Normen
BAO §299 Abs1 idF 2002/I/097;
BAO §299 Abs1 idF 2003/I/124;
BAO §299 Abs1;
BAO §299 Abs2;
BAO §299;
BAO §93 Abs3 lita;
BAO §299 Abs1 idF 2002/I/097;
BAO §299 Abs1 idF 2003/I/124;
BAO §299 Abs1;
BAO §299 Abs2;
BAO §299;
BAO §93 Abs3 lita;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte hatte einen Wohnsitz in Salzburg und bezog Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus einer in Wien ausgeübten Tätigkeit. In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2003 machte er als Werbungskosten u.a. die Kosten für doppelte Haushaltsführung (Kosten eines "Büros" in Wien) sowie für wöchentliche Fahrten zwischen Salzburg und Wien geltend.
Der Einkommensteuerbescheid 2003 vom 5. November 2004 erging erklärungsgemäß.
Der Mitbeteiligte brachte mit Eingabe vom 3. Dezember 2004 Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid ein und führte u. a. aus, er habe in seiner Steuererklärung übersehen, dass die 2002 vorgenommene Anschaffung eines beruflich genutzten Computers (Anschaffungskosten von 1.399 EUR) über AfA verteilt auf drei Jahre absetzbar sei. Er beantrage daher die Erhöhung der Werbungskosten um die AfA für das Jahr 2003 von 466,60 EUR.
In der Berufungsvorentscheidung vom 16. Dezember 2004 anerkannte das Finanzamt die beantragte AfA für den Computer, verweigerte aber andererseits die Berücksichtigung der (im Erstbescheid noch zuerkannten) Kosten für doppelte Haushaltsführung und Wochenendheimfahrten. Zur Begründung führte es aus, dass diese Kosten im Erstbescheid zu Unrecht berücksichtigt worden seien. "Dass und warum diese Aufwendungen nicht abzugsfähig sind, wurde bereits in der Bescheidbegründung zur Veranlagung 2002 mitgeteilt."
Der Mitbeteiligte stellte in der Folge den Antrag vom 16. Jänner 2005 auf Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz "hinsichtlich der Streichung" der im Erstbescheid vom 5. November 2004 zugestandenen und berücksichtigten Kosten für doppelte Haushaltsführung und Wochenendheimfahrten. Es könne nicht sein, dass er im Nachhinein durch eine Berufung schlechter gestellt werde. Die rechtswirksame Anerkennung dieser Kosten könne nicht willkürlich, ohne einen (im Vergleich zur Steuererklärung) neuen Sachverhalt geändert werden. Der Verweis des Finanzamtes auf Einkommensteuer 2002 sei materiell irrelevant, da im Jahr 2002 eine andere Situation vorgelegen sei. Bedingt durch die Beendigung der Lebensgemeinschaft mit der Mutter seines Sohnes im Jahr 2002 und die Begründung eines neuen provisorischen Haushaltes im Jahr 2002 habe er bei der Veranlagung für das Jahr 2002 Schwierigkeiten gehabt, die doppelte Haushaltsführung hinreichend zu dokumentieren. Für das Jahr 2003 könne er hingegen eine entsprechende Dokumentation der Kosten für doppelte Haushaltsführung liefern. Er könne Nachweise für den Hauptwohnsitz in Salzburg, für die Kosten des Büros in Wien und für die Fahrtkosten erbringen.
Mit der an die belangte Behörde gerichteten Eingabe vom 24. August 2005 zog der Mitbeteiligte "(n)ach Rücksprache mit der ob. Behörde" seine Berufung "wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit vollinhaltlich" zurück.
Die belangte Behörde erklärte die Berufung mit Bescheid vom 13. September 2005 gemäß § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos und verwies in der Bescheidbegründung darauf, dass damit der Einkommensteuerbescheid 2003 vom 5. November 2004 in formelle Rechtskraft erwachse. Durch die Gegenstandsloserklärung werde die Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes "aufgehoben" und trete der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid 2003 wieder in Rechtsbestand.
In der Folge erließ das Finanzamt mit Ausfertigungsdatum vom 3. November 2005 sowohl einen Bescheid, mit dem es den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 5. November 2004 gemäß § 299 BAO aufhob, als auch einen neuen Einkommensteuerbescheid 2003.
Der Aufhebungsbescheid weist folgende Begründung auf:
"Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist."
Mit dem zugleich erlassenen neuen Einkommensteuerbescheid 2003 wurden die vom Mitbeteiligten geltend gemachten Kosten für doppelte Haushaltsführung (einschließlich Wochenendheimfahrten) nicht mehr gewährt und die Einkommensteuer exakt so festgesetzt wie in der Berufungsvorentscheidung vom 16. Dezember 2004. Zur Begründung wurde ausgeführt:
"Die AfA für den PC wurde als Werbungskosten angesetzt.
Aufwendungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung können nur dann anerkannt werden, wenn ein Familienwohnsitz an einem anderen Ort vorliegt. Da Sie weder verheiratet sind noch in Lebensgemeinschaft leben, sind diese Voraussetzungen nicht gegeben.
Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so können die Kosten für eine beruflich veranlasste Begründung eines zweiten Haushalts am Beschäftigungsort vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden. Im Allgemeinen wird für Alleinstehende ein Zeitraum von sechs Monaten ausreichend sein.
Da Sie bereits länger in Wien arbeiten, ist die Beibehaltung eines Wohnsitzes in Salzburg privat veranlasst.
Aufwendungen für Familienheimfahrten (EUR 1.152,--) sowie doppelte Haushaltsführung (EUR 1.397,06) können daher nicht anerkannt werden."
Der Mitbeteiligte brachte gegen beide Bescheide vom 3. November 2005 (Aufhebungsbescheid und neuer Einkommensteuerbescheid 2003) Berufung ein, in der er vorbrachte, die Bescheidaufhebung werde damit begründet, dass der Einkommensteuerbescheid vom 3. November 2004 "nicht richtig" gewesen sei. Das bedeute aber noch nicht, dass eine Rechtswidrigkeit iSd § 299 Abs. 1 BAO vorgelegen sei. Der Entscheidung des Finanzamtes liege eine verfehlte Ermessensübung zugrunde. Dem Finanzamt seien bereits vor Erlassung des seinerzeitigen Einkommensteuerbescheides alle Sachverhaltselemente bekannt gewesen. Es sei kein neuer Sachverhalt hinzugekommen. Der Mitbeteiligte vermute daher, dass seine Berufung vom 3. Dezember 2004 gegen jenen Einkommensteuerbescheid den Sinneswandel des Finanzamtes herbeigeführt habe. "Dies wurde durch die Berufungsvorentscheidung vom 16.12.2004 praktisch umzusetzen versucht, gegen die ich ebenfalls berufen habe." Im Berufungsverfahren sei diese Sichtweise durch einen Anruf der belangten Behörde vom 23. August 2005 sinngemäß bestätigt worden. Dabei sei dem Mitbeteiligten klar gemacht worden, dass die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes zwar aufgrund der Berufungsargumentation aufheben würde, damit das Verfahren aber in jenen Zustand versetzt würde, in dem es sich vor Bescheiderlassung befunden habe. Um dies zu vermeiden, habe die belangte Behörde dem Mitbeteiligten geraten, seine Berufung "wegen Aussichtslosigkeit" zurückzuziehen. Für diesem Fall sei dem Mitbeteiligten in Aussicht gestellt worden, dass der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid wieder auflebe; weiters sei ihm versichert worden, dass das Verfahren damit abgeschlossen sei. Im Vertrauen darauf habe der Mitbeteiligte seine Berufung "unter Bezugnahme auf das Gespräch" zurückgezogen. Tatsächlich habe die belangte Behörde sodann mit ihrem Bescheid vom 13. September 2005 den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid vom 5. November 2004 ausdrücklich als in formaler Rechtskraft befindlich, die Berufungsvorentscheidung des Finanzamts als gegenstandslos sowie das Berufungsverfahren für abgeschlossen erklärt. Dadurch sei für den Mitbeteiligten eine Situation entstanden, der Behörde Treu und Glauben zu schenken und anzunehmen, dass eine rechtswirksame und verbindliche Lösung der gegenständlichen Steuerangelegenheit nunmehr gegeben sei. Die neuerliche Bescheidaufhebung stelle für den Mitbeteiligten eine unvorhergesehene Unbilligkeit dar. Die Behörde müsse bei ihrer Ermessensübung, also bei der Frage, ob sie eine Bescheidaufhebung vornehme oder nicht, von § 20 BAO ausgehen, wobei auf berechtigte Interessen der Partei Bedacht zu nehmen sei.
Die Berufung wurde mit zwei Berufungsvorentscheidungen vom 16. Februar 2007 als unbegründet abgewiesen. Die Berufungsvorentscheidung betreffend den Aufhebungsbescheid enthält folgende Begründung:
"Gemäß § 299 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Im Zuge der Aktenkontrolle wurde festgestellt, dass im Jahr 2003 Aufwendungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung geltend gemacht wurden, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen (ein Familienwohnsitz an einem anderen Ort) vorlagen.
Das Finanzamt hat im Hinblick auf die Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dem Prinzip der Rechtmäßigkeit den Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit einzuräumen. Da die Auswirkungen der Rechtswidrigkeit nicht unerheblich waren, war die Aufhebung durchzuführen."
In der Begründung der Berufungsvorentscheidung betreffend Einkommensteuer 2003 führt das Finanzamt aus, aus welchen Gründen es die Voraussetzung für die Berücksichtigung von Kosten der doppelten Haushaltsführung und der Familienheimfahrten für nicht gegeben erachtet.
Der Mitbeteiligte stellte den Antrag auf Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Ergänzend führte er im Wesentlichen aus, in der Berufungsvorentscheidung werde erstmals im laufenden Verfahren davon gesprochen, dass die Auswirkungen der Rechtswidrigkeit nicht unerheblich gewesen seien und deshalb die Aufhebung zu verfügen gewesen sei. Das Finanzamt unterstelle ihm, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung (Familienwohnsitz an einem anderen Ort) nicht vorgelegen seien. Dazu verweise er darauf, dass er an seinem damaligen ordentlichen Wohnsitz JM Straße in Salzburg eine Lebensgemeinschaft geführt habe. Das Vorhandensein einer (neuen) Lebensgemeinschaft (im Jahr 2003 und den folgenden Jahren) habe das Finanzamt aber in keiner Weise überprüft.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gegen den Aufhebungsbescheid Folge und hob diesen ersatzlos auf. Die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 3. November 2005 wurde als unzulässig zurückgewiesen.
Gemäß § 93 Abs. 3 lit. a BAO habe ein Bescheid eine Begründung zu enthalten. Die Abgabenbehörde habe in der Begründung des Aufhebungsbescheides lediglich den Gesetzeswortlaut wiedergegeben, ohne jedoch konkret darzulegen, aufgrund welcher Umstände im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Aufhebung tatsächlich verwirklicht worden wären. Der Begründung könne nicht entnommen werden, welche konkreten Sachverhalts- bzw. Tatbestandselemente die Abgabenbehörde zu der streitgegenständlichen Aufhebung nach § 299 BAO berechtigten. Das bloße Zitieren eines Gesetzeswortlautes ohne Darlegung eines die Aufhebung begründenden, konkreten Sachverhaltes stelle keine ausreichende Begründung für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Bescheidaufhebung nach § 299 BAO dar.
Als Begründung eines Aufhebungsbescheides reiche ein Verweis auf die Begründung eines anderen Bescheides aus. Ein entsprechender Verweis im Aufhebungsbescheid auf die im Einkommensteuerbescheid 2003 gemachten Ausführungen liege gegenständlich aber nicht vor.
Abweichend von dem Grundsatz, dass Begründungsmängel erstinstanzlicher Bescheide im Berufungsverfahren saniert werden könnten, sei das Fehlen der Darstellung der Aufhebungsgründe nach § 299 BAO im Berufungsverfahren nicht sanierbar. Die Berufungsbehörde dürfe nämlich eine Bescheidaufhebung nach § 299 BAO nicht aufgrund von Tatsachen bestätigen, die das Finanzamt nicht herangezogen habe. Ein Aufgreifen von Gründen, die von der Abgabenbehörde erster Instanz nicht herangezogen worden seien, würde die durch § 289 Abs. 2 BAO eingeräumte Entscheidungskompetenz der Rechtsmittelbehörde überschreiten.
Der Berufung gegen den Aufhebungsbescheid werde daher schon wegen dessen Begründungsmangels stattgegeben. Damit erübrige sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen des Mitbeteiligten.
Durch die Beseitigung des Aufhebungsbescheides trete gemäß § 299 Abs. 3 BAO das Einkommensteuerverfahren 2003 in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung durch das Finanzamt befunden habe. Der mit dem Aufhebungsbescheid verbundene, mit gleichem Datum (3. November 2005) erlassene Einkommensteuerbescheid 2003 sei damit nicht mehr im Rechtsbestand. Die gegen diesen Einkommensteuerbescheid 2003 gerichtete Berufung werde gemäß § 273 Abs. 1 BAO als unzulässig (geworden) zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde des Finanzamtes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002 und 124/2003 kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Gemäß § 299 Abs. 2 leg. cit. ist mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden.
Die Neufassung des § 299 BAO durch BGBl. I Nr. 97/2002 hat insbesondere zu folgenden Änderungen geführt:
Zuständigkeit der Abgabenbehörde erster Instanz zur Aufhebung Antragsrecht der Partei auf Bescheidaufhebung
Verbindung des Aufhebungsbescheides mit dem neuen Sachbescheid Während § 299 BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002 als Voraussetzung
der Aufhebung die inhaltliche Rechtswidrigkeit des (aufzuhebenden) Bescheides vorsah, stellt das Gesetz nach der Novellierung durch BGBl. I Nr. 124/2003 darauf ab, ob sich der Spruch des (aufzuhebenden) Bescheides "als nicht richtig erweist".
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 14. Mai 1991, 90/14/0262, zur Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO ausgeführt:
"Welche gesetzlichen Wiederaufnahmsgründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei, bei der Wiederaufnahme von Amts wegen jedoch die gemäß § 305 Abs. 1 (BAO) für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde. Daraus folgt, dass Sache, über die die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 289 Abs. 1 BAO selbst zu entscheiden hat, bei einer Berufung der Partei gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen durch das gemäß § 305 Abs. 1 BAO zuständige Finanzamt nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen sein kann, also jener wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmsgrund beurteilt hatte. Unter 'Sache' ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hatte (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung Handbuch, S. 686 ff). Bei einem verfahrensrechtlichen Bescheid wie dem der Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens von Amts wegen wird die Identität der Sache über die abgesprochen wurde, durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmstatbestand herangezogen wurde. Die Berufungsinstanz darf die Wiederaufnahme daher nicht auf Grund von Tatsachen bestätigen, die vom Finanzamt nicht herangezogen wurden. Sie darf nur die gleichen Umstände (die gleichen tatsächlichen Grundlagen) einer anderen rechtlichen Wertung unterziehen (vgl. Erkenntnis vom 26. April 1957, VwSlg. 4338 A/1957). Aufgabe der Berufungsbehörde bei Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch das Finanzamt ist daher, ob dieses das Verfahren aus den von ihm gebrauchten Gründen wiederaufnehmen durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmsgründen zulässig gewesen wäre. Die Beschränkung der Berufungsbehörde auf die Sache erster Instanz schließt es daher aus, dass jene neue Wiederaufnahmsgründe einführt und solcherart an Stelle der Behörde, die gemäß § 305 Abs. 1 BAO zuständig ist, aus anderen Gründen die Wiederaufnahme bewilligt. Verstößt die Berufungsbehörde gegen diese ihre Beschränkung auf die Sache des Berufungsverfahrens, belastet sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmsgrund nicht vor, muss die Berufungsbehörde daher den vor ihr angefochtenen Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben (vgl. Stoll, a.a.O.). Am Finanzamt liegt es dann, ob es etwa von der Berufungsbehörde entdeckte andere Wiederaufnahmsgründe aufgreift und zu einer (neuerlichen) Wiederaufnahme heranzieht. Dass die Berufungsbehörde keine neuen Wiederaufnahmsgründe einführen darf, ist auch durch die zeitliche Begrenzung der Wiederaufnahme, wie sie sich aus § 304 BAO ergibt, geboten."
Aus den Überlegungen dieses Erkenntnisses lässt sich für die Aufhebung nach § 299 BAO idF ab BGBl. I Nr. 97/2002 Folgendes ableiten:
§ 299 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002 (und BGBl. I Nr. 124/2003) räumt dem Steuerpflichtigen ein Antragsrecht auf Bescheidaufhebung ein. Den Aufhebungsgrund bestimmt bei der Aufhebung auf Antrag die betreffende Partei. Sie gibt im Aufhebungsantrag an, aus welchen Gründen sie den Bescheid für inhaltlich rechtswidrig erachtet. Korrespondierend dazu legt bei der Bescheidaufhebung von Amts wegen die Abgabenbehörde erster Instanz im Zusammenhang mit der Erlassung des Aufhebungsbescheides fest, aus welchen Gründen sie den Bescheid als inhaltlich rechtswidrig ansieht. Daraus folgt, dass die Sache, über die in der Berufung gegen einen Aufhebungsbescheid oder einen Bescheid, mit welchem der Aufhebungsantrag abgewiesen wird, zu entscheiden ist, bei der beantragten Aufhebung durch die Partei im Aufhebungsantrag und bei der amtswegigen Aufhebung durch das Finanzamt im Rahmen der Erlassung des Aufhebungsbescheides festgelegt wird.
Das Finanzamt bringt in seiner Beschwerde vor, es stehe außer Streit, dass ein Aufhebungsbescheid nach § 299 BAO einer Begründung bedürfe. Wegen der engen rechtlichen Verknüpfung des Aufhebungsbescheides mit dem zugleich erlassenen neuen Sachbescheid (im Beschwerdefall dem neuen Einkommensteuerbescheid) und im Hinblick auf die im gegenständlichen Fall gegebene einwandfreie Erkennbarkeit der vom Finanzamt aufgegriffenen Rechtswidrigkeit des seinerzeitigen Einkommensteuerbescheides könne im bloßen Fehlen eines Verweises in der Begründung des Aufhebungsbescheides auf den neuen Einkommensteuerbescheid kein inhaltlicher Mangel erblickt werden. Die belangte Behörde hätte daher den Aufhebungsbescheid nicht mit der Begründung aufheben dürfen, dass das Finanzamt die Aufhebung nicht ausreichend begründet habe.
Mit diesem Vorbringen ist das Finanzamt im Recht:
In der Begründung des Aufhebungsbescheides nach § 299 Abs. 1 BAO vom 3. November 2005 wird allgemein die Voraussetzung für die Aufhebung angeführt, nämlich dass sich "der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweist". Im gemäß § 299 Abs. 2 BAO mit dem Aufhebungsbescheid verbundenen, den bisherigen Einkommensteuerbescheid ersetzenden (neuen) Einkommensteuerbescheid vom 3. November 2005 wird dargelegt, aus welchen Gründen die (in der vom Mitbeteiligten in seiner Abgabenerklärung geltend gemachten und vom Finanzamt im Erstbescheid als Werbungskosten in Abzug gebrachten) Kosten der doppelten Haushaltsführung und der Familienheimfahrten nach Ansicht des Finanzamtes nicht als Werbungskosten anerkannt werden können. Damit war objektiv erkennbar dargetan, dass das Finanzamt bei der gleichzeitigen Erlassung des Aufhebungsbescheides die "Unrichtigkeit" des ersten Einkommensteuerbescheides 2003 in der Berücksichtigung der Kosten der doppelten Haushaltsführung und der Familienheimfahrten als Werbungskosten erblickt hat.
In diesem Zusammenhang kann auch darauf verwiesen werden, dass der Mitbeteiligte sodann in seiner Berufung gegen den Aufhebungsbescheid auch auf die in der Berufungsvorentscheidung vom 16. Dezember 2004 vorgenommene Verböserung verweist, die gerade in der Nichtberücksichtigung der Kosten für die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten bestanden hat.
Aus der Begründung der beiden miteinander verbundenen Bescheide (Aufhebungsbescheid und neuer Sachbescheid vom 3. November 2005) ist daher im Beschwerdefall zu erkennen gewesen, worauf das Finanzamt die Aufhebung gestützt hat (vgl. in diesem Zusammenhang sinngemäß die zur Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO ergangenen hg. Erkenntnisse vom 24. September 2007, 2005/15/0041, und vom 4. März 2009, 2008/15/0327).
Die Begründung des Aufhebungsbescheides hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 BAO darzulegen, also sowohl den Aufhebungsgrund als auch die Gründe für die Ermessensübung anzuführen (vgl. Ritz, BAO4, § 299 Tz 40).
Allerdings sind Begründungsmängel des Erstbescheides im Berufungsverfahren sanierbar (vgl. Ritz, BAO4, § 93 Tz 16). Im Berufungsverfahren kann ein mangelhaft begründeter Aufhebungsbescheid (etwa hinsichtlich der Begründung der Ermessensübung) ergänzt bzw. richtig gestellt werden, es darf bloß kein anderer (neuer) Aufhebungsgrund herangezogen werden (vgl. sinngemäß zur Wiederaufnahme des Verfahrens das hg. Erkenntnis vom 30. November 1999, 94/14/0124).
In Verkennung der Rechtslage ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die vom Finanzamt herangezogenen Aufhebungsgründe nicht in Zusammenschau miteinander zu verbindender Bescheide ergründet werden können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Wien, am 26. April 2012
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