VwGH 2008/22/0537

VwGH2008/22/053717.9.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als weitere Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des N, vertreten durch Dr. Felix Graf, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Liechtensteinerstraße 27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 11. Juli 2005, Zl. Fr-4250a-107/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen albanischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 iVm den §§ 37, 38 und 39 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie auf die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers vom 23. November 2004 nach § 28 Abs. 2 zweiter, dritter und vierter Fall Suchtmittelgesetz - SMG, wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1, vierter, fünfter und sechster Fall SMG und des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 2 Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Dazu zitierte die belangte Behörde den Urteilsspruch, dem zufolge der Beschwerdeführer vom Februar 2003 bis Anfang Juli 2004 Suchtgift in einer mehrfach großen Menge aus- und eingeführt sowie in Verkehr gesetzt habe, und zwar insgesamt ca. 375 bis 385 g Heroin durch Schmuggel von der Schweiz nach Vorarlberg und durch Verkauf von insgesamt ca. 70 bis 80 g Heroin sowie ca. 15 g Heroin an zwei namentlich genannte Personen. Er habe anlässlich der Schmuggelfahrten zusätzlich 6 g Kokain von der Schweiz aus- und nach Vorarlberg eingeführt sowie geringe Mengen Kokain verschiedenen Drogenkonsumenten überlassen. Weiters habe er im Zeitraum Herbst 2003 bis 14. September 2004 in Vorarlberg eine verbotene Waffe, nämlich einen als Schlüsselanhänger getarnten Schussapparat, unbefugt besessen.

In rechtlicher Sicht folgerte die belangte Behörde, dass durch diese Verurteilung der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG erfüllt sei. Auf Grund des dieser Verurteilung zu Grunde liegenden schweren Gesamtfehlverhaltens (allein schon die große Menge des geschmuggelten Suchtgiftes und die hohe Anzahl der Schmuggelfahrten deuteten auf eine hohe kriminelle Energie hin) sei die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, insbesondere an der Verhinderung strafbarer Handlungen und am Schutz der Rechte anderer, zuwiderlaufe. Bei der Suchtgiftkriminalität handle es sich um eine sehr gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr besonders groß sei. Der Beschwerdeführer sei nach seinen Angaben selbst "noch drogensüchtig".

Der Beschwerdeführer sei im Frühjahr 1998 nach Österreich gezogen und habe am 30. März 1998 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet, aus welcher Ehe ein nunmehr vier Jahre alter Sohn stamme. Im Juli 2003 sei diese Ehe geschieden worden und es lebe das gemeinsame Kind nunmehr bei der Mutter. Der Beschwerdeführer sei zuletzt keiner Beschäftigung mehr nachgegangen und habe zeitweise in der Wohnung seines Vaters, eines angeblich anerkannten Konventionflüchtlings, gelebt. Zumindest zum Zeitpunkt der Erstattung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid habe sich der Beschwerdeführer auf Therapie befunden.

Durch das Aufenthaltsverbot finde ein "gewisser Eingriff" in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers statt. Diese Maßnahme sei jedoch im Interesse der Gesundheit anderer sowie zur Verhinderung strafbarer Handlungen iSd § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten. Da es sich bei Suchtmitteldelikten wegen ihrer hohen Sozialschädlichkeit um äußerst gefährliche Straftaten handle und bei diesen Delikten auch von einer hohen Rückfallsquote auszugehen sei, dränge das in hohem Maß bestehende öffentliche Interesse, den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu untersagen, die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers in den Hintergrund, zumal die Ehe geschieden sei und die frühere Ehefrau mit dem gemeinsamen Kind getrennt vom Beschwerdeführer wohne. Der Beschwerdeführer habe zwar vorgebracht, dass sein Vater krank sei und die deutsche Sprache nicht beherrsche; er habe jedoch selbst ausgeführt, dass sein Vater von der Caritas und dem Sozialdienst betreut werde.

Die Dauer des Aufenthaltsverbotes richte sich nach der Zeit, nach der vermutlich die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes weggefallen sein werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).

In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 2005, 2005/21/0280).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die von der belangten Behörde festgestellte Verurteilung und wendet sich nicht gegen die - zutreffende - Ansicht der belangten Behörde, dass dadurch der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 (erster Fall) FrG erfüllt sei. Der Gerichtshof hegt angesichts der besonderen Gefährlichkeit und Sozialschädlichkeit von Suchtmitteldelikten auch keine Bedenken gegen die weitere behördliche Ansicht, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Gefährlichkeitsprognose zu treffen sei (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 8. September 2005) .

Gemäß § 37 Abs. 1 FrG ist, würde u.a. durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, diese Maßnahme nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 37 Abs. 2 FrG ist das Aufenthaltsverbot unzulässig, wenn dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dessen Erlassung.

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe wegen ehelicher Schwierigkeiten und starker Depressionen begonnen, Suchtmittel zu konsumieren, befinde sich nach Aufschub des Vollzugs der verhängten Freiheitsstrafe in ambulanter Behandlung, lebe drogenfrei bei seinem Vater, einem anerkannten Konventionsflüchtling, habe sich seit seiner Enthaftung am 25. April 2005 wohlverhalten und habe drei bis vier Mal wöchentlich Kontakt zu seinem minderjährigen Sohn. Mit diesem Vorbringen wendet er sich gegen das Ergebnis der behördlichen Beurteilung nach § 37 FrG. Dem ist zu entgegnen, dass - auch wenn eine Ehekrise und Depressionen Auslöser der Suchtmittelabhängigkeit waren - erst eine erfolgreiche Therapie und ein längeres Wohlverhalten bewirken könnten, dass das Aufenthaltsverbot nicht mehr als dringend geboten und zulässig gewertet werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 2006, 2003/21/0058). Vorliegend ist der Zeitraum zwischen der Entlassung aus der Strafhaft Ende April 2005 und dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides Ende Juli 2005 viel zu kurz ist, um eine maßgebliche Verringerung der öffentlichen Interessen an der getroffenen Maßnahme annehmen zu können. Sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich vermag somit das sehr gewichtige öffentliche Interesse an der Unterbindung derartiger Straftaten nicht in den Hintergrund zu stellen, zumal der Beschwerdeführer nicht in einer Kernfamilie lebt. Die belangte Behörde durfte daher das Aufenthaltsverbot als dringend geboten und als zulässig nach Vornahme einer Interessenabwägung werten.

Soweit der Beschwerdeführer letztlich die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes bekämpft, wird kein konkreter Umstand vorgebracht, der zur Annahme führen könnte, dass die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers schon vor Ablauf von zehn Jahren weggefallen sein werde.

Da dem angefochtenen Bescheid insgesamt somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Ein Kostenzuspruch hatte mangels Verzeichnung von Kosten seitens der belangten Behörde zu entfallen.

Wien, am 17. September 2008

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