Normen
31996L0062 Luftqualitätskontrolle-RL Art7 Abs3;
31996L0062 Luftqualitätskontrolle-RL;
32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa;
61988CJ0361 Kommission / Deutschland;
61989CJ0058 Kommission / Deutschland;
62007CJ0237 Janecek VORAB;
IG-L 1997 §10 Abs1;
IG-L 1997 §14;
IG-L 1997 §9a;
IG-L 1997;
VwGG §34 Abs1 impl;
31996L0062 Luftqualitätskontrolle-RL Art7 Abs3;
31996L0062 Luftqualitätskontrolle-RL;
32008L0050 Luftqualitäts-RL Europa;
61988CJ0361 Kommission / Deutschland;
61989CJ0058 Kommission / Deutschland;
62007CJ0237 Janecek VORAB;
IG-L 1997 §10 Abs1;
IG-L 1997 §14;
IG-L 1997 §9a;
IG-L 1997;
VwGG §34 Abs1 impl;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2008 beim Landeshauptmann von Niederösterreich (LH), dieser möge
- in Niederösterreich ein ausreichendes Messnetz für Feinstaub (PM10) vorsehen, um die Einhaltung der Grenzwerte nach IG-Luft überwachen zu können,
- ein Maßnahmenpaket (Programm) erlassen, das die Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub (PM10) im gesamten Bundesland sowohl kurz- als auch langfristig sicherstellt."
Zur Antragslegitimation verwies sie dabei zunächst darauf, dass sie ihren Wohnsitz in GW habe und sich somit ständig im belasteten Gebiet T aufhalte, und erklärte mit Verweis auf Art. 7 und 8 der Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (in weiterer Folge: Richtlinie 96/62/EG), sowie auf das dazu ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 25. Juli 2008, C- 237/07 , Janecek (in weiterer Folge: Urteil Janecek), dass ihr, zumal sie konkret von den Grenzwertüberschreitungen betroffen sei, ein subjektives Recht auf Erlassung von Aktionsplänen bzw. Maßnahmenpaketen und damit eine entsprechende Antragslegitimation zukomme. Die beantragten Maßnahmen seien im Hinblick auf die (näher dargelegten) zahlreichen Grenzwertüberschreitungen und die fehlenden Messstationen in Niederösterreich auch inhaltlich berechtigt.
Diese Anträge wies der LH mit Bescheid vom 14. August 2009 als unzulässig zurück.
Begründend wies der LH hinsichtlich des ersten Antrages darauf hin, dass Anzahl und Verteilung der Messstellen in Niederösterreich durch die Verordnung des Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) über das Messkonzept zum Immissionsschutzgesetz - Luft, BGBl. II Nr. 263/2004, festgelegt sei; diese rechtliche Mindestanforderung werde durch die mittlerweile 35 Messstationen in Niederösterreich bei weitem übererfüllt. Die geltende Rechtslage sehe im maßgeblichen IG-L keinerlei Möglichkeit vor, als Individualantrag zu begehren, wozu die Behörde von Amts wegen auf Grund von Gesetz und Verordnungen bereits verpflichtet sei. Hinsichtlich einer unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie 96/62/EG sei darauf zu verweisen, dass das Urteil Janecek des EuGH nicht die Verpflichtung statuiere, dass es zu keinerlei Überschreitungen der Grenzwerte mehr kommen dürfe, sondern ausspreche, dass verhältnismäßige Maßnahmen ergriffen werden müssten, um die Belastung zu reduzieren. Dies sei mit der NÖ Sanierungsgebiets- und Maßnahmenverordnung Feinstaub (PM10), LGBl. 8103/1-1 bereits erfolgt. Da somit weder innerstaatliches Recht noch unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht dem einzelnen Betroffenen subjektive Rechte einräumten, sei eine Parteistellung zu verneinen und es seien die beiden Anträge zurückzuweisen.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 1. September 2009 Berufung.
Darin brachte sie vor, dass sich subjektive Rechte auch aus Gemeinschaftsrecht ergeben könnten und dass das Urteil Janecek in dieser Hinsicht eindeutig sei. Die Behörde hätte zuerst zu beurteilen gehabt, ob die geltend gemachte Überschreitung der Grenzwerte zumindest denkmöglich sei, was hinsichtlich der Beschwerdeführerin nicht ausgeschlossen werden könne. Der EuGH habe eindeutig ausgesprochen, dass der Einzelne ein subjektives Recht auf Einhaltung der Grenzwerte habe, sodass es Aufgabe des LH gewesen wäre, dieses subjektive Recht in die verfahrens- und materiellrechtlichen Bestimmungen des IG-L einzufügen. Dem subjektiven Recht korrespondiere die Prozesslegitimation. Könne der Betroffene auf die Einhaltung der Grenzwerte pochen, müsse es ihm auch möglich sein, auf deren ausreichende Überwachung dringen zu können, insofern könne die Beschwerdeführerin auch die Umsetzung eines ausreichenden Messnetzes verlangen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25. Juli 2010 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin ab.
Begründend führte sie zunächst aus, dass Immissionsgrenzwerte gemäß § 3 Abs. 1 IG-L grundsätzlich an allen Stellen des Bundesgebietes und nicht nur bei unmittelbar Betroffenen einzuhalten seien. Die Allgemeinheit besitze daher ein rechtliches Interesse an der Einhaltung von Immissionsgrenzwerten und somit auch an der Setzung aller notwendigen Maßnahmen, einschließlich der Erlassung von relevanten Programmen und der Ausgestaltung eines ausreichenden Messnetzes für Feinstaub (PM10) durch die zuständigen Behörden. Die Lebensbedingungen und die Interessen der Beschwerdeführerin wiesen im Vergleich zu anderen Normunterworfenen, für die ein Maßnahmenprogramm gemäß § 9a IG-L, wie gegenständlich beantragt, im gleichen Maße Gültigkeit hätte, keine Besonderheiten auf. Der Umstand, dass sich der Wohnort der Beschwerdeführerin in einem belasteten Gebiet (Luft) befinde, begründe kein eigenständiges rechtliches Interesse, sondern befinde sich im Rahmen des Interesses der Allgemeinheit.
Eine allfällige Erlassung eines Programms gemäß § 9a IG-L oder ein geändertes Messnetz für Feinstaub (PM10) hätten keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin. Eine nur mittelbare Betroffenheit reiche nicht aus, um Parteistellung zu erlangen, da in der österreichischen Rechtsordnung kein Instrument der "Popularbeschwerde" vorgesehen sei. Auch im Urteil Janecek werde kein solches allgemeines Beschwerdeinstrument verlangt, sondern es werde vielmehr auf die unmittelbare Betroffenheit des "Berufungswerbers" abgestellt.
Das Erwirken des Tätigwerdens einer Behörde oder das Erwirken des Setzens eines generellen Rechtsaktes im Wege eines Antrages an eine Behörde sei dem österreichischen öffentlichen Recht grundsätzlich fremd. So sei auch im IG-L keine Bestimmung enthalten, die dem einzelnen Bürger das Recht einräume, die Erstellung von Programmen bzw. die Ausgestaltung eines Messnetzes für Feinstaub (PM10) einzuklagen. Da die Beschwerdeführerin zwar allenfalls ein faktisches oder wirtschaftliches, aber kein rechtliches Interesse an der Kontrolle, ob ein Messnetz oder ein Maßnahmenprogramm ausreichend vorhanden sei, besitze, komme ihr im vorliegenden Verfahren keine Parteistellung, sondern allenfalls Beteiligtenstellung zu. Es fehle daher an der diesbezüglichen Antragslegitimation.
Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, die wie gegenständlich unmittelbar anwendbar seien, müssten wie äquivalentes innerstaatliches Recht wirksam durchgesetzt werden können. Dafür würden die verfahrensrechtlichen Instrumente der nationalen Rechtsordnung herangezogen, sodass bei der Betrachtung, ob die Richtlinie 96/62/EG der Beschwerdeführerin ein Recht auf Erlassung eines Programms oder auf Überprüfung der Ausgestaltung des Messnetzes für Feinstaub (PM10) einräume, das System der österreichischen Rechtsordnung herangezogen werden müsse.
Der Vollzug des IG-L durch Behörden der österreichischen Verwaltung habe gemäß Art. 18 Abs. 1 B-VG auf Grund der gesetzlichen Grundlage zu geschehen. Um ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführerin zu konstituieren, müsste somit ein subjektives Recht des Einzelnen auf Setzung eines bestimmten Aktes der Verwaltung in der österreichischen Rechtsordnung vorgesehen sein. Dies sei nicht der Fall, und auch das Gemeinschaftsrecht stelle kein hinreichendes Instrumentarium für ein derartiges Verwaltungsverfahren zur Verfügung. Die Konstruktion eines solchen Verfahrens durch eine Verwaltungsbehörde überschreite die Grenze, die durch das in der Bundesverfassung verankerte Prinzip der Gewaltenteilung gesetzt sei. Folglich bestehe keine Antragslegitimation der Beschwerdeführerin und sei der Berufung keine Folge zu geben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin begründet das Vorliegen ihres subjektiven Rechtes, dem auch das Recht auf Bescheiderlassung korrespondiere, auch in der Beschwerde im Wesentlichen mit dem Hinweis auf das Urteil Janecek. Auch wenn kein direktes Antragsrecht auf Erlassung einer Verordnung bestehe, könne die verordnungserlassende Behörde dem Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin durch tatsächliche Erlassung einer entsprechenden Verordnung nachkommen, was zum Wegfall der Beschwer führen würde, sodass der Antrag damit als erledigt anzusehen wäre. Um dem Anspruch auf Entscheidung vollends Genüge zu tun, wäre die Verordnung mit einem Feststellungsbescheid zu flankieren, in dem der Anspruch auf Erlassung von Maßnahmen bzw. eines Aktionsplanes positiv festgestellt würde. Sei die Behörde der Ansicht, dass der Anspruch materiell nicht zu Recht bestehe, hätte sie über den Antrag mit Feststellungsbescheid negativ abzusprechen, den sie basierend auf Tatsachenfeststellungen (d.h. auf Sachverständigengutachten) entsprechend zu begründen hätte. Insofern verletze die Zurückweisung die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Sachentscheidung und damit auch in ihrem Recht auf Entscheidung durch den gesetzlichen Richter. Insofern die Behörden von einem Mangel an materieller Berechtigung ausgegangen seien, fehle hier jegliches Ermittlungsverfahren, sodass das Verfahren ergänzungsbedürftig bleibe.
Schließlich bemängelt die Beschwerdeführerin die Annahme der belangten Behörde, wonach sie aus ihrem belasteten Wohnort kein eigenständiges rechtliches Interesse ableiten könne. Personen, die in einem belasteten Gebiet wohnten, seien schon rein statistisch höheren Belastungen ausgesetzt als Personen in einem "unbelasteten" Gebiet. Darüber hinaus werde durch die wiederholte Überschreitung der Grenzwerte belegt, dass die jeweils zu treffenden Verpflichtungen aus dem IG-L bzw. den Luftqualitätsrichtlinien nicht eingehalten würden. Für die Prozesslegitimation komme es aber allein darauf an, ob eine solche Beeinträchtigung möglich sei, nicht, ob sie tatsächlich vorliege. Die Behörde habe zur Möglichkeit bzw. zum Vorliegen einer solchen Beeinträchtigung jedoch jede Ermittlungstätigkeit unterlassen. Könne die Beschwerdeführerin auf die Einhaltung der Grenzwerte pochen, müsse sie auch auf deren ausreichende Überwachung pochen können, sodass ihr insofern auch ein Recht darauf zukomme, ein ausreichendes Messnetz verlangen zu können.
2.1 Der zwölfte Erwägungsgrund der Richtlinie 96/62/EG lautet:
"Zum Schutz der Umwelt insgesamt und der menschlichen Gesundheit müssen die Mitgliedstaaten bei Überschreiten der Grenzwerte Maßnahmen ergreifen, damit diese Grenzwerte binnen der festgelegten Fristen eingehalten werden."
Anhang I der Richtlinie 96/62/EG enthält eine Liste der bei der Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität zu berücksichtigenden Luftschadstoffe. In Nr. 3 dieser Liste sind "Feinpartikel wie Ruß (einschließlich PM10)" verzeichnet.
Die wesentlichen Bestimmungen der Richtlinie 96/62/EG lauten:
"Artikel 7
Verbesserung der Luftqualität
Allgemeine Anforderungen
(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um die Einhaltung der Grenzwerte sicherzustellen.
(2) (…)
(3) Die Mitgliedstaaten erstellen Aktionspläne, in denen die Maßnahmen angegeben werden, die im Fall der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte und/oder der Alarmschwellen kurzfristig zu ergreifen sind, um die Gefahr der Überschreitung zu verringern und deren Dauer zu beschränken. Diese Pläne können, je nach Fall, Maßnahmen zur Kontrolle und, soweit erforderlich, zur Aussetzung der Tätigkeiten vorsehen, die zu einer Überschreitung der Grenzwerte beitragen, einschließlich des Kraftfahrzeugverkehrs."
Dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa, veröffentlicht im Amtsblatt Nr. L 152 vom 11. Juni 2008 (in weiterer Folge: Richtlinie 2008/50/EG) ist zu entnehmen:
"(2) Zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt insgesamt ist es von besonderer Bedeutung, den Ausstoß von Schadstoffen an der Quelle zu bekämpfen und die effizientesten Maßnahmen zur Emissionsminderung zu ermitteln und auf lokaler, nationaler und gemeinschaftlicher Ebene anzuwenden. Deshalb sind Emissionen von Luftschadstoffen zu vermeiden, zu verhindern oder zu verringern und angemessene Luftqualitätsziele festzulegen, wobei die einschlägigen Normen, Leitlinien und Programme der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu berücksichtigen sind."
Die wesentlichen Bestimmungen der Richtlinie 2008/50/EG lauten auszugsweise:
"Artikel 7
Probenahmestellen
(1) Für die Festlegung des Standorts von Probenahmestellen zur Messung von Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxiden, Partikeln (PM10, PM2,5), Blei, Benzol und Kohlenmonoxid in der Luft gelten die Kriterien des Anhangs III.
(2) In Gebieten und Ballungsräumen, in denen ortsfeste Messungen die einzige Informationsquelle für die Beurteilung der Luftqualität darstellen, darf die Anzahl der Probenahmestellen für jeden relevanten Schadstoff nicht unter der in Anhang V Abschnitt A festgelegten Mindestanzahl von Probenahmestellen liegen.
(3) Für Gebiete und Ballungsräume, in denen die Informationen aus Probenahmestellen für ortsfeste Messungen ergänzt werden, kann die in Anhang V Abschnitt A festgelegte Gesamtzahl der Probenahmestellen um bis zu 50 % verringert werden, sofern
a) (…)
Artikel 23
Luftqualitätspläne
(1) Überschreiten in bestimmten Gebieten oder Ballungsräumen die Schadstoffwerte in der Luft einen Grenzwert oder Zielwert zuzüglich einer jeweils dafür geltenden Toleranzmarge, sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass für diese Gebiete oder Ballungsräume Luftqualitätspläne erstellt werden, um die entsprechenden in den Anhängen XI und XIV festgelegten Grenzwerte oder Zielwerte einzuhalten.
Im Falle der Überschreitung dieser Grenzwerte, für die die Frist für die Erreichung bereits verstrichen ist, enthalten die Luftqualitätspläne geeignete Maßnahmen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann. Die genannten Pläne können zusätzlich gezielte Maßnahmen zum Schutz empfindlicher Bevölkerungsgruppen, einschließlich Maßnahmen zum Schutz von Kindern, vorsehen.
Diese Luftqualitätspläne müssen mindestens die in Anhang XV Abschnitt A aufgeführten Angaben umfassen und können Maßnahmen gemäß Artikel 24 umfassen. (…)
Müssen für mehrere Schadstoffe Luftqualitätspläne ausgearbeitet oder durchgeführt werden, so arbeiten die Mitgliedstaaten gegebenenfalls für alle betreffenden Schadstoffe integrierte Luftqualitätspläne aus und führen sie durch.
(2) (…)
Artikel 24
Pläne für kurzfristige Maßnahmen
(1) Besteht in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum die Gefahr, dass die Schadstoffwerte eine oder mehrere der in Anhang XII festgelegten Alarmschwellen überschreiten, erstellen die Mitgliedstaaten Pläne mit den Maßnahmen, die kurzfristig zu ergreifen sind, um die Gefahr der Überschreitung zu verringern oder deren Dauer zu beschränken. Besteht diese Gefahr bei einem oder mehreren der in den Anhängen VII, XI und XIV genannten Grenzwerte oder Zielwerte, können die Mitgliedstaaten gegebenenfalls solche Pläne für kurzfristige Maßnahmen erstellen.
(…)
(2) In diesen Plänen für kurzfristige Maßnahmen gemäß Absatz 1 können im Einzelfall wirkungsvolle Maßnahmen zur Kontrolle und, soweit erforderlich, zur Aussetzung der Tätigkeiten vorgesehen werden, die zur Gefahr einer Überschreitung der entsprechenden Grenzwerte, Zielwerte oder Alarmschwellen beitragen. Diese Pläne können Maßnahmen in Bezug auf den Kraftfahrzeugverkehr, Bautätigkeiten, Schiffe an Liegeplätzen sowie den Betrieb von Industrieanlagen oder die Verwendung von Erzeugnissen und den Bereich Haushaltsheizungen umfassen. Außerdem können in diesen Plänen gezielte Maßnahmen zum Schutz von Kindern, in Betracht gezogen werden.
(3) (…)"
Gemäß Anhang XVII ("Entsprechungstabelle") entspricht Art. 24 der Richtlinie 2008/50/EG Art. 7 Abs. 3 "mit Änderungen" der Richtlinie 96/62/EG.
Die wesentlichen Vorschriften des IG-L (in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 77/2010) lauteten:
"Meßkonzept
§ 4. (1) Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat nach Anhörung der Landeshauptmänner innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes mit Verordnung ein Meßkonzept für die Kontrolle der Einhaltung der in den Anlagen 1, 2 und 5b festgelegten Immissionsgrenz- und -Zielwerte, einschließlich der Beurteilung der Hintergrundbelastung und der zeitlichen Entwicklung der Immissionssituation (Trendabschätzung) sowie der Abschätzung des Import-Export-Anteils (Messungen im Rahmen des Genfer Übereinkommens über die weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung), zu erlassen. Für Immissionsgrenzwerte, die in einer Verordnung nach § 3 Abs. 3 festgelegt werden, ist das Meßkonzept innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung zu erlassen.
(2) (…)
Meßstellen, Meßzentralen
§ 5. (1) Die Landeshauptmänner haben die Meßstellen einzurichten und zu betreiben. An den Standorten Sonnblick (Salzburg), Zöbelboden (Oberösterreich), Illmitz (Burgenland), Vorhegg (Kärnten) sowie an mindestes zwei weiteren Standorten im Bundesgebiet haben sie sich der Meßstellen des Umweltbundesamtes zu bedienen.
(2) (…)
3a. Abschnitt
Programme
Erstellung von Programmen
§ 9a. (1) Zur Erreichung der Ziele dieses Bundesgesetzes (§ 1) hat der Landeshauptmann (…) ein Programm zu erstellen, in dem jene Maßnahmen festgelegt werden, die ergriffen werden, um die Emissionen, die zur Überschreitung des Immissionsgrenzwerts gemäß Anlage 1, 2 und 5b oder einer Verordnung nach § 3 Abs. 3 geführt haben, im Hinblick auf die Einhaltung dieses Grenzwerts zu reduzieren. (…)
(…)
Grundsätze
§ 9b. Bei der Erstellung von Programmen gemäß § 9a sind folgende Grundsätze zu berücksichtigen:
1. (…)
4. Abschnitt
Maßnahmen
Anordnung von Maßnahmen
§ 10. (1) Maßnahmen gemäß §§ 13 bis 16 sind im Rahmen und auf Grundlage des Programms gemäß § 9a vom Landeshauptmann oder Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, sofern dieser gemäß § 9a Abs. 6 zuständig ist, spätestens 24 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem die Grenzwertüberschreitung festgestellt wurde, mit Verordnung unter Beachtung der Grundsätze des § 9b anzuordnen.
(2) (…)"
In §§ 13 bis 16 IG-L werden näher dargestellte Maßnahmen für Anlagen, für den Verkehr, für Stoffe, Zubereitungen und Produkte und auch "zusätzliche Maßnahmen" vorgesehen.
In der Verordnung des BMLFUW zum Messkonzept zum Immissionsschutzgesetz-Luft, BGBl. II Nr. 263/2004 in der Fassung der Novelle BGBl. II Nr. 500/2006 ist in § 5 ff. die Anzahl der Messstellen und deren regionale Verteilung geregelt, wobei in Niederösterreich die Mindestzahl der aufzustellenden Messstellen 12 (zuzüglich einer Hintergrundmessstelle des Umweltbundesamtes) beträgt. Gemäß § 8 leg. cit. hat der Landeshauptmann die Standorte dem BMLFUW zu melden und die Gründe für die Standortwahl zu dokumentieren.
Der LH von NÖ erließ aufgrund § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 IG-L die NÖ Sanierungsgebiets- und Maßnahmenverordnung Feinstaub (PM10) in der Fassung der Novelle 8103/1-1. Laut § 1 Abs. 1 dieser Verordnung umfasst das Sanierungsgebiet unter anderem auch den Bezirk T zur Gänze. Gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. gelten die Maßnahmen (§§ 2 bis 5) für das gesamte Sanierungsgebiet. In den §§ 2 bis 6 sind Maßnahmen für "Anlagen" (§ 2), Streumittel (§ 3), Schüttgüter (§ 4), Gärrückstände (§ 5) und für den Verkehr (§ 6) näher dargelegt, wobei jedoch § 2 leg. cit. erst am 1. Jänner 2011 in Kraft trat (vgl. § 9).
2.2 Mit Urteil vom 25. Juli 2008, C-237/07 (Janecek), befasste sich der EuGH unter anderem mit folgender Frage, die vom Bundesverwaltungsgericht der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt wurde (Randziffern des Urteils vorangestellt):
"(21) Ist Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62 dahin auszulegen, dass dem in seiner Gesundheit beeinträchtigten Dritten ein subjektives Recht auf Erstellung eines Aktionsplans selbst dann eingeräumt wird, wenn er unabhängig von einem Aktionsplan in der Lage ist, sein Recht auf Abwehr gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch Überschreitung des Immissionsgrenzwerts für Feinstaubpartikel PM10 im Wege der Klage auf Einschreiten der Behörde durchzusetzen?"
Hinsichtlich dieser Frage kam der EuGH zu folgendem Ergebnis:
"(37) Wie der Gerichtshof wiederholt ausgeführt hat, wäre es mit dem zwingenden Charakter, den Art. 249 EG der Richtlinie verleiht, unvereinbar, grundsätzlich auszuschließen, dass eine mit ihr auferlegte Verpflichtung von den betroffenen Personen geltend gemacht werden kann. Diese Überlegung gilt ganz besonders für eine Richtlinie, die eine Eindämmung und Reduzierung der Luftverschmutzung und damit den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezweckt.
(…)
(39) Daraus folgt, dass natürliche oder juristische Personen, die unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen betroffen sind, bei den zuständigen Behörden - gegebenenfalls unter Anrufung der zuständigen Gerichte -
erwirken können müssen, dass beim Vorliegen einer solchen Gefahr ein Aktionsplan erstellt wird.
(40) Dass diese Personen über andere Handlungsmöglichkeiten verfügen und insbesondere von den zuständigen Behörden den Erlass konkreter Maßnahmen zur Verringerung der Verschmutzung verlangen können, wie es das deutsche Recht nach den Angaben des vorlegenden Gerichts vorsieht, ist insoweit ohne Bedeutung.
(41) Zum einen enthält die Richtlinie 96/62 nämlich keinerlei Vorbehalt hinsichtlich Maßnahmen, die nach anderen Bestimmungen des nationalen Rechts getroffen werden können, und zum anderen sieht sie ein ganz spezielles Planungsinstrumentarium vor, um, wie es im zwölften Erwägungsgrund heißt, die Umwelt 'insgesamt' und unter Berücksichtigung aller einzubeziehenden Faktoren wie insbesondere der Anforderungen betreffend den Betrieb von Industrieanlagen oder den Verkehr zu schützen.
(42) Auf die erste Frage ist somit zu antworten, dass Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62 dahin auszulegen ist, dass unmittelbar betroffene Einzelne im Fall der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen bei den zuständigen nationalen Behörden die Erstellung eines Aktionsplans erwirken können müssen, auch wenn sie nach nationalem Recht über andere Handlungsmöglichkeiten verfügen sollten, um diese Behörden dazu zu bringen, Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung zu treffen."
3.1. Die Richtlinie 2008/50/EG, die die RL 96/62 ersetzt hat, war spätestens am 11. Juni 2010 umzusetzen; der angefochtene Bescheid wurde nach diesem Zeitpunkt, nämlich am 27. Juli 2010, erlassen.
Die Beschwerdeführerin beantragt einerseits die Einrichtung eines "ausreichenden" Messnetzes für Feinstaub (PM10) zur Überwachung der Einhaltung der Grenzwerte nach IG-L in Niederösterreich. Damit bezieht sie sich auf die §§ 4 f. IG-L in Verbindung mit der diesbezüglich erlassenen Verordnung zum Messkonzept zum Immissionsschutzgesetz-Luft (hinsichtlich der Messungen).
Gegenstand des verfahrensauslösenden Antrags ist andererseits die Erlassung eines Maßnahmenpakets bzw. Programmes, das die Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub (PM10) im gesamten Bundesland sowohl kurz- als auch langfristig sicherstellt. Vom Wortlaut des Antrags her bezieht sich die Beschwerdeführerin damit auf die §§ 9a ff. IG-L (Programm) und die §§ 10 ff. leg. cit. (Maßnahmen). Ein solches Programm bzw. die darauf aufbauenden Maßnahmen sind bei der Überschreitung von Grenzwerten vorgesehen.
3.2. Es trifft zu, dass die Richtlinie 2008/50/EG im Vergleich zu ihrer Vorgängerrichtlinie eine andere Struktur in Bezug auf die Instrumente aufweist, die der Hintanhaltung der Gefährdung der Umwelt bzw der menschlichen Gesundheit durch Luftschadstoffe dienen sollen, und dass das Urteil Janecek vor dem Hintergrund der nicht mehr in Kraft stehenden Vorgängerrichtlinie 96/62/EG erging. Auch wenn in Zweifel zu ziehen ist, dass deshalb - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift meint - aus den Aussagen des Urteils Janecek für die neue Rechtslage nichts zu gewinnen ist, so kann im vorliegenden Fall eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Frage, ob und inwieweit die Aussagen dieses Urteils auch für die Richtlinie 2008/50/EG Bedeutung haben, entfallen.
Gleichermaßen kann dahin stehen, ob die aus Artikel 23 der Richtlinie 2008/50/EG erfließenden Verpflichtungen vor dem Hintergrund des Urteils Janecek von betroffenen Personen im Sinne der Erstellung solcher Pläne geltend gemacht werden können und ob sich eine solche Verpflichtung auch auf die Erstellung ausreichender Messnetze bezieht oder nicht. Aus Anlass der hier vorliegenden Anträge muss auch nicht geprüft werden, welche Rolle dabei der Umstand spielt, dass es zum einen durch die Verordnung des BMLFUW über das Messkonzept zum IG-L, BGBl. II Nr. 263/2004, und zum anderen durch die NÖ Sanierungsgebiets- und Maßnahmenverordnung Feinstaub (PM10) und die dort detailliert vorgesehenen Maßnahmen bereits Umsetzungsschritte der genannten Richtlinien gibt.
Dies aus folgender Überlegung:
3.3. Voraussetzung für eine solche, von der Beschwerdeführerin eingemahnte Rechtsposition und die damit verbundenen Rechte ist nämlich deren unmittelbare Betroffenheit von der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte. So heißt es im Urteil Janecek in den Rz 39 und 42 ausdrücklich, dass "natürliche oder juristische Personen, die unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen betroffen sind" bzw "unmittelbar betroffene Einzelne" bestimmte Maßnahmen erwirken können (vgl. zur Voraussetzung der "unmittelbaren Betroffenheit" auch das hg. Erkenntnis vom 28. September 2011, 2009/04/0211).
Der EuGH hat im zitierten und in anderen Urteilen (vgl. zB das Urteil vom 30. Mai 1991, Rs C-361/88 , Kommission/Deutschland - Luftreinhalte-RL, oder vom 17. Oktober 1991, Rs C-58/89 , Kommission/Deutschland - Oberflächenwasser-RL) auf die direkte und individuelle Betroffenheit des Einzelnen abgestellt und diesem einen Zugang zu einem Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren nur dann eröffnet, wenn ein solches Maß an Betroffenheit gegeben ist (vgl. dazu auch Frank, Gemeinschaftsrecht und staatliche Verwaltung, Wien 2000, S. 429 ff).
Nur die Begünstigten oder Betroffenen sind es, die ein unmittelbares Interesse daran haben, dass die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden (vgl. dazu Hölscheidt, EuR 2001, S. 388f). Dieses Interesse eines Betroffenen, von dessen Durchsetzung im Urteil Janecek die Rede ist, erwächst allein aus seiner aus dieser unmittelbaren Betroffenheit abgeleiteten, eigenen Rechtsposition und nicht aus dem der Allgemeinheit.
Die Beschwerdeführerin nahm aber in der Formulierung ihrer Anträge nicht auf ihre eigene konkrete Situation sondern auf die der Allgemeinheit in Niederösterreich Bezug, wenn sie Anträge dahingehend stellte, dass der LH "in Niederösterreich" ein ausreichendes Messnetz für PM10 einrichten wolle bzw. ein Maßnahmenpaket "im gesamten Bundesland" (gemeint wohl ebenso Niederösterreich) umgesetzt werden müsste.
Anträge, die wie die gegenständlichen auf Umsetzung im gesamten Bundesland abzielen, mögen zwar im Ergebnis auch dem Schutz der Gesundheit der Beschwerdeführerin dienen, doch käme der Beschwerdeführerin - wenn überhaupt - nur ein Recht auf Durchsetzung der gegenständlichen Ansprüche insoweit zu, insofern eine Beeinträchtigung ihrer eigenen Gesundheit unmittelbar (etwa durch dauernden oder wiederholten Aufenthalt im Einwirkungsbereich einer Emissionsquelle, vgl. dazu Wagner/Kerschner (Hrsg.), Immissionsschutzgesetz-Luft, 2008, S. 57f., und Jarass, Verwaltungsarchiv 2006, S. 448 mwN) in Frage kommt. Dass eine solche konkrete Betroffenheit für die Beschwerdeführerin im gesamten Bundesland gegeben wäre, ist nicht anzunehmen; diesbezüglich fehlt es an einem über allgemeine Behauptungen hinausgehenden Vorbringen der Beschwerdeführerin.
3.4. Der Anspruch auf Durchsetzung behördlicher Schritte sieht jedenfalls die dargestellte unmittelbare Betroffenheit eines Antragstellers als Zulässigkeitsvoraussetzung vor. Die Zurückweisung der Anträge der Beschwerdeführerin erfolgte daher im Ergebnis zu Recht.
4. Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 26. Juni 2012
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