VwGH 2009/18/0477

VwGH2009/18/047715.12.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des D G in W, geboren am 21. Juli 1976, vertreten durch Dr. Carl Benkhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 26, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Oktober 2009, Zl. E1/342.006/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §46 Abs3;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §46 Abs3;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §50 Abs2;
FrPolG 2005 §51;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. Oktober 2009 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2004 unrechtmäßig nach Österreich gelangt und hier seit 7. September 2004 gemeldet. Am 26. April 2005 habe er die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt, nachdem er am 5. April 2005 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet habe. Dieser Antrag sei mit Bescheid der Erstbehörde (Bundespolizeidirektion Wien) vom 20. September 2005 zurückgewiesen worden.

Am 3. Oktober 2005 habe der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt. Er sei in den Verdacht der Scheinehe geraten, welcher sich jedoch nicht habe verifizieren lassen, weshalb ihm im November 2005 erstmals eine Niederlassungsbewilligung erteilt und diese bis 1. Dezember 2007 auch verlängert worden sei. In einem weiteren Verlängerungsverfahren sei er erneut in den Verdacht der Scheinehe geraten, der sich wieder nicht mit der dafür erforderlichen Verlässlichkeit habe bestätigen lassen. Seit 23. Februar 2007 sei die Ehe jedenfalls geschieden. Am 26. Mai 2009 sei ihm - in Unkenntnis der Aufenthaltsbehörde von nachfolgend angeführten Umständen - ein weiterer Aufenthaltstitel erteilt worden.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6. März 2009 sei über den Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs. 1 erster und zweiter Fall Suchtmittelgesetz - SMG eine bedingte Freiheitsstrafe von sieben Monaten rechtskräftig verhängt worden, weil er in einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitraum bis zum 21. Mai 2008 in W eine große Menge Suchtgift, nämlich 2,178 Kilogramm Cannabiskraut, mit dem Vorsatz, es an unbekannte Abnehmer in Verkehr zu setzen, erworben und in seiner Wohnung aufbewahrt habe.

Auf Grund dieser Verurteilung sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes seien im Grunde des § 60 Abs. 1 leg. cit. gegeben.

Der Beschwerdeführer sei - wie dargestellt - geschieden und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen bestünden zu zwei Brüdern und einer Schwester, die ebenfalls über Aufenthaltstitel verfügten. Bei einem Bruder handle es sich um einen mehrfach vorbestraften Straftäter, gegen den ein Aufenthaltsverbotsverfahren anhängig sei. Angesichts aller Umstände sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Verhinderung weiterer Straftaten, insbesondere der Suchtgiftkriminalität, und zum Schutz der Gesundheit Dritter - dringend geboten sei. Gerade der Suchtgiftkriminalität hafte nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit, sondern auch ein überaus große Wiederholungsgefahr an. Auch wenn es sich im gegenständlichen Fall um die erste Verurteilung des Beschwerdeführers handle, so sei doch die verhältnismäßige Kürze seines bisherigen Aufenthaltes in Österreich im Zeitpunkt seiner Straftat zu berücksichtigen, woraus auf seine offenbare Geringschätzung maßgeblicher, in Österreich gültiger Rechtsvorschriften geschlossen werden könne. Die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sei keinesfalls gering zu schätzen. Keinesfalls besonders ausgeprägt seien seine familiären Bindungen in Österreich. Nur mit dem genannten straffällig gewordenen Bruder lebe er im gemeinsamen Haushalt. In seiner Heimat bestünden zumindest familiäre Bindungen zum Vater. Eine relevante Verfestigung des Beschwerdeführers am heimischen Arbeitsmarkt sei nicht aktenkundig. Laut dem vorliegenden Sozialversicherungsdatenauszug weise er eine Unzahl von Beschäftigungsverhältnissen auf, die jedoch jeweils nur wenige Tage oder Wochen, nur in Einzelfällen wenige Monate, gedauert hätten. Im Jahr 2007 sei er überhaupt nur zwei Wochen aufrecht beschäftigt gewesen. Angesichts aller Umstände könne er sohin auf keine schwerwiegende Integration in Österreich verweisen. Auch verfüge er erst seit vier Jahren über Aufenthaltstitel. Dass seiner Ausreise unüberwindliche Hindernisse entgegenstünden, sei nicht geltend gemacht worden. Den Kontakt zu seinen Familienangehörigen könne er - wenn auch eingeschränkt - vom Ausland aus aufrecht erhalten, eine Einschränkung, die er im öffentlichen Interesse zu tragen haben werde. Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers wögen daher insgesamt keinesfalls derart schwer, dass das genannte große öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten, insbesondere der Suchtkriminalität, in den Hintergrund zu treten hätte. Solcherart erweise sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als dringend geboten und im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG als zulässig.

Eine Vernehmung der beantragten Zeugen zum Ausmaß seiner Integration sei erläßlich gewesen, weil eine derartige Beurteilung einem Zeugen nicht zustehe. Darüber hinaus sei nicht ersichtlich gewesen, was diese Zeugen infolge eigener Wahrnehmung darüber auszusagen hätten, was der Beschwerdeführer selbst nicht ohnedies bereits vorgebracht habe.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, dass er in Serbien mit einer Gefahr für sein Leben und seine Gesundheit zu rechnen hätte und in seiner Heimat einem eminenten Bedrohungsszenario ausgesetzt wäre, so sei dem entgegenzuhalten, dass mit dem gegenständlichen Bescheid nicht darüber abgesprochen werde, in welches Land er auszureisen habe oder gar abgeschoben werde. Für die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung stehe diesbezüglich auch ein eigenes Verfahren zur Verfügung. Dass der Beschwerdeführer einen diesbezüglichen Antrag eingebracht hätte, sei nicht aktenkundig. Keinesfalls stellten die von ihm geltend gemachten Gründe einen "Umstand dar", von dem gegenständlichen "Aufenthaltsverbot Abstand zu nehmen".

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde betreffend die (rechtskräftige) Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien begegnet deren - unbekämpfte - Beurteilung, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.2. Der Beschwerdeführer hat nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde, wie oben dargestellt, bis zum 21. Mai 2008 in W eine große Menge Suchtgift, nämlich 2,178 Kilogramm Cannabiskraut, mit dem Vorsatz, es an unbekannte Abnehmer in Verkehr zu setzen, erworben und in seiner Wohnung aufbewahrt. Zu Recht hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders sozialschädliche Kriminalität handelt, bei der die Wiederholungsgefahr besonders groß ist.

In Anbetracht dieses Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, insbesondere seines Vorsatzes, eine große Menge Suchtgift in Verkehr zu setzen, und des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0400, mwN), begegnet auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Auch lag das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers noch nicht so lange zurück, um von einem Wegfall oder auch nur einer wesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr ausgehen zu können.

2. Bei der Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde die Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers seit 2004, seine Bindungen zu drei hier lebenden Geschwistern, wobei er mit einem Bruder im gemeinsamen Haushalt lebt, sowie den Umstand, dass er bis zum Jahr 2007 eine Unzahl von allerdings nur verhältnismäßig kurz dauernden Beschäftigungsverhältnissen aufweist, berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 66 Abs. 1 leg. cit. angenommen. Ebenso zutreffend hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass die Integration des Beschwerdeführers durch das genannte strafbare Verhalten wesentlich gemindert sei und auch keine relevante Verfestigung des Beschwerdeführers am heimischen Arbeitsmarkt vorliege. Diesbezüglich bringt die Beschwerde selbst vor, dass der Beschwerdeführer seine Beschäftigung im Jahr 2007, wenn auch aus gesundheitlichen Gründen, ausgesetzt habe.

Den Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die oben dargestellte, aus seinem strafbaren Verhalten resultierende erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber, hat er doch eine große Menge von Suchtgift mit dem Vorsatz erworben und aufbewahrt, dieses in Verkehr zu setzen. Bei Abwägung der obgenannten gegenläufigen Interessen kann die Auffassung der belangten Behörde, dass seine Interessen die öffentlichen Interessen jedenfalls nicht überwögen, nicht als rechtswidrig erkannt werden, und zwar auch dann, wenn man dieser Beurteilung die Beschwerdebehauptungen zugrunde legte, dass dem Beschwerdeführer von seinen Geschwistern mit Unterhaltsleistungen ausgeholfen würde, er an den funktionierenden Haushalten seiner Geschwister teilnehme und diese zum Teil über unbefristete Aufenthaltsbewilligungen und die österreichische Staatsbürgerschaft verfügten. Schon im Hinblick darauf ist die Verfahrensrüge, wonach die belangte Behörde die Geschwister "zum Beweis der sozialen und familiären Integration des Beschwerdeführers" als Zeugen hätte vernehmen müssen, nicht zielführend.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, dass er in Serbien mit einer Gefahr für sein Leben und seine Gesundheit zu rechnen habe, so zeigt er auch damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die Frage des allfälligen Vorliegens von Gründen im Sinn des § 50 Abs. 1 oder 2 FPG - abgesehen davon, dass mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht ausgesprochen wird, in welchen Staat der Fremde auszureisen habe - nicht in einem Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, sondern in einem gesonderten Verfahren nach § 51 FPG, in einem asylrechtlichen Verfahren oder in einem Verfahren betreffend die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 46 Abs. 3 FPG zu beurteilen ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, Zl. 2008/18/0749, mwN). Auch von daher kommt den in diesen Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen (Vernehmung der Geschwister des Beschwerdeführers und des polizeilichen Chefermittlers zur "Cappuccino-Sache", Beischaffung des diesbezüglichen Strafaktes und Anleitung des Beschwerdeführers) keine Berechtigung zu.

3. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, haben sich doch keine besonderen Umstände ergeben, die eine Ermessensübung nach § 60 Abs. 1 FPG zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 15. Dezember 2009

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