VwGH 2008/18/0530

VwGH2008/18/05303.7.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des M M in W, geboren am 11. Juni 1983, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 30. April 2008, Zl. E1/162.350/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §63;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs3;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
EMRK Art8 Abs2;
VwGG §63;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien (der belangten Behörde) vom 30. April 2008 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bangladesch, gemäß § 62 iVm § 87 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 31. Jänner 2003 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der erstinstanzlich abgewiesen worden sei. Das diesbezügliche Berufungsverfahren sei anhängig.

Am 8. April 2004 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und wenig später einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger gestellt. Noch während dieses Verfahrens sei bei der Erstbehörde (Bundespolizeidirektion Wien) ein anonymes Schreiben eingelangt, wonach die österreichische Ehegattin für die Eheschließung Geld bekommen hätte und der Beschwerdeführer in deren Wohnung zwar gemeldet wäre, nicht jedoch wohnte.

Am 19. August 2004 sei die Ehegattin des Beschwerdeführers niederschriftlich vernommen worden und habe unumwunden zugegeben, dass es sich bei ihrer Ehe um eine Scheinehe handelte, für die sie EUR 2.000,-- versprochen bekommen und auch erhalten hätte. Sie habe dargelegt, wie es zur Schließung dieser Scheinehe gekommen wäre und dass der Beschwerdeführer in ihrer Wohnung zwar angemeldet wäre, jedoch nie wohnhaft gewesen wäre. Sie hätte ihn nur geheiratet, um ihm den Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen.

Diese Angaben seien durch polizeiliche Erhebungen insofern bestätigt worden, als eine Nachbarin der Ehegattin zwar diese und deren Kind, nicht jedoch den Beschwerdeführer gekannt habe.

In seiner Stellungnahme vom 4. November 2004 habe der Beschwerdeführer angegeben, seine Ehegattin in der Wohnung eines Freundes und dessen Frau kennen gelernt zu haben. Nach der Hochzeit hätten diese Freunde jedoch plötzlich Geld für deren angebliche "Hilfestellungen und die Vermittlung der Ehe" verlangt, weshalb der Beschwerdeführer EUR 20.000,-- an sie bezahlt hätte. Später hätte er dann erfahren, dass seine Gattin eine Beziehung zu ihrem geschiedenen Mann pflegte, weshalb er ausgezogen wäre und von ihr getrennt lebte.

Die Erstbehörde habe zutreffend festgestellt, dass der in § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG normierte Tatbestand verwirklicht sei, dies aus folgenden Gründen:

Die belangte Behörde habe keine Veranlassung gesehen, am Wahrheitsgehalt der nachvollziehbaren und unmissverständlichen Angaben der Ehegattin des Beschwerdeführers zu zweifeln, zumal kein Grund ersichtlich gewesen sei, warum diese wahrheitswidrige Angaben machen und den Beschwerdeführer zu Unrecht belasten sollte. Dieser habe deren Angaben unkommentiert gelassen und vielmehr behauptet, EUR 20.000,-- an Freunde bezahlt zu haben, die dieses Geld nachträglich für die Vermittlung der Ehe verlangt hätten. In seiner Berufung begründe er allfällige Zahlungen an seine Ehegattin mit seinen familienrechtlichen Verpflichtungen und bestreite nicht, Geld an sie gezahlt zu haben. Sein Vorbringen erscheine weder glaubhaft noch schlüssig. Zum einen widerspreche es der Lebenserfahrung, dass ein Fremder an Dritte einen keinesfalls unerheblichen Betrag von EUR 20.000,-- für deren behauptete Vermittlung der Ehe bezahle, nur weil diese nach der Eheschließung plötzlich Geld verlangten. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang noch angebe, die anonyme Anzeige stammte eben von diesen "Freunden", so sei nicht erkennbar, was er mit seinem Vorbringen als zu seinen Gunsten sprechend darzulegen glaube. Folge man ihm, dann hätte er an diejenigen Personen, die ihn in einem anonymen Schreiben der Scheinehe bezichtigt hätten, EUR 20.000,-- bezahlt, weil diese solches von ihm für die Vermittlung der Ehe verlangt hätten. Vielmehr schienen diese Angaben einem Geständnis näher zu kommen, als dass sie die getroffenen Feststellungen der Erstbehörde in Frage stellen könnten.

Aktenkundig sei, dass der Beschwerdeführer an der Wohnanschrift seiner Ehegattin gerade einmal vier Monate (vom 13. April 2004 bis 10. August 2004) gemeldet gewesen sei, was auch den Wahrheitsgehalt der Angaben seiner Ehegattin bestätige.

Angesichts aller Umstände, insbesondere der glaubwürdigen Angaben der Ehegattin des Beschwerdeführers, habe es die belangte Behörde als erwiesen angesehen, dass der Beschwerdeführer zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eine Scheinehe geschlossen habe.

Solcherart sei nicht nur der in § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG normierte Tatbestand verwirklicht. Da der Beschwerdeführer noch Asylwerber sei, seien die Voraussetzungen zur Erlassung des Rückkehrverbotes im Hinblick auf § 87 FPG erfüllt. Wer eine Scheinehe zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eingehe, gefährde maßgebliche öffentliche Interessen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührten, tatsächlich, gegenwärtig und erheblich, weshalb auch unter Anwendung dieser Bestimmung die Erlassung des Rückkehrverbotes zulässig sei.

Der Beschwerdeführer sei - wie dargestellt - verheiratet. Sorgepflichten oder sonstige familiäre Bindungen in Österreich bestünden offenbar nicht. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen gewesen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse verstoße jedoch gravierend, wer zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eine Scheinehe eingehe. Die solcherart bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die Erlassung des Rückkehrverbotes dringend geboten und sohin im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei.

Bei der gemäß § 66 Abs. 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Diese erweise sich jedoch als keinesfalls gewichtig, sei er doch lediglich auf Grund des gestellten Asylantrages zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt und werde die einer jeglichen Integration zugrunde liegende soziale Komponente durch das dargestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers entsprechend an Gewicht gemindert. Auch angesichts des Mangels sonstiger familiärer Bindungen in Österreich sei das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzusprechende Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet keinesfalls gewichtig. Die Auswirkungen des Rückkehrverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführer wögen keinesfalls schwerer als das in seinem Fehlverhalten begründete große öffentliche Interesse an seinem Verlassen des Bundesgebietes. Die Erlassung des Rückkehrverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe für die belangte Behörde keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung dieser Maßnahme im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Was die Gültigkeitsdauer des Rückkehrverbotes betreffe, so sei dieses mit nunmehr zehn Jahren zu befristen gewesen. Im Hinblick auf das dargestellte Fehlverhalten und die aktenkundige Lebenssituation des Beschwerdeführers könne vor Ablauf dieser Frist nicht erwartet werden, dass die maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Mit dem Vorbringen, dass die belangte Behörde auf das im ersten Rechtsgang ergangene hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2005/18/0194, nicht eingegangen sei, übersieht die Beschwerde, dass sich die maßgebliche Rechtslage nach Erlassung des diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Bescheides der belangten Behörde geändert hat (vgl. zum Umfang der Bindung an die Aufhebung eines Bescheides etwa die in Mayer, B-VG4, zu § 63 VwGG III. zitierte hg. Judikatur).

2. Die Beschwerde geht auf die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht ein, sondern verweist auf den Inhalt der im hg. Beschwerdeverfahren Zl. 2005/18/0194 erstatteten Beschwerde, die sich nicht gegen den vorliegend angefochtenen Bescheid gerichtet hat. Dies stellt keine gesetzmäßige Ausführung von Beschwerdegründen dar, sodass der Beschwerdehinweis auf das in dem genannten Beschwerdeverfahren erstattete Vorbringen nicht zielführend ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2008, Zl. 2008/18/0134).

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde erscheint im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrollbefugnis (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nachvollziehbar und plausibel, und es begegnen die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen wie auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass das Verhalten des Beschwerdeführers den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfülle, keinen Bedenken.

In Anbetracht des hohen Stellenwertes, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, begegnet auch die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine Gefährdung im Sinn des - im Beschwerdefall gemäß § 87 FPG anzuwendenden - § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) leg. cit. darstelle (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 22. April 2008, Zl. 2008/18/0063) und die in § 62 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.

3. Bei der gemäß § 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG durchzuführenden Interessenabwägung hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Ende Jänner 2003 berücksichtigt und zutreffend einen mit der Erlassung des Rückkehrverbotes verbundenen relevanten Eingriff in seine persönlichen Interessen angenommen. Zu Recht hat sie jedoch auch darauf hingewiesen, dass die aus der Dauer seines inländischen Aufenthaltes resultierende Integration in Österreich in ihrer Bedeutung durch das Eingehen der Scheinehe wesentlich gemindert wird. Angesichts der den - nicht gewichtigen - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers gegenüberstehenden erheblichen Gefährdung öffentlicher Interessen durch sein rechtsmissbräuchliches Verhalten kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Rückkehrverbotes zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und darüber hinaus die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme davon (§ 66 Abs. 2 FPG), nicht beanstandet werden.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 3. Juli 2008

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