VwGH 2009/22/0135

VwGH2009/22/013518.6.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerden der M und des M, beide vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Marxergasse 21, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres je vom 10. März 2009, Zlen. 316.646/5-III/4/08 (hg. Zl. 2009/22/0135) und 316.646/6-III/4/08 (hg. Zl. 2009/22/0136), jeweils betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;
MRK Art8;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §72;
NAG 2005 §74;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit den zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer, zweier Geschwister serbischer Staatsangehörigkeit, gemäß den §§ 21 Abs. 1 und 11 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab. Begründend führte sie gleichlautend in den Bescheiden aus, dass die Beschwerdeführer Anträge auf Erteilung von Niederlassungsbewilligungen gesetzeskonform im Ausland am 20. April 2006 eingebracht hätten. Hierauf seien sie mit einem Reisevisum nach Österreich gereist. Beide hätten Schulbesuchsbestätigungen vorgelegt, aus denen sich - wie auch in der Berufung ausgeführt - ergebe, dass sie sich seit der Einreise in Österreich aufhalten würden.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass die Anträge der Beschwerdeführer als Erstanträge zu werten seien, bei denen § 21 Abs. 1 NAG zu beachten sei. Gemäß dieser Bestimmung seien Erstanträge nicht nur vor der Einreise im Ausland einzubringen, sondern es sei auch die Entscheidung im Ausland abzuwarten. Dabei handle es sich nicht um ein bloßes Formalerfordernis, sondern um eine Erfolgsvoraussetzung. Davon abgesehen rechtfertige der längere unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG.

Letztlich stellte die belangte Behörde fest, dass kein besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt gegeben sei; die Beschwerdeführer hätten sich bei Begründung ihres Familienlebens mit ihrem Vater in Österreich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden nach deren Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Vorerst ist anzumerken, dass im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide diese nach der Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 zu überprüfen sind.

In den Beschwerden wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführer die Zuwanderung nach Österreich zu dem hier lebenden Vater beabsichtigten. Auch die - allerdings vom Vater geschiedene - leibliche Mutter sei in Österreich dauerhaft niedergelassen. Nach Einreise mit einem Visum hätten die Beschwerdeführer Gründe im Sinn des § 72 NAG geltend gemacht.

Die Beschwerdeführer bestreiten somit nicht, dass eine Erfolgsvoraussetzung für ihre Anträge, nämlich das Abwarten im Ausland gemäß § 21 Abs. 1 NAG, nicht gegeben sei.

Mit den Beschwerdeausführungen zu § 72 NAG verkennen sie die Rechtslage.

Gemäß § 74 NAG hat die Behörde von Amts wegen die Inlandsantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder die Heilung von sonstigen Verfahrensmängeln zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des § 72 NAG erfüllt werden. Gemäß § 72 Abs. 1 NAG kann die Behörde im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses ausgenommen bei Vorliegen eines Aufenthaltsverbotes in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltsbewilligung erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Gründe liegen insbesondere vor, wenn der Drittstaatsangehörige einer Gefahr gemäß § 50 FPG ausgesetzt ist. Weiters liegen besonders berücksichtigungswürdige Fälle im Sinn dieser Bestimmung dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. September 2008, 2008/22/0268).

Die Beschwerdeführer sind mit einem Reisevisum eingereist, halten sich ca. zwei Jahre bei ihrem hier aufhältigen Vater auf und besuchen eine Schule.

Wenn die Beschwerde aus diesem Sachverhalt einen Anspruch nach Art. 8 EMRK ableiten möchte, verkennt sie den Inhalt dieser Bestimmung. Sie gewährleistet nämlich keinesfalls ein Recht auf Entfaltung des Familienlebens in einem bestimmten Staat. Nur unter besonderen Umständen kann sich aus Art. 8 EMRK eine Verpflichtung des Staates ergeben, die Einreise und Niederlassung von Familienangehörigen zu ermöglichen, dies mit der Folge, dass die Verweigerung der Einreise oder Niederlassung einen Eingriff in dieses Grundrecht bildet (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. Dezember 2004, 2004/21/0195 bis 0197, sowie vom 3. September 2008, 2008/22/0376, 0377, jeweils mwH).

Eine derartige Notwendigkeit der Familienzusammenführung kann im vorliegenden Fall keinesfalls gesehen werden. Die Beschwerdeführer haben bis zum Alter von ca. 15 bzw. 17 Jahren getrennt von ihren Eltern im Heimatland gelebt und es wird keine Begründung dafür vorgebracht, aus welchen Motiven nunmehr die Zuwanderung nach Österreich erfolgen soll. Es wird darüber hinaus auch nicht begründet, warum den Beschwerdeführern die Einhaltung des gesetzlich vorgesehenen Weges zur Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung unzumutbar sein sollte. Zu Recht schloss die belangte Behörde aus dem Vorgehen der Beschwerdeführer, nach Ablauf der Gültigkeit ihres Visums unrechtmäßig in Österreich zu bleiben, auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Bereich des Fremdenwesens (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, 2006/18/0414). Art. 8 EMRK gewährt - wie schon angesprochen - nicht das Recht, sich eine Aufenthaltsberechtigung im Inland zu erzwingen. Warum im vorliegenden Fall die Abweisung der Anträge unter Anwendung des § 21 Abs. 1 NAG nach dem Beschwerdevorbringen "grob willkürlich und unsachlich" erfolgt sein soll, ist nicht nachvollziehbar.

In den Beschwerden wird nicht behauptet, dass die Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren einen "drohenden Existenzverlust" bzw. eine "Rückkehrproblematik" näher konkretisiert hätten. Die Beschwerdeführer legen auch nicht dar, welches Vorbringen ihnen im Verwaltungsverfahren verwehrt worden wäre, weshalb es dem diesbezüglich behaupteten Verfahrensmangel schon an der Relevanz fehlt.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 18. Juni 2009

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