VwGH 2008/15/0094

VwGH2008/15/009422.3.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und den Senatspräsidenten Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der D in P, vertreten durch Dr. Otto Ackerl, Rechtsanwalt in 1210 Wien, Brünner Straße 37/5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 8. Juni 2005, Zl. RV/2355- W/02, betreffend Einkommensteuer 1998, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §37 Abs5 idF 1996/201;
EStG 1988 §37 Abs5 idF 1996/201;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.286,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde nahm im angefochtenen Bescheid folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Die Beschwerdeführerin betrieb eine Gebäudeverwaltung in Form einer nicht protokollierten Einzelfirma. Mit 27. Februar 1998 gründete die Beschwerdeführerin "zwecks leichterer Übertragung des Unternehmens" die auf ihren Vor- und Zunamen lautende Gebäudeverwaltung- und Realitätenvermittlung KEG, an welcher sie als Komplementärin und ihr Ehemann als Kommanditist mit einer Einlage von S 10.000,-- beteiligt waren. Mit Wirkung vom 1. Juli 1998 wurde der von der Beschwerdeführerin gehaltene Komplementäranteil zu einem näher umschriebenen Preis, welcher sich im Wesentlichen an einem Prozentsatz des von der Gesellschaft erzielten Umsatzes in einem bestimmten Zeitraum orientierte, an Robert H. und der Kommanditanteil (um S 10.000) an seine Ehefrau Birgit verkauft. Die Beschwerdeführerin verpflichtete sich, für die KEG im Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 1998 "ca. 20 Stunden wöchentlich nach Vereinbarung als Konsulentin tätig" zu sein. Für die Zeit von 1. Jänner bis 30. Juni 1999 war die Beschwerdeführerin berechtigt, "unentgeltlich für die KEG als Konsulentin tätig" zu sein. Die Beschwerdeführerin verpflichtete sich, alles Nötige zu unternehmen, um den "Hausverwalterstock" in der vorhandenen Form zu erhalten.

Bis 26. November 1998 war die Beschwerdeführerin zudem Kommanditistin und Prokuristin (ihr Ehemann Komplementär) einer KG. Am 26. November 1998 verstarb der Ehemann der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin führte die KG bis zu deren Einstellung am 31. Dezember 1999 als Einzelunternehmerin weiter. Die Umsatzerlöse der KG betrugen im Zeitraum 1. Jänner bis 26. November 1998 rund S 630.000,--, vom 27. November 1998 bis 31. Dezember 1998 rund S 40.000,-- und vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1999 rund S 620.000,--. Der Handelswareneinsatz im Jahr 1999 betrug rund S 370.000,--.

Diesen im Wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt würdigte die belangte Behörde dahin, dass die von der Beschwerdeführerin beantragte Steuerbegünstigung des § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 37 Abs. 5 EStG 1988 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. 1996/201, hinsichtlich des Veräußerungsgewinnes aus dem Verkauf der KEG nicht zur Anwendung gelangen könne, weil die ab 26. November 1998 ausgeübte aktive werbende Betätigung im Zuge der Weiterführung der KG nicht als gänzliche Einstellung ihrer Erwerbstätigkeit beurteilt werden könne. Durch die Weiterführung des Betriebes des Ehemannes als Einzelunternehmen, welche im Jahr 1999 zu einem Zukauf von Waren im Wert von über S 300.000,-- und Umsatzerlösen von über S 500.000,-- geführt habe, sei nicht von einer sofortigen Liquidation des Unternehmens, sondern von einer allgemeinen wirtschaftlichen Betätigung auszugehen. Dies stehe einer Anwendung des § 37 Abs. 5 EStG 1988 entgegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen.

§ 37 Abs. 1 EStG 1988 in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. 1996/201, lautete:

"Der Steuersatz ermäßigt sich für

"Außerordentliche Einkünfte sind Veräußerungs- und Übergangsgewinne, wenn der Betrieb deswegen veräußert oder aufgegeben wird, weil der Steuerpflichtige

Für Veräußerungsgewinne steht der ermäßigte Steuersatz nur über Antrag und nur dann zu, wenn seit der Eröffnung oder dem letzten entgeltlichen Erwerbsvorgang sieben Jahr verstrichen sind."

Unter den Begriff "Erwerbstätigkeit" fallen alle Tätigkeiten, die sich als aktive Betätigung im Erwerbsleben darstellen (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, Band IIIC, § 37 Tz. 23). In seinem Erkenntnis vom 9. März 1982, 82/14/0044,0045, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Erwerbstätigkeit bei der Zuzugsbegünstigung (§103 EStG 1972) ausgeführt, dass - neben dem Bezug von einer Zuzugsbegünstigung nicht schädlichen Pensionen - auch eine mitunternehmerische Beteiligung dann keine Erwerbstätigkeit darstellt, wenn ein Kommanditist keine wesentlich andere Funktion als ein Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft hat, er also keine besonderen wirtschaftlichen Tätigkeiten ausübt.

In seinem Erkenntnis vom 4. Juni 2008, 2003/13/0077, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass eine "kapitalistische" Mitunternehmereigenschaft trotz ihrer Zuordnung zu den gewerblichen Einkünften nach § 23 Z. 2 für sich keine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 37 Abs. 5 EStG 1988 darstellt.

Eine einschränkende Interpretation des Tatbestandsmerkmals "Erwerbstätigkeit" im Sinne des § 37 Abs. 5 EStG 1988 hält der Verwaltungsgerichtshof auch für den Fall angebracht, dass ein Steuerpflichtiger einen Betrieb im Erbweg erwirbt und sodann in der Art einer Abwicklung in einem den Umständen nach kurzen Zeitraum einstellt. Auch in einem solchen Fall kann von einer dem "Erwerb" dienenden Tätigkeit nicht gesprochen werden und steht es dem Fehlen einer Erwerbstätigkeit im Sinne des § 37 Abs. 5 EStG 1988 nicht entgegen, dass der Steuerpflichtige betriebliche Einkünfte erzielt.

Im Beschwerdefall ist zunächst schon darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde keine konkreten Feststellungen getroffen hat, wonach die Beschwerdeführerin anlässlich der Veräußerung ihres Komplementäranteiles an der KEG (mit Wirkung vom 1. Juli 1998) ihre Erwerbstätigkeit nicht eingestellt hätte. Erst Monate später (im November 1998) ist die Beschwerdeführerin nach dem Tod ihres Ehemannes hinsichtlich des bis dahin von ihm als Komplementär "geführten" Unternehmens tätig geworden. Aber auch der Ansicht der belangten Behörde, dass dabei nicht "von einer sofortigen Liquidation auszugehen" sei, kann selbst bei den noch ausgeführten Umsätzen unter Berücksichtigung des unbestritten gebliebenen Umstandes, dass die Geschäftstätigkeit des Unternehmens tatsächlich nach einem Zeitraum von wenig mehr als einem Jahr eingestellt war, nicht gefolgt werden. Dass entgegen dem Vorbringen im Berufungsverfahren das Verlassenschaftsverfahren keinerlei Verzögerungen mit sich gebracht hat, weshalb eine wesentlich raschere Liquidation möglich gewesen wäre, hat die belangte Behörde nicht festgestellt.

Da die belangte Behörde insoweit die Rechtslage verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 22. März 2010

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