VwGH 2009/18/0464

VwGH2009/18/046426.11.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des J L in W, geboren am 12. April 1971, vertreten durch Dr. Thomas König, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ertlgasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 1. Oktober 2009, Zl. SD 1793/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;
FrG 1997 §36 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z6;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §63 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 1. Oktober 2009 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer, der zu einem unbekannten Zeitpunkt nach Österreich eingereist sei, habe bereits am 3. September 2001 versucht, mit einem (Erst-)Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "privat" einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Nachdem dieser Versuch gescheitert sei, habe er am 4. Februar 2004 die österreichische Staatsbürgerin S. geheiratet. Die Heiratsurkunde sei am 27. Februar 2004 per Telefax beim Landeshauptmann von Wien eingelangt und sei von dort am 11. März 2004 mit dem Antrag an die für "begünstigte Drittstaatsangehörige" zuständige Erstbehörde (Bundespolizeidirektion Wien) weitergeleitet worden.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung der Ermittlungen im Rahmen einer Scheineheüberprüfung weiter aus, dass S. am 10. Jänner 2006 gestanden habe, dass sie eine Scheinehe mit dem Beschwerdeführer eingegangen wäre und mit diesem keinen gemeinsamen Wohnsitz hätte. Die Ehe wäre gegen ein Entgelt von ca. EUR 300,-- pro Monat geschlossen worden, und der Beschwerdeführer übergäbe ihr den Bargeldbetrag regelmäßig persönlich. Der Fortbestand der Ehe wäre lediglich bis zur Erlangung einer Niederlassungsbewilligung durch den Beschwerdeführer geplant gewesen. Sie hätte diesen jede Woche bzw. alle vierzehn Tage gesehen, um die Post aus einer Wohnung abzuholen. Sie hätte ihn geehelicht, weil sie sich in einer finanziellen Notlage befunden hätte.

In weiterer Folge führte die belangte Behörde aus, dass sie keinen Grund habe, am Geständnis von S. zu zweifeln. Es sei kein Grund ersichtlich, warum diese das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bloß "vortäuschen" sollte. Im Gegensatz dazu habe der Beschwerdeführer das größte Interesse an der Aufrechterhaltung der Ehe, weil sein weiterer Verbleib im Bundesgebiet und darüber hinaus sein (freier) Zugang zum Arbeitsmarkt davon abhingen. Auch die Hausbesorgerin und Wohnungsnachbarn hätten übereinstimmend und glaubwürdig angegeben, dass der Beschwerdeführer mit S. keinen gemeinsamen Haushalt führte, sondern in einer Lebensgemeinschaft mit seiner "Ex-Gattin" und dem gemeinsamen Sohn lebte. Es bestehe kein Grund, die Richtigkeit dieser Aussagen zu bezweifeln.

Die belangte Behörde habe daher als erwiesen angenommen, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Damit seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt.

Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 86 Abs. 1 FPG rechtfertige. Diese Gefährdung der öffentlichen Ordnung sei trotz eines Zeitablaufes von mehr als fünf Jahren seit der rechtsmissbräuchlichen Eheschließung nach wie vor gegeben, was der Gesetzgeber mit der Normierung des § 63 Abs. 1 leg. cit. deutlich zum Ausdruck gebracht habe. Der Verhinderung bzw. Bekämpfung solcher Ehen komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Auch die EU sei in der Vergangenheit bestrebt gewesen, diesem überhandnehmenden Phänomen mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten.

Der Beschwerdeführer sei seit ca. acht Jahren in Österreich aufhältig, verfüge im Bundesgebiet über familiäre Bindungen zu einer Schwester und gehe seit 26. Februar 2004 einer Beschäftigung nach. In rechtlicher Hinsicht erachtete die belangte Behörde die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen als dringend geboten und gemäß § 66 FPG als zulässig.

Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände vorlägen, habe sie angesichts des gegebenen Sachverhaltes von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde gesteht die Richtigkeit der im angefochtenen Bescheid getroffenen Tatsachenfeststellungen zu, wendet sich jedoch gegen die darin getroffene rechtliche Beurteilung und bringt insoweit vor, dass das Verhalten (die "Aufenthaltsehe") des Beschwerdeführers bereits mehr als fünf Jahre zurückliege und dieser Zeitraum von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der Eheschließung - und nicht nach der letztmaligen Berufung auf die Ehe - berechnet werde. Die Eheschließung sei am 4. Februar 2004 erfolgt, die Antragstellung bei der "MA 20" (beim Landeshauptmann von Wien) am 27. Februar 2004 und die Übermittlung des Aktes an die damals zuständige Erstbehörde am 11. März 2004. Der angefochtene Bescheid sei am 1. Oktober 2009 erlassen worden. Der Bescheid gehe auch in keiner Weise auf die gegenläufige ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein. Da das Aufenthaltsverbot in der gesamten "Schengen-Zone" gültig sei (der Beschwerdeführer genieße als kroatischer Staatsangehöriger an sich Reisefreiheit in der EWR-Zone), wäre mit einer Aufrechterhaltung eines solchen Verbotes auch ein überschießend gravierender Eingriff zu Lasten des Beschwerdeführers verbunden.

2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

2.1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen unbestrittenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt zu haben, und in Anbetracht des hohen Stellenwerts, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2008, Zl. 2008/18/0729, mwN), begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine Gefährdung im Sinne des - im Beschwerdefall gemäß § 87 FPG anzuwendenden - § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) leg. cit. darstelle, keinen Bedenken.

Entgegen der Beschwerdeansicht widerspricht die im angefochtenen Bescheid getroffene rechtliche Beurteilung nicht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und ist die belangte Behörde in ihrem Bescheid auch auf diese Rechtsprechung eingegangen. Nach der zum Fremdengesetz 1997 - FrG ergangenen hg. Judikatur war eine allein aus dem besagten Rechtsmissbrauch durch Eingehen einer Scheinehe resultierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung als weggefallen zu betrachten, wenn - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - die erstmalige Erfüllung des in § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG normierten Tatbestandes (und nicht die letztmalige Berufung auf diese Ehe zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile) bereits mehr als fünf Jahre zurücklag. Diese Rechtsprechung wurde für den Anwendungsbereich des FPG im Hinblick darauf, dass nunmehr § 63 Abs. 1 FPG im Fall des § 60 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot zulässt, nicht übernommen, zumal die Annahme, ein weiteres Fehlverhalten im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. zu späteren Zeitpunkten wäre unerheblich, in einen Wertungswiderspruch zu § 60 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. geraten würde (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa die Erkenntnisse vom 19. Juni 2008, Zl. 2007/18/0228, und vom 24. September 2009, Zl. 2006/18/0395, mwN).

2.2. Ferner begegnet auch die im angefochtenen Bescheid gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 leg. cit. getroffene Interessenabwägung keinem Einwand, und es kann diesbezüglich auf die insoweit zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen werden.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 26. November 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte