VwGH 2009/18/0294

VwGH2009/18/029424.9.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des X L, geboren am 25. April 1989, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Juni 2009, Zl. E1/429.768/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
EMRK Art8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 4. Juni 2009 wurde der Beschwerdeführer, ein chinesischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe am "5. August 2005" beim Bezirkspolizeikommissariat Favoriten in Wien einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zum Zweck der Familienzusammenführung mit seinem österreichischen Stiefvater gestellt, der nach Zuständigkeitsübergang an den Landeshauptmann von Wien unter Berücksichtigung der mittlerweile eingetretenen Volljährigkeit des Beschwerdeführers als "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" geprüft und im Hinblick auf das zu geringe Einkommen des Stiefvaters mit Bescheid vom 5. Mai 2007 gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG abgewiesen worden sei, da der Aufenthalt des Beschwerdeführers zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Eine dagegen eingebrachte Berufung sei mit Bescheid vom 20. Februar 2008 rechtskräftig abgewiesen worden.

Der Beschwerdeführer sei mit einem von der österreichischen "Botschaft" in Shanghai ausgestellten und vom 20. März bis 19. Juli 2007 gültigen Visum "D" am 5. April 2007 in das Bundesgebiet eingereist und bis dato trotz einer seit 14. Juni 2008 rechtskräftigen Bestrafung wegen seines illegalen Aufenthaltes nicht aus dem Bundesgebiet ausgereist. Einem aktuellen Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung zufolge sei der Beschwerdeführer zwischen 14. Februar und 14. März 2008 in einem China-Restaurant und zwischen 28. April und 18. Mai 2008 in einem Gastgewerbebetrieb als Arbeiter beschäftigt gewesen. Der Inhaber des China-Restaurants sei mit rechtskräftiger Strafverfügung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 9 Abs. 3 AuslBG u.a. dafür bestraft worden, dass er am 26. November 2008 den Beschwerdeführer für Reinigungsarbeiten beschäftigt habe, ohne dass dieser im Besitz einer erforderlichen Berechtigung im Sinn des Ausländerbeschäftigungsgesetzes gewesen sei.

Der Beschwerdeführer verfüge zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über keinen Sozialversicherungsschutz.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe weder über einen Einreise- noch über einen Aufenthaltstitel verfügt und sich seit Ablauf seines Visums, somit seit 20. Juli 2007, unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 leg. cit. gegeben seien.

Nach der Aktenlage hielten sich die leibliche Mutter, ein Bruder und der Stiefvater des Beschwerdeführers im Bundesgebiet auf, der leibliche Vater sei nach eigenen, jedoch unbestätigten Angaben des Beschwerdeführers bereits verstorben.

Wenngleich der überwiegende Teil des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet als unrechtmäßig einzustufen sei, sei vor dem Hintergrund der familiären Situation zweifelsfrei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- bzw. Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff erweise sich jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier:

zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und des Arbeitsmarktes - als dringend geboten. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße der besonders lange unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, ohne im Besitz einer Einreise- oder eines Aufenthaltstitels zu sein, jedoch gravierend. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer trotz des gegen ihn eingeleiteten Ausweisungsverfahrens bzw. der rechtskräftigen schwerwiegenden Bestrafung wegen des illegalen Aufenthaltes seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer unter den gegebenen Umständen rechtens gegenwärtig auch nicht in der Lage sei, seinen Aufenthalt vom Inland aus zu legitimieren, seien humanitäre Gründe im Sinn des § 72 iVm § 75 NAG weder aktenkundig noch behauptet worden. Der Beschwerdeführer weise zudem keinen erforderlichen Kranken- bzw. Sozialversicherungsschutz auf, sei auf Grund eines fehlenden Aufenthaltstitels und einer fehlenden Beschäftigungsbewilligung nicht selbsterhaltungsfähig und daher nicht als in den Arbeitsmarkt integriert anzusehen. Zudem habe der Beschwerdeführer, ohne die entsprechenden arbeitsmarktrechtlichen Dokumente zu besitzen, im Bundesgebiet offenbar mehrfach Schwarzarbeit ausgeübt, was im Übrigen sogar die Tatbestandsvoraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erfüllen würde.

Eigenen Angaben zufolge habe der Beschwerdeführer in seinem Heimatland neun Jahre die Schule absolviert und in Österreich angeblich "drei deutsche Kurse" besucht. Es sei nicht behauptet worden, dass er in seinem Heimatland keinerlei Familienangehörige mehr habe und es ihm dort unmöglich sei, für seine eigene Existenz aufzukommen. Schließlich seien nach der Aktenlage keine Gründe erkennbar bzw. behauptet worden, weshalb die Familienangehörigen den Beschwerdeführer nicht ins Ausland begleiten oder dort zumindest besuchen könnten.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen, habe dem Beschwerdeführer doch spätestens seit der rechtskräftig negativen Abweisung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bewusst sein müssen, dass er seinen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet nach dem Ablauf seines Visums nicht legalisieren könne.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass der im Jahr 2007 mit einem Visum "D" eingereiste Beschwerdeführer sich nach Ablauf des Visums am 19. Juli 2007 ohne einen Aufenthaltstitel hier aufhält. Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung, dass die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2. Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei, nachdem er über ein Visum verfügt habe, davon ausgegangen, dass ihm ein Aufenthaltstitel erteilt werde, da auch sein älterer Bruder sowie seine Mutter über einen Aufenthaltstitel in Österreich verfügten und sein Stiefvater österreichischer Staatsbürger sei. Zum Zeitpunkt seiner Einreise sei er noch minderjährig gewesen. In China verfüge der Beschwerdeführer über keinerlei Verwandte mehr und habe dort keine Existenzmöglichkeit. Die humanitären Gründe überwögen bei weitem die öffentlich-rechtlichen. Eine Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet erscheine zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung keinesfalls dringend geboten.

Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Das Vorliegen von humanitären Gründen wäre - abgesehen vom Fall einer Gefährdung im Sinne des § 50 FPG - nur dann anzunehmen, wenn der Fremde (ausnahmsweise) einen aus Art. 8 EMRK ableitbaren Anspruch auf Verbleib in Österreich hätte. In diesen Fällen wäre eine Ausweisung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK unzulässig.

Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 2007 und die Bindungen zu seiner im Bundesgebiet lebenden Mutter, seinem Bruder und seinem Stiefvater zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG angenommen. Ebenso zutreffend hat sie jedoch die Auffassung vertreten, dass den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich kein solches Gewicht zukomme, dass seine Ausweisung nach dieser Gesetzesbestimmung unzulässig, das heißt, nicht zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten, sei. Daran ändert auch nichts, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Einreise noch minderjährig war. Zu Recht hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zukommt. Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer, der sich nach Ablauf seines Visums am 19. Juli 2007 ohne einen Aufenthaltstitel in Österreich aufgehalten hat und wegen seines unrechtmäßigen Aufenthaltes - was die Beschwerde nicht in Abrede stellt - rechtskräftig bestraft wurde, durch diesen unrechtmäßigen Verbleib in Österreich bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides gravierend beeinträchtigt. Hinzu kommt - worauf die belangte Behörde zutreffend hinweist -, dass der Beschwerdeführer spätestens mit rechtskräftiger Abweisung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit Bescheid vom 20. Februar 2008 nicht damit rechnen durfte, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet fortsetzen zu können. Weiters ist - ebenfalls unbestritten - zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer mehrmals bei der Verrichtung von Schwarzarbeit betreten wurde und über keinen Krankenversicherungsschutz verfügt. Im Übrigen handelt es sich bei dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er hätte in China keine Verwandten mehr und keine Existenzmöglichkeit, um eine nicht näher substantiierte - bloße - Behauptung; schon deshalb vermag der Beschwerdeführer damit eine maßgebliche Verstärkung seiner privaten Interessen nicht darzutun (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. März 2007, Zl. 2007/18/0068).

Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung der Ausweisung auch unter Bedachtnahme auf die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers im Sinne des § 66 FPG - und daher auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK - zulässig sei, keinem Einwand.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 24. September 2009

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte