VwGH 2008/18/0138

VwGH2008/18/013828.2.2008

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des M H A M, geboren am 28. September 1982, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 30. Jänner 2008, Zl. SD 1788/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §34 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) vom 6. Dezember 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der von ihm gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. Jänner 2008 gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben.

Die belangte Behörde traf im angefochtenen Bescheid u. a. folgende wesentliche Feststellungen:

Der Beschwerdeführer sei laut seinen unbestätigten Angaben am 9. September 2003 schlepperunterstützt unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet gelangt. Aktenkundig sei, dass er am 11. September 2003 im Zuge einer Lokalkontrolle in einer Pizzeria in Wien bei der Schwarzarbeit (Salatzubereitung) betreten worden sei. Mit Bescheid der Erstbehörde vom 16. September 2003 sei gegen den Beschwerdeführer, der sich in der Folge gegenüber den einschreitenden Beamten und der Erstbehörde mit einem anderen Namen und einem anderen Geburtsdatum ausgegeben habe, ein auf Mittellosigkeit und Schwarzarbeit gestütztes Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren verhängt worden. Nach einem von ihm durchgeführten Hungerstreik habe er am 23. September 2003 aus der Schubhaft entlassen werden müssen. Über seinen weiteren Aufenthalt sei zunächst nichts bekannt gewesen. Jedenfalls sei er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und habe am 7. Oktober 2003 in Wien die österreichische Staatsbürgerin U. geehelicht. Am 29. Oktober 2003 habe er einen von seiner Ehegattin abgeleiteten Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreichern" gestellt.

Im Zuge von Erhebungen der Erstbehörde habe die Ehegattin des Beschwerdeführers angegeben, auf Grund ihrer Suchtkrankheit ein "Methadon-Programm" zu durchlaufen und mit ihren beiden Kindern seit September 2003 in W, Pgasse ("Betreutes Wohnen"), Unterkunft genommen zu haben, wo nur sie und ihre Kinder leben dürften. Der Beschwerdeführer hätte in W, Jgasse, Unterkunft genommen. Sowohl bei diesen Erhebungen als auch bei einer am 30. März 2004 durchgeführten Vernehmung habe U. das Vorliegen einer Scheinehe bestritten.

An diesem Tag habe U. gegenüber der Erstbehörde weiters angegeben, dass ihre zuvor mit einem anderen geschlossenen Ehe rechtskräftig geschieden worden wäre, sie mit diesem nie zusammengelebt und auch für die Ehe kein Geld erhalten und sie diesen nur deshalb geheiratet hätte, weil er ihr versprochen hätte, ihr zu helfen. Sie hätte geglaubt, er habe sie nur benützt, um ein Visum zu erhalten.

Da U. in einem notariell beglaubigten Schreiben vom 5. Februar 2004 neuerlich deponiert habe, dass sie den Beschwerdeführer "über alles liebe", habe die Erstbehörde mit Bescheid vom 7. Juni 2004 dem Antrag auf Aufhebung des vorgenannten Aufenthaltsverbotes stattgegeben und ihm eine von U. abgeleitete quotenfreie Erstniederlassungsbewilligung erteilt. In der Folge habe er einen weiteren, von 19. August 2005 bis 20. August 2006 gültigen gleichartigen Aufenthaltstitel erhalten.

Mit Schreiben des Landeshauptmannes von Wien vom 9. August 2006 sei der Erstbehörde mitgeteilt worden, dass die Ehe des Beschwerdeführers mit U. seit 7. November 2005 rechtskräftig einvernehmlich geschieden sei und laut Scheidungsvergleich die eheliche Gemeinschaft bereits seit Mai 2005 aufgelöst gewesen sei. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer zuletzt am 7. Juni 2005 einen Verlängerungsantrag gestellt, auf Grund dessen er zuletzt die ab 19. August 2005 gültige Niederlassungsbewilligung erhalten habe. Aus dem Zentralen Melderegister sei ersichtlich, dass U. lediglich kurzfristig an der Adresse des Beschwerdeführers mit Nebenwohnsitz gemeldet gewesen sei. Dem Scheidungsbeschluss sei zu entnehmen, dass der letzte gemeinsame Wohnsitz in W, Pgasse, gewesen sei.

Im Zuge des daraufhin von der Erstbehörde eingeleiteten Aufenthaltsverbotsverfahrens seien der Beschwerdeführer und U. am 26. September 2006 getrennt voneinander befragt worden, wobei sich eine Reihe von Widersprüchen ergeben habe. In diesem Zusammenhang wies die belangte Behörde u.a. auf Folgendes hin:

Zur Schulbildung von U. befragt habe der Beschwerdeführer nicht angeben können, wie lange U. in die Schule gegangen sei. Diese habe nicht das genaue Geburtsdatum des Beschwerdeführers, sondern lediglich den Monat seiner Geburt und auch nicht seine weiteren Namen nennen können. Ferner habe der Beschwerdeführer das Datum der Eheschließung nicht genauer als mit "Herbst 2003" benennen können. Während U. angegeben habe, dass er ihren Bruder persönlich kennen würde, habe der Beschwerdeführer ausgesagt, dass er außer den zwei Kindern seiner Ehegattin keine weiteren Familienangehörigen von ihr kennen würde. Dieser habe zu persönlichen Merkmalen an ihrem Körper befragt ein am linken Unterarm tätowiertes Herz und einen Blitz ebenso wenig nennen können wie die am rechten Knöchel tätowierte Schrift "I love you Alex" und die an ihrem linken Oberschenkel vorhandene Brandnarbe. Auch zur Frage des Hochzeitsessen hätten die beiden widersprüchliche Aussagen getätigt: Während der Beschwerdeführer ausgeführt habe, dass es kein Hochzeitsessen und keine Feier gegeben hätte, habe U. ausgesagt, dass sie und die Trauzeugen in Hietzing in einem Lokal etwas gegessen und getrunken hätten. Weiters sei die Wohnung in W, Pgasse, unterschiedlich beschrieben worden. In weiterer Folge habe U. auf nochmaliges Befragen angegeben, dass der gemeinsame Wohnsitz des Ehepaares in 1050 Wien, Jahngasse, gewesen wäre und sie dort nur mit Nebenwohnsitz gemeldet gewesen wäre.

Auf Grund eines anonymen Anrufes am 21. November 2006, dem zufolge der Beschwerdeführer eine Scheinehe eingegangen wäre, immer alleine in 1160 Wien gelebt hätte und an der Wohnung in W nur gemeldet gewesen wäre, die dessen Chef gehörte, sei der Eigentümer dieser Wohnung, T., vernommen worden. Dieser habe angegeben, dass der Beschwerdeführer in seiner Pizzeria von Ende 2003 bis Ende Juli 2006 gearbeitet, seit Beginn des Arbeitsverhältnisses in 1160 Wien gewohnt und ihn im Jahr 2003 gebeten hätte, einen Meldezettel für die genannte Wohnung zu unterschreiben, weil der Beschwerdeführer eine Adresse für sich und seine Ehegattin benötigt hätte. Diese Personen hätten jedoch nie einen Schlüssel zu seiner Wohnung gehabt und dort auch nie gewohnt.

Nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides habe der Beschwerdeführer erstmals die Vernehmung von zwei namentlich angeführten Zeugen zum "Beweis dafür, dass keine Scheinehe" vorläge, beantragt.

In weiterer Folge vertrat die belangte Behörde die Auffassung, dass in Anbetracht der zum Teil krass widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers und seiner früheren Ehegattin, der Erhebungen an deren Meldeanschrift und der Aussagen des ehemaligen Arbeitgebers des Beschwerdeführers und dessen Ehegattin davon auszugehen sei, dass die Ehe des Beschwerdeführers ausschließlich deshalb geschlossen werden sei, um ihm die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu verschaffen. Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehegattin ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Es seien daher die Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt.

Darüber hinaus seien im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer bereits anlässlich seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet bewusst eine falsche Identität angegeben und binnen kürzester Zeit Schwarzarbeit ausgeübt habe, auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. erfüllt.

Auf Grund dieser Umstände seien die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 87 iVm § 86 FPG verwirklicht. Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige.

Der Beschwerdeführer sei geschieden, und es seien aktuelle familiäre Bindungen im Bundesgebiet nicht geltend gemacht worden und auch nicht aktenkundig. Im Hinblick darauf stehe der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht § 66 Abs. 1 und 2 FPG entgegen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet sich gegen die die Beurteilung nach § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG tragenden Feststellungen und die diesbezügliche Beweiswürdigung der belangten Behörde mit folgendem Vorbringen:

"Wie bereits in meiner Berufung gegen den Bescheid der Fremdenpolizei Wien vorgebracht, liegt keine Scheinehe vor. Das Verfahren gegen mich beruht lediglich auf den falschen Angaben des Zeugen (T.). Auch meine Frau hat von keiner Scheinehe gesprochen.

Bereits im Verfahren bei der Fremdenpolizei Wien habe ich die Einvernahme der Zeugen (A.) und (K.) beantragt. Im Verfahren vor der Sicherheitsdirektion Wien habe ich den Antrag auf Einvernahme dieser Zeugen wiederholt. Weder die Fremdenpolizei Wien noch die Sicherheitsdirektion Wien hat diese beiden Zeugen, die ich zum Beweis dafür beantragt habe, dass keine Scheinehe vorliegt, einvernommen. Das Verfahren ist daher mangelhaft geblieben."

2. Dieses Beschwerdevorbringen vermag jedoch die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht zu erschüttern. Diese erscheint in Anbetracht der oben (I.1.) dargestellten Widersprüche in den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner früheren Ehegattin sowie im Hinblick auf die Aussage des Zeugen T. im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) als unbedenklich. Wenn die Beschwerde rügt, dass die belangte Behörde die beiden Zeugen nicht vernommen habe, die der Beschwerdeführer zum Beweis dafür, dass keine Scheinehe vorläge, beantragt habe, so zeigt sie mit diesem Vorbringen keinen Verfahrensmangel auf, legt sie doch nicht substanziiert dar, welche vom Beschwerdeführer aufgestellten Tatsachenbehauptungen mit den Aussagen der beantragten Zeugen hätten bewiesen werden sollen.

Unter Zugrundelegung der sohin auf unbedenkliche Weise zustande gekommenen Sachverhaltsfeststellungen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das rechtsmissbräuchliche Verhalten des Beschwerdeführers eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle, die die Erlassung des Aufenthaltsverbotes rechtfertige, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Hiebei bewirkte der Umstand, dass die belangte Behörde den Spruch des angefochtenen Bescheides nicht auf § 60 Abs. 1 FPG, sondern - im Hinblick auf die rechtskräftige Scheidung des Beschwerdeführers von der genannten österreichischen Staatsbürgerin insoweit rechtsirrig - auf § 87 iVm § 86 Abs. 1 leg. cit. gestützt hat, keine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG zusammengesetzten Senat - gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebenden Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 28. Februar 2008

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