dass der beschwerdegegenständliche Bescheid nicht erst am 12.1.2010 zugestellt worden sei, sondern bereits am 30.12.2009.

Dazu hat die Geschäftsführung folgenden Sachverhalt erhoben:

Schriftstücke der Oö. Landesregierung, die das A.ö. Krankenhaus B betreffen, werden entweder an die Adresse in V oder an die Betriebsadresse in B zugestellt.

Die Geschäftsführung der Beschwerdeführerin übt ihre Geschäftsführertätigkeit überwiegend unter Benützung des Geschäftsführungsbüros in B aus.

Einlangende Schriftstücke werden dort, wo sie zuerst einlangen, also entweder in V oder in B, sofort mit einer Eingangsstampiglie versehen.

Poststücke, die in V einlangen, werden nach Anbringung der Eingangsstampiglie an das Geschäftsführungsbüro in B weitergeleitet. Poststücke, die zuerst in V einlangen, tragen bei ihrem Einlangen in B bereits die Eingangsstampiglie aus V.

Den Posteingang in V übernimmt und bestätigt S., eine überaus genaue und gewissenhafte Ordensfrau der Franziskanerinnen von V, die auch gewissenhaft auf jedem an der V Anschrift einlangenden Schriftstück die Eingangsstampiglie anbringt. S. übt ihre Sekretariats- und Kanzleitätigkeit für Einrichtungen der Franziskanerinnen von V bereits seit Jahrzehnten gewissenhaft aus.

Im gegenständlichen Fall ist aus einem jetzt nicht mehr nachvollziehbaren Versehen die Anbringung der Eingangsstampiglie in V unterblieben und der gegenständliche Bescheid wurde nach B weitergeleitet. Nachdem die Sekretärin in B mangels eines Eingangsstempels aus V davon ausging, dass eine Direktzustellung des Bescheides nach B erfolgt war, hat sie sofort nach Einlangen des Bescheides am 12.1.2010 in B den Bescheid mit einer Eingangsstampiglie versehen.

Der Geschäftsführer W. hat sodann am 19.1.2010 den Bescheid mit dem Hinweis, dass er am 12.1.2010 zugestellt wurde, an die Kanzlei der Rechtsanwälte P Anwaltspartnerschaft weitergeleitet.

Angesichts der Weihnachtsfeiertage und des Jahreswechsels war es auch in keiner Weise unplausibel, dass ein mit 18.12.2009 datierter Bescheid erst nach der weihnachtlichen Urlaubszeit und dem Jahreswechsel am 12.1.2010 zugestellt wird.

Die Fristvormerkung und die Beschwerdeabfertigung in der Kanzlei der Rechtsanwälte P. Anwaltspartnerschaft erfolgte gemäß dem Zustelldatum 12.1.2010.

Die Beschwerdeführerin wurde daher durch ein unvorhergesehenes und für die Beschwerdeführerin in dieser Situation unabwendbares Ereignis gehindert, die Beschwerdefrist zu wahren.

Zur Glaubhaftmachung der Wiedereinsetzungsumstände wird die Eidesstättige Erklärung des Geschäftsführers Erwin W. vom 8.3.2010 vorgelegt."

In der erwähnten, dem Wiedereinsetzungsantrag angeschlossenen eidesstättigen Erklärung des Geschäftsführers W. werden die wesentlichen Angaben des Wiedereinsetzungsvorbringens bestätigt.

Im Schriftsatz vom 11. März 2010 wird mit dem genannten Wiedereinsetzungsantrag neuerlich Beschwerde (protokolliert zur hg. Zl. 2010/11/0050 ) gegen den Bescheid vom 18. Dezember 2009 erhoben.

Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Wie erwähnt ist die Beschwerdeführerin eine Kapitalgesellschaft, die das allgemeine öffentliche Krankenhaus in B. betreibt. Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag hat die Beschwerdeführerin (zumindest) zwei Abgabestellen (§ 2 Z. 4 ZustG), nämlich am Sitz des Unternehmens in V. und am Ort der Krankenanstalt (Betriebsstätte) in B.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass ihr der angefochtene Bescheid am 30. Dezember 2009 an der Abgabestelle in V. zugestellt wurde (§ 13 Abs. 1 ZustG), sodass die vorliegenden beiden Beschwerden (die am 22. Februar 2010 bzw. am 11. März 2010 zur Post gegeben wurden) außerhalb der sechswöchigen Frist des § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG und damit verspätet eingebracht wurden.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Wie dargestellt hat die Beschwerdeführerin die Versäumung der Beschwerdefrist im Wiedereinsetzungsantrag im Wesentlichen damit begründet, dass ihr Geschäftsführer den angefochtenen Bescheid - in Unkenntnis der am 30. Dezember 2009 erfolgten Zustellung dieses Bescheides an der Abgabestelle in V. und in der Annahme, der angefochtene Bescheid sei erst am 12. Jänner 2010 an der Abgabestelle in B. zugestellt worden - an den bevollmächtigten Rechtsvertreter mit dem Hinweis auf das Zustelldatum 12. Jänner 2010 zur Erhebung der gegenständlichen Beschwerde weitergeleitet habe.

Die Beschwerdeführerin macht somit als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG den Irrtum ihres Geschäftsführers betreffend den Zustellzeitpunkt des angefochtenen Bescheides geltend, welcher durch das Verhalten seiner beiden Mitarbeiterinnen verursacht worden sei.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist daher entscheidend, ob den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin ein Verschulden an der Versäumung der Frist trifft, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht. Ein solches Verschulden des gesetzlichen Vertreters wäre dem Verschulden der Beschwerdeführerin gleichzusetzen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 unter E. 72 zu § 71 AVG referierte hg. Judikatur).

Im vorliegenden Fall liegt aus folgenden Gründen nicht bloß ein Versehen minderen Grades vor:

Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin hat in seiner dem Wiedereinsetzungsantrag beigelegten eidesstättigen Erklärung angegeben, seine Sekretärin in B. habe den (von der Abgabestelle in V. ohne Eingangsstampiglie weitergeleiteten) angefochtenen Bescheid (erstmals) mit einer Eingangsstampiglie versehen, die das Datum 12. Jänner 2010 aufgewiesen habe. Er selbst habe den angefochtenen Bescheid sodann mit dem Hinweis, dass es sich bei diesem Datum um das Zustelldatum handle, an den Rechtsanwalt weitergeleitet. Der Geschäftsführer hat daher B. als Zustellort und den 12. Jänner 2010 als Zustellzeitpunkt des angefochtenen Bescheid angenommen. Weder im Wiedereinsetzungsantrag noch in der eidesstättigen Erklärung des Geschäftsführers wird jedoch dargetan, ob und gegebenenfalls wie sich der Geschäftsführer vergewissert hat, dass diese Annahmen zutreffen, dass es sich also beim Datum der Eingangsstampiglie tatsächlich um das Zustelldatum des angefochtenen Bescheides handelte. Diesbezügliche Nachforschungen wären im vorliegenden Fall schon deshalb geboten gewesen, weil die in der Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ersichtliche Zustellverfügung des angefochtenen Bescheides - dort ist die Betriebsstätte der Beschwerdeführerin in V. als Zustelladresse angeführt - dafür spricht, dass der angefochtene Bescheid nicht an der Abgabestelle in B. (und damit nicht erst am 12. Jänner 2010) zugestellt wurde.

Schon in Anbetracht dieser Zustellverfügung hätte sich der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin daher vor der Weiterleitung des angefochtenen Bescheides an den Rechtsanwalt über den Ort der Zustellung (so etwa anhand des Zustellkuverts der belangten Behörde) und damit über den Zeitpunkt der Zustellung vergewissern müssen (vgl. dazu auch die hg. Judikatur, referiert bei Walter/Thienel, aaO, E. 53 zu § 71 AVG). Da nicht einmal behauptet wurde, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin eine diesbezügliche Überprüfung vorgenommen hat, liegt auf der Basis der Angaben im Wiedereinsetzungsantrag kein bloß minderer Grad des Versehens hinsichtlich der Versäumung der Beschwerdefrist vor.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist war somit abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erweisen sich die bei den erst am 22. Februar 2010 bzw. am 11. März 2010 zur Post gegebenen, zu den Zlen. 2010/11/0035, 0049 protokollierten Beschwerden als verspätet und waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 20. April 2010

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